Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania. Группа авторов

Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania - Группа авторов


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abgeschreckt werden (Es ist gruselig), sondern auch die öffentliche Präsenz deutschsprachiger Literatur zurückdrängt wird (Kultur-Topos). In Beispiel (8) wird durch die Darstellung der bekannten französischen Satirezeitschrift Canard Enchaîné als sprachlich-kulturelle Autorität (réputé pour son bon niveau en français) ein deskriptives Kausalschema eingeleitet, das die Lektüre französischer Literatur als entscheidendes Kriterium bei der Schulung des Sprach- und Ausdrucksvermögens definiert (Pendant quelques années j'ai été un très fidèle lecteur du Canard […] il m'a beaucoup apporté pour mon expression en français).

      An letzter Stelle soll neben der in den vorherigen Beispielen aufgezeigten Reflexion der kommunikativen und sozialen Funktion von Sprache die ihrer kognitiven Beschaffenheit und Relevanz (Topos der kognitiven Folgen) aufgezeigt werden, die auch in den laienlinguistischen Foren nicht selten als diskursive Grundfigur erscheint:

       9. Schrecklich. Die Intelligenz eines Menschen drückt sich auch darin aus, wie er mit seiner Sprache umgeht. Der vielgeschumpfene Herr aus Berlin hat halt leider doch Recht: Deutschland schafft sich selbst ab (VdS FB, 30.06.2014).

       10. Un langage parlé et écrit est un protocole de communication. A ce titre, il devrait être régi, comme le code de la route, par des règles intelligentes, logiques et rigoureuses (FPL, 24.02.2012).

      Wie an anderer Stelle bereits herausgearbeitet wurde, belegt die Aussage des Verfassers in (9) erneut die deutlich hervortretende affektive Komponente metasprachlich explizierter Einstellungen. Das in Kopfstellung elliptisch positionierte Adjektiv schrecklich resümiert die entsetzte Haltung des Beiträgers angesichts des nicht weiter konkretisierten schlechten Umgangs bestimmter Menschen mit der eigenen Sprache, die er durch ein Vergleichsschema normativ begründet, indem er eine bestimmte menschliche Eigenschaft (Die Intelligenz eines Menschen drückt sich darin aus […]) aus einem ähnlich gearteten Verhalten in einer bestimmten Situation erschließt ([…] wie er mit seiner Sprache umgeht). Der intertextuelle Verweis auf das 2010 erschienene Buch des Volkswirts und ehemaligen SPD-Politikers Thilo Sarrazins mit dem Titel Deutschland schafft sich ab zeigt darüber hinaus, dass die gesellschaftlich kontrovers geführten Diskussionen um sozio-politische Probleme sich in der laienlinguistischen Auseinandersetzung mit Sprache widerspiegeln oder ihren Akteuren zumindest einen geeigneten Aufhänger liefern. Beispiel (10) hingegen bezieht sich nicht auf die kognitive Fähigkeit der Sprecher, sondern auf den kognitiven Gehalt der Sprache selbst. Der Verfasser legt auf aphoristische Weise für jede Sprache die Gesetzmäßigkeit fest, dass ihre Funktionsfähigkeit in einem intelligenten, logischen und strengen Regelsystem begründet liegt und rechtfertigt diesen Zusammenhang durch ein Analogieargument (comme le code de la route), das die regelhafte Struktur der Sprache einer Verkehrsordnung gleichsetzt.

      6 Zusammenfassende Bemerkungen und Ausblick

      Die exemplarische Analyse hat gezeigt, dass sich die öffentliche Diskussion um Sprache und ihre Sprecher in Deutschland und Frankreich gleichen Themen in Form äquivalenter topischer Muster widmet. Diese musterhaft strukturierte Architektur des sprachpflegerischen Diskurses belegt dabei nicht nur die Fortsetzung einer diskursiven Tradition, der eine bewusst konstruierte Identität und traditionell normativ ausgerichtete Mentalität zugrunde liegt, sondern anhand der untersuchten metasprachlichen Äußerungen wird deutlich, dass die dargestellten Leitmotive der institutionalisierten Sprachpflege in mittlerweile weit ausgedehnten Teilen der Gesellschaft durch das Potenzial internetbasierter Kommunikationsformen eine große Verbreitung erfahren. In den Kommentaren der Internet-Nutzer wurden dabei auch Tendenzen einer relativierten und ‚gemäßigten‘ Sprachpflege erkennbar, die von der Idee einer puristischen Standardnorm Abstand nehmen und gleichzeitig individuelle sprachbezogene Reflexionen in den Diskurs einbringen. Ein zentrales definitorisches Problem wirft in diesem Kontext nach wie vor die Frage auf, wer in den betrachteten öffentlichen Räumen überhaupt als Laienlinguist klassifiziert werden kann und ob dieser Terminus im Kontext des dargestellten metasprachlichen Kommunikationsformats auf die Mehrzahl der beteiligten Akteure zutrifft, sodass eine Titulierung dieser Gruppe als laienlinguistische Sprachpfleger und ihre gesonderte Einordnung als gesellschaftlich wirkendes Ensemble neben offiziellen und offiziösen Bereichen der Sprachpflege zu rechtfertigen wäre. Die weiten Dimensionen und die Komplexität dieses Diskurses, v.a. durch die Integration von Online-Daten, können durch die bestätigte Hypothese länderübergreifender Diskursstrukturen konturiert werden und liefern somit einen ersten Anhaltspunkt, der für Forschungsinteressen der romanistischen Linguistik durch eine Orientierung der Untersuchungsmethode an diskurslinguistischen Verfahren sowie interdisziplinäre Ansätze gewinnbringend ergänzt werden kann. Eine fokussierte Triangulation im Sinne einer Verbindung der soziolinguistisch klassischen, qualitativen Kategorisierung der Sprachdaten mit einer partiellen Adaption korpuslinguistischer Verfahren könnte hierbei eine geeignete methodische Ergänzung repräsentieren, die eine kombinierte Untersuchung auf textinterner und transtextueller Ebene bei sprachkontrastiv angelegten Korpora realisierbar macht.

      Literaturverzeichnis

      Korpus

      ABC = ABC de la langue française, http://www.languefrancaise.net/ (01.04.2016).

      FPL = Forum Promotion Linguistique, http://www.languefrancaise.net/forum/viewforum.php?id=2 (01.04.2016).

      VdS a = Verein deutsche Sprache e.V. / Sprachpolitische Leitlinien, http://www.vds-ev.de/leitlinien (01.04.2016).

      VdS b = Verein deutsche Sprache e.V. / VdS, http://www.vds-ev.de/verein (01.04.2016).

      VdS FB = Facebook-Präsenz des Vereins deutsche Sprache e.V., https://de-de.facebook.com/pages/Verein-Deutsche-Sprache-eV/114191431989096 (01.04.2016).

      Sekundärliteratur

      Antos, Gerd (1996): Laien-Linguistik. Studien zu Sprach- und Kommunikationsproblemen im Alltag. Am Beispiel von Sprachratgebern und Kommunikationstrainings, Tübingen, Niemeyer.

      Assmann, Jan (62007): Das kulturelle Gedächtnis. Schrift. Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, Nördlingen, C.H. Beck.

      Brekle, Herbert E. (1989): „La linguistique populaire“, in: Auroux, Sylvain (ed.) (1989): Histoire des idées linguistiques, Bd. 1, Brüssel, Mardaga, 39–44.

      Dinzelbacher, Peter (1993a): „Zur Theorie und Praxis der Mentalitätsgeschichte“, in: Dinzelbacher, Peter (ed.): Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart, Kröner, XV-XXXVII.

      Dinzelbacher, Peter (ed.) (1993b): Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart, Kröner.

      Foucault, Michel (1969): L’archéologie du savoir, Paris, Gallimard.

      Foucault, Michel (1