Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania. Группа авторов

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der Majuskelschreibung von EINS geht nicht nur die Betonung des Werts der deutschen Sprache hervor, sondern auch die Bedrohlichkeit der Situation, die der Verfasser dem Zustand des nationalen Bewusstseins attribuiert und wodurch er einen indirekten Appell an die Sprechergemeinschaft formuliert, dass das Sprachbewusstsein dem Nationalbewusstsein gleichgestellt werden muss. Ein ausgewähltes französisches Beispiel zeigt eine äquivalente topische Thematisierung, bei dem zunächst ein Nutzer (patrickk) den Geltungsanspruch des Schutzes der französischen Sprache durch ein Einordnungsschema rechtfertigt, das durch die Schlussregel einer Teil-Ganzes-Beziehung gestützt wird (Wenn die französische Sprache Teil der französischen Nationalsymbole wäre, dann könnte ihre Beleidigung unter Strafe gestellt werden, da dieses Vorgehen für alle nationalen Symbole Gültigkeit besitzt). Im Vordergrund steht hierbei weniger der soziale und kommunikative Wert der Sprache als Voraussetzung eines geteilten nationalen Bewusstseins, sondern ihr symbolischer und somit auch gewissermaßen non-verbaler Charakter, der bereits per se streitbar ist:

       2. [patrickk a écrit: D'où une idée qui me vient : ajouter la langue française à la liste des symboles de la France (Hymne national, drapeau) que l'on ne peut insulter sous peine de sanctions pénales.] La langue française n'appartient pas à la France et c'est justement ce qui en fait une langue universelle et donc plus intéressante […] (FPL, 15.10.2008).

      Mit dieser Replik wird die Argumentation patrickks durch einen anderen Nutzer angefochten, der betont, dass die französische Sprache kein Besitz des französischen Staates ist und dass gerade dieser Umstand ihren Charakter als langue universelle ausmacht.

      Ein weiterer auf beiden Seiten häufig angeführter Topos ist die Gewährleistung einer allgemeinen Verständlichkeit der Sprache für die Sprecher, die von den Beiträgern in der Regel in negative Korrelation mit den Einflüssen des Englischen gesetzt wird (Wenn immer mehr denglische und englische Wörter in den Wortschatz übernommen werden, werden ältere Menschen aufgrund von Verständnisproblemen aus der Gesellschaft ausgegrenzt). Im folgenden Beleg wird dies durch ein Kausalschema aus Ursache und Wirkung verbalisiert, das die soziale Funktion der deutschen Sprache fokussiert. Die Entrüstung des Beiträgers ist dabei sowohl deutlich an der Interpunktion erkennbar als auch an der Verwendung der Verben nerven und ausgrenzen sowie des im sprachpflegerischen Diskurs häufig auftretenden Portemanteau-Stigmaworts denglish.

       3. Ja, mittlerweile nervt das wirklich immer mehr! Und besonders ältere Menschen verstehen die denglischen bzw. englischen Wörter gar nicht und werden so in unserer Gesellschaft sprachlich ausgegrenzt (VdS FB, 22.02.2012).

      In Beleg (4) wird illustrativ mit einem konkreten Beispiel aus dem Alltag der Sprecher argumentiert, in dem sich der Verfasser auf die erfreuliche Präsenz des Französischen beim alljährlichen Sportereignis Tour de France bezieht, was er als Indiz für den Erhalt des französischen Sprachprestiges auf internationaler Ebene ansieht. Wie auch in (3) wird anhand der Lexik deutlich, wie emotional aufgeladen der Diskurs ist (je suis épaté) und dass metasprachliche Äußerungen zum Zustand der Sprache durch verschiedene einstellungsgelagerte Affekte getragen werden (Angst vor der hégémonie de l’anglais, Freude angesichts eines français très compréhensible, Stolz und Ehrgefühl angesichts der Tatsache, dass […] tous ou presque tous [font] l’effort):

       4. Il est un domaine où le français tire encore son épingle du jeu, et ou l'anglais n'est pas hégémonique, c'est le vélo. Je suis de près le Tour de France cette année, et en effet, je suis épaté d'entendre pratiquement tous les coureurs et tous les directeurs sportifs de partout s'exprimer dans un français très compréhensible : ils font tous ou presque tous l'effort, et ils nous font l'honneur, de se mettre un peu au français (FPL, 13.07.2012).

      Beim sprachnormativen Diskurs im Sinne ansatzweise status- und korpusplanerischer Reflexionen der laienlinguistischen Sprachpfleger findet der Topos des etablierten Sprachgebrauchs Anwendung innerhalb einer großen thematischen Marge, die von der Diskussion des orthographischen und phonetischen Standards wie z.B. in Beleg (6) bis hin zu legislativen Vorgaben in fachsprachlichen Domänen in Beispiel (5) reicht:

       5. Die SPD Hamburg, zusammen mit Niedersachsen und NRW, legte einen Gesetzesentwurf vor, der die englische Sprache neben Deutsch als Verhandlungssprache in Gerichten zulässt. Nach aktuellem Stand sei von einer Zustimmung des Bundestages auszugehen. Laut den Politikern sei es von Nachteil, dass Deutsch als alleinige Gerichtssprache etabliert ist (VdS FB, 05.08.2014).

       6. Je ne nie pas l'existence d'une norme de prononciation: j'en perçois deux ! Et si la prononciation "standard" du français était imposée depuis des siècles, cela voudrait également dire que cette volonté échoue depuis des siècles (FPL, 06.09.2013).

      Beispiel (5), das rein formal einer eher sachlichen Zustandsbeschreibung gleichkommt, impliziert eine subtile Argumentation gegen die Zulassung des Englischen als Gerichtssprache. Als induktives Beispielargument ermöglicht der Verweis auf die Gesetzesentwürfe der SPD in Hamburg, Niedersachsen und NRW die Ableitung der Konklusion, dass der Status des Deutschen als Verhandlungssprache an deutschen Gerichten in Gefahr ist. Um dieser Vermutung der offiziellen Statusgefährdung des Deutschen durch das Englische Nachdruck zu verleihen dient ein ergänzender berichterstattungsähnlicher Satz (Nach aktuellem Stand sei von einer Zustimmung des Bundestags auszugehen), der den Geltungsanspruch der Aussage durch einen Verweis auf eine anonyme Autorität steigert, die in der Verwendung des Konjunktivs I der indirekten Rede sichtbar wird und gleichzeitig als argumentum necessarium Wirkung erzeugt (Wenn der Bundestag jetzt schon mehrheitlich zustimmt, dann ist der Einsatz des Englischen als Gerichtssprache in Deutschland beschlossene Sache). Eine zusätzlich affektive Konnotation erhält die Argumentation durch den Verweis auf traditionelle legislative Zustände (Damit würde das seit 1877 bestehende Grundgesetz zur Gerichtssprache gefällt werden), die im Zuge globalisierender Tendenzen nicht mehr respektiert und zu Gunsten der englischen Sprache arglos ausgehebelt werden.

      Die Aussage in Beleg (6) verdeutlicht den Einsatz des Beiträgers zugunsten einer Relativierung der Exklusivität der französischen Standardaussprache je nach individueller Einstellung des jeweiligen Sprechers (j'en perçois deux !). Den dahinter stehenden Einsatz für eine Anerkennung von normabweichenden Aussprachevarietäten und die Nichtdurchsetzung der traditionellen Norm ([…] cette volonté échoue depuis des siècles), versucht der Nutzer argumentativ durch die gewählte ironische Ausdrucksweise zu rechtfertigen.

      Neben der oftmals motivisch gebrauchten Wechselbeziehung zwischen Sprache und Nation wird vor allem die Kultur beider Sprachen in ihren diversen Ausprägungsformen als Spiegel des Sprachwandels oder als Voraussetzung für ein bestimmtes sprachliches Niveau präsentiert. Dabei betonen laienlinguistische Sprachpfleger – nach dem Vorbild der institutionalisierten Sprachpflege – die Bedeutung der Literaturgeschichte des jeweiligen Landes als Kulturgut oder verweisen konkret auf den Sprachgebrauch von kulturellen Autoritäten, wie es die beiden folgenden Beispiele belegen:

       7. Ich war gestern in Düsseldorf "auf der Kö" zum Bücherbummel. Auf der einen Seite deutsche Literatur von den Anfängen bis in die Neuzeit. Auf der anderen Seite die Geschäfte, von denen kaum eines noch deutschsprachige Werbung zeigt. Ich dachte, ich wäre in England und nicht in der angesagtesten Einkaufsstraße der Hauptstadt Nordrhein-Westfalens. Es ist gruselig (VdS FB, 18.06.2012).

       8. Pendant quelques années j'ai été un très fidèle lecteur du Canard, qui était – l'est-il toujours ? – réputé pour son bon niveau en français, je n'y cherchais pas du tout cela, mais il m'a beaucoup apporté pour mon expression en français. À plus forte raison s'attacher à des auteurs littéraires que l'on aime, qui vous apportent en prime mille autres choses, est évidemment excellent (FPL, 27.01.2012).

      Aus (7) geht erneut hervor, dass der Anglizismendiskurs in metasprachlichen Äußerungen ein dominanter thematischer Marker ist und sich, in andere topische Muster eingeflochten, als salientes Merkmal durch laienlinguistische Argumentationen zieht. Mit der berühmten Düsseldorfer Einkaufsstraße als illustratives Beispiel


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