Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur. Manuel Caballero González
motivo como base argumental“40.
Welcker41 kommt in seiner Untersuchung über die griechische Tragödie zu dem Schluss, dass es sich bei Sophokles’ Phrixos um Potiphars Motiv handeln könnte. Lucas de Dios denkt ganz anders: „El tradicional paralelismo de contenido en correspondencia a la identidad de títulos42 hablaría igualmente en contra de aplicar al Frixo sofocleo el motivo de Putifar“43. Ribbeck44 und Warmington45 interpretieren Accius’ Athamas nach diesem Motiv, aber D’Antò46 lehnt diese Zuschreibung ab, über die sich auch Prof. Lucas de Dios nicht völlig sicher ist.
Prof. López Salvá analysiert zwei Motive des Mythos von Athamas, die, obwohl sie in Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20 – in dieser Fabel wird das Motiv von PotipharPotiphar in Athamas’ Mythos dargestellt – nicht erscheinen, eine große Ähnlichkeit mit einigen Merkmalen der Geschichte mit Potiphars Motiv in anderen Literaturen haben. López Salvá macht z.B. auch auf die von Nephele veranlasste DürreDürre aufmerksam, wie in Eudoc. 25 D’AnsseEudokiaEudoc. 25 D’Ansse, Apostol. XI 58ApostoliosApostol. XI 58, Schol. in Ar. Nu. 257b HolwerdaScholia zu AristophanesSchol. in Ar. Nu. 257b Holwerda und Schol. th-tr. in Ar. Nu. 257a KosterScholia zu AristophanesSchol. th-tr. in Ar. Nu. 257a Koster47 zu lesen ist; deren Erwähnung erinnert den Leser an andere Dürren: „[La] provocada por Asertu al no ceder Baal a sus requerimientos amorosos, la que siguió a la muerte de Aqat, o la que asoló Egipto cuando José se hallaba encarcelado48 a causa de la falsa acusación de la mujer de Putifar“49. Im Hinblick auf den fliegenden Widder bezieht sich López Salvá auf die unzähligen Belege von Flügeltieren in Mesopotamien50.
Abschließend zweifelt Lucas de Dios am Alter dieser Variante und sogar an der Möglichkeit, dass sie einmal in einer griechischen oder lateinischen TragödieTragödie aufgeführt worden ist: „En el caso de Atamante / Creteo-Demódica-Frixo no tenemos realmente apoyo estable alguno para afirmar que subiese en alguna ocasión a escena“51.
6) Theseus – Phaidra – Hippolytos.
Die berühmte Tragödie von Euripides Hippolytos steuert ein neues Element bei, denn Theseus’ Sohn „rechaza no sólo las propuestas de un amor deshonesto, sino las de cualquier otro tipo, puesto que él pertenece al área anímica de Ártemis“52; dies führt zu einer völlig neuen Lösung: Hippolytos’ Tod. In der Tat ist es der einzige Fall, in dem der begehrte junge Mann stirbt. López Salvá weist darauf hin, dass, im Gegensatz zu den Geschichten von Bellerophon, Peleus und Phoinix, Phaidras und Hippolytos’ Schilderung weder bei Homer noch bei Hesiod noch bei einem der Lyriker etwas aufscheint, was zu dieser ‚unerwarteten‘ Lösung führen könnte. Diese Gelehrte meint, die Variante Sohn-Stiefmutter „es la que adopta por sus virtualidades trágicas el tema en las versiones griegas más recientes (Fénix, Frixo, Tenes, Anágiro e Hipólito), a nuestro juicio por contaminacion con el mito de Edipo“53. Allerdings weist López Salvá auch darauf hin, dass Phrixos’ Fall in einem Stadium zwischen den frühren Formen, die keine verwandtschaftlichen Beziehungen andeuteten, und den späteren, die das inzestuöse Thema der Stiefmutter als Provokation vorschlagen, angesiedelt ist. Im Fall von Phrixos wird entweder die ‚Tante‘ (Hyg. Astr. II 20HyginusAstr. II 20) oder die Stiefmutter (Pi. P. IV 162PindarP. IV 161–162) genannt.
Diesen Beispielen54 sollten einige Geschichten hinzugefügt werden, die innerhalb von Potiphars Motiv dem Mythos von Athamas ähneln.
So kann man z.B. den Bericht über Hebros in Plu. Fluu. III 1PlutarchFluu. III 155 sehen, in dem erzählt wird, wie die StiefmutterStiefmutter Damasipa ihren Stiefsohn Hebros vor seinem Vater Kassander verleumdet, indem sie ihn der Vergewaltigung beschuldigt. Blind vor Wut verfolgt der Vater seinen Sohn, bis er sich in den seither seinen Namen tragenden Fluss wirft.
Ein zweiter Fall ist der von Okna und Eunostos, deren Geschichte in einem kleinen Fragment der Dichterin Myrtis von Anthedon überliefert ist56. Hier kann man lesen, wie Okna, Kolonos’ Tochter, den Eunostos, Helios’ Sohn, vor ihren Brüdern falsch bezichtigt, die ihm dann eine Falle stellen und ihn töten. Helios wirft die Jungendlichen ins Gefängnis. Okna bereut und enthüllt die Wahrheit. Kolonos entscheidet sich, seine Kinder zu verbannen und stößt Okna von einer Klippe.
Reue, wie bei Okna, erscheint im Fall von Ino nicht, auch wenn man eine etwas ähnliche Geschichte in der I-L-M-Version bei Philostephanos (FHGPhilostephanosPhilosteph.Hist. (FHG) 37 37) oder bei Hygin (Fab. IIHyginusFab. II) sehen könnte, weil entweder eine Dienerin / ein Diener die verbrecherische Absicht der weiblichen Figur enthüllt oder eine mächtige Gestalt die Intrige erfährt, ohne zu sagen, wie sie das Böse entdeckt hat. Der gemeinsame Punkt ist, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt; diese Tat zieht unheilvolle Folgen für die Frau nach sich.
Interessant ist auch, dass Eunostos’ Geschichte zu der Stadt Tanagra (BöotienBöotien), auf die linke Seite des Flusses Asopos gehört und infolgedessen im Ausdehnungsbereich von Athamas’ Mythos. López Salvá denkt, „a este Eunosto se le rindió culto en un santuario en el que se prohibía la entrada de la mujeres“57; die Ähnlichkeit mit Leukotheas KultKult in der Stadt Chaironeia nach Plutarch (MorPlutarchMor. 267d-e. 267d-e) ist erstaunlich. Die spanische Akademikerin meint, dass dieser Bericht stark ätiologisch klingt, indem er zu erklären versucht, warum der Eintritt zu dem oben genannten Tempel von Eunostos den Frauen verboten war.
Also ist die Konkomitanz mit unserem Mythos sehr bedeutsam. Möglich ist, wie Prof. López Salvá oder Fontenrose bemerken, dass Potiphars Motiv ursprünglich ein Leitmotiv des Mythos von Athamas war.
Augenfällig ist nach López Salvá der Einfluss des Orients in dieser Art von Legenden: „Estas historias se sitúan generalmente en alguna corte real. Ese ambiente cortesano evoca las grandes monarquías orientales: Egipto, Mesopotamia, Ugarit, coexistentes (sic) con la realeza micénica. Y todas miran hacia Oriente“58. Bemerkenswert ist, dass Athamas’ Mythos derjenige ist, der die Griechen nach dem entferntesten Land des Orients ‚trägt‘, wo Jason und die Argonauten das Goldene VliesGoldenes Vlies finden müssen. Auf jeden Fall ist die Richtung immer ostwärts. Die einzigen Belege für westwärts sind die Ankunft von Ino bzw. Melikertes in MegaraMegara, Korinth, Korone, wie Pausanias59 es schildert, oder – das ist der äußerste Fall – in RomRom, wie bei Ovid60, der die I-P-H-Version ablehnt und die I-L-M-Version vertritt.
Ein wunderbares Tier pflegt zu erscheinen, entweder um dem Protagonisten zu helfen, wie der Widder mit dem goldenen Fell, oder ihm entgegenzutreten, wie die Chimäre. Darüber hinaus gibt es immer eine lebensgefährliche Situation, bei der die Hauptfigur Erfolg hat; danach findet sie wieder ins Leben zurück, wie Phrixos durch eine Ehe in KolchisKolchis61.
López Salvá meint, „en relación con sus orígenes (sic) en los que se puede rastrear un ritual agrario, está el hecho de que la muerte o desaparición del protagonista suele coincidir con un periodo de aridez e infertilidad, en el que la tierra se vuelve yerma y no da fruto“62; im Fall des Mythos von Athamas geschieht das Unglück, nicht wenn der Held verschwindet, wie es üblich ist, im Gegenteil, es ist der Anlass, ihn verschwinden zu lassen.
Merkwürdig ist die Hauptrolle von Poseidon in vielen dieser Mythen; in Athamas schreitet er indirekt in die I-P-H-Version ein, entweder durch den Widder, dessen Vater dieser Gott ist, oder durch die Rettung von HelleHelle im HellespontHellespont; sein Eingriff ist aber in der I-L-M-Version deutlicher.
Die Frau nimmt normalerweise ein tragisches Ende; in Athamas’ Fall, wie in jenem vom biblischen PotipharPotiphar bzw. von Phoinix, befasst sich die Legende am Ende der Erzählung nicht mit der Frau, es sei denn die I-L-M-Version gilt als Wirkung der I-P-H-Version.
Zum Schluss möge folgende Überlegung von Prof. López stehen: „Sobre estos motivos se constituye el tema de Putifar en el que se entrelaza la oposición potencia (= juventud) / impotencia (= vejez), subyacente a los ritos de fertilidad, con otras como son la oposición padre / hijo, presente en todos los mitos de sucesión, y la de los sexos mujer (principio del mal) / varón (inocencia virtuosa), propia de las sociedades patriarcales, frente a la mujer como fuente de fertilidad, al igual que la tierra-madre, característica de sociedades agrarias y matriarcales“63.
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