Der deutsche Wortschatz. Christine Römer
Strukturen in der Abbildung 2.5 zugeordnet werden:
Satzstruktur
Die Teile, die die Satzstruktur bilden, sind im Normalfall nicht Wörter, sondern Wortgruppen (Phrasen). Nur ein Teil der phonetisch-orthografischen Wörter kann Kern (Kopf) einer lexikalischen Phrase sein. Phrasen sind endozentrisch; das heißt, sie sind Projektionen der jeweiligen Kopfelemente. Diejenigen Wörter, die Kopfelemente sein können, sind syntaktische Wörter. Genaueres zum Begriff des syntaktischen Wortes findet man bei Gallmann (1999, S. 272)Gallmann, P..
Außerdem gibt es Wörter, die nicht Kopf einer lexikalischen Phrase sein können, dies Phrasenkopfsind die Artikel (morphologisch eine Teilklasse der Pronomen), die Hilfsverben und die Konjunktionen. Sie sind immer Teil einer lexikalischen Phrase. Die Artikel sind Bestandteile von Substantivphrasen, die Hilfsverben von Verbphrasen und die Konjunktionen von Sätzen oder Phrasen.
Wenn man, wie in der Generativen Grammatik üblich, die funktionalen Köpfe einbezieht, kommt man zu einer weiteren Gruppe von syntaktischen Wörtern. Funktionale Kategorien funktionale Kategorien(z.B. INFL(flection): Flexionsmorphem(e)) liefern die grammatischen Informationen, wie Tempus oder Kongruenz.1 Nach Abney (1987) Abney, S. P.stellen funktionale Klassen geschlossene Klassen dar, die zum größten Teil aus morphologisch abhängigen Elementen (wie Affixe) bestehen. Es fehlt ihnen jeglicher deskriptiver Gehalt. Das Einbeziehen der funktionalen Kategorien führt zu Phrasenprojektionen. In diesen funktionalen Projektionen treten die oben genannten Wörter, die keine Köpfe von lexikalischen Phrasen sein können, als Köpfe von funktionalen Phrasen auf und sind deshalb auch als syntaktische Wörter anzusehen. So tritt beispielsweise der Artikel (gehört zu den Determinierern) als Kopf der Determiniererphrase auf, die der Sitz der grammatischen Merkmale der Nominalphrase ist. Die Determiniererphrase ist somit eine funktionale Erweiterung der Nominalphrase. Die funktionalen Kategorien enthalten nur grammatische Merkmale; der Artikel ist deshalb ein syntaktisches Wort, aber kein eigenständiges semantisches, weil es keinen deskriptiven Gehalt, keine Intension, hat.
2.6 Das semantische Wort
Das semantische Wort Wortsemantischesist der kleinste selbstständige Bedeutungsträger, d.h. die Sprachbenutzer können mit ihm einen Inhalt verbinden. So bezeichnet Tischdas Lexem Tisch ‘einen konkreten Gegenstand’, Liebe ‘ein Gefühl’, grün ‘eine Farbeigenschaft’, oder ‘eine logische Beziehung’ und tauchen ‘eine Tätigkeit’.
Wörter können zu komplexen Wörtern zusammengeschlossen werden und nehmen dann oftmals eine Bedeutung an, die nicht einfach eine Summe aus den Teilbedeutungen darstellt, weil ein Idiomatisierungsprozess (Verlust der semantisch-morphologischen Durchsichtigkeit des Wortes) Idiomatisierungeintritt, wie in Bleistift oder Weichei.
Eine in der Sprachwissenschaft umstrittene Frage ist die, ob es eine Wortartenbedeutung gibt. WortartenbedeutungEs ist jenen zuzustimmen, die es als nicht sinnvoll ansehen, diese anzunehmen, weil es keine direkte Zuordnung von grammatischen und semantischen Wortklassen gibt. So sind nicht alle Substantive „Dingwörter“ (beispielsweise Essen in (2.5)).
(2.5) | Das Essen dauert lange. |
Das Essen verbalisiert hier einen Vorgang. Oder: Nicht alle Wörter, die Eigenschaften bezeichnen, sind Adjektive (wie 2.6).
(2.6) | Schönheit erfreut. |
Als sinnvoll sehen wir es jedoch Wortklassesemantischean, fünf semantische Hauptklassen von Wörtern zu unterscheiden:
Wörter, die auch ohne Satzkontext eine relativ abgeschlossene Bedeutung haben.
(2.7) | Eva (Eigenname1), Apfel (Gattungsbezeichnung) |
Wörter mit Gattungsbezeichnungrelationaler Bedeutung, die eine Rektion haben und Partner für die Entfaltung ihrer Bedeutung benötigen.
(2.8) | sparsam ist jemand jemand spart etwas Misstrauen hat man gegenüber jemandem oder etwas |
Wörter mit „zeigender“ Bedeutung (Deixis).
(2.9) | dort steht sie |
Wörter, die keine lexikalische Bedeutung haben. Dies sind phonetisch-orthografische Wörter, die keine selbstständigen Bedeutungsträger sind, die anstelle von morphologischen Affixen die Formenbildung übernehmen und grammatische Bedeutungselemente einbringen. Innerhalb des Verbparadigmas sind das die Hilfsverben und innerhalb des Substantivparadigmas die Artikel. Hilfsverben und Artikelwörter sind zwar phonetisch-orthografische Wörter, in dem oben erläuterten Sinn auch syntaktische, aber keine semantischen Wörter. Diese Wörter werden oft auch als Synsemantika („Leerwörter“) bezeichnet und die bedeutungstragenden als Autosemantika. SynsemantikonNicht Autosemantikongeteilt wird die vorkommende Auffassung, dass Präpositionen und Konjunktionen Synsemantika seien, weil sie in der Regel wichtige Bedeutungselemente einbringen. Beispielsweise macht es einen wichtigen Unterschied, ob man Katze und Sofa mit auf oder unter verbindet oder ob man beim Fleischer Bratwürste und Rostbrätchen mit und oder oder verbindet. Auf die Einzelfälle von weitgehend bedeutungsleeren Präpositionen und Konjunktionen kann hier nicht eingegangen werden (vgl. Er versprach, dass er anruft. Sie wartete vergebens auf den Anruf.).
Wörter, die Teil einer lexikalischen Phrase sind und keine isolierbare Bedeutung innerhalb der Phrase haben. Es handelt sich bei dieser Gruppe um Phraseologismenbestandteile, die stabile, im Langzeitgedächtnis fest verankerte, idiomatische Wortgruppen sind.
(2.10) | mit dem Klammersack gepudert sein = ‘dumm sein’ |
2.7 Das pragmatische Wort
Die Pragmalinguistik thematisiert den Handlungsaspekt von sprachlichen Zeichen bzw. Äußerungen; sie interessiert sich vor allem für deren sprachliche Funktionen und kommunikativen Möglichkeiten.
Aus der Sicht Wortpragmatischesder Zeichenbenutzer können semantische Wörter Unterschiedliches in eine kommunikative Handlung einbringen. Sie können etwas bezeichnen (einen Gegenstand oder einen Vorgang) und/oder Emotionen bzw. Wertungen ausdrücken (z.B. eine Abneigung) und/oder eine Absicht artikulieren. Dies hatte schon der berühmte Sprachpsychologe K. Bühler 1934 mit seiner Unterscheidung der Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion der sprachlichen Zeichen Zeichenfunktionhervorgehoben und in seinem Zeichenmodell Zeichenmodell; Bühlerveranschaulicht (vgl. Abbildung 2.6).
Bühler’sches Zeichenmodell (Bühler (1934, 28)) Bühler, K.
Mit der Darstellungsfunktion von sprachlichen Zeichen ist gemeint, dass mit sprachlichen Zeichen Informationen über Gegenstände, Vorgänge, Personen und Sachverhalte vermittelt werden können. Man kann mit ihnen auf Anwesendes und Nichtanwesendes Bezug nehmen.So benennen in dem geflügelten Wort Alles besiegt die Liebe die Wörter Unterschiedliches. Sie stellen Unterschiedliches dar:Alles ‘die Gesamtheit des Möglichen’,besiegen ‘ein Ereignis, bei dem jemand über etwas den Sieg davon trägt’,die Liebe ‘ein starkes Gefühl der Zuneigung zu einer Person’.
Die Ausdrucksfunktion (auch expressive Funktion) beinhaltet, dass Wörter emotive Befindlichkeiten der Sprechenden anzeigen können. Die emotive Funktion der Sprache ist von der Linguistik lange vernachlässigt worden.
Nach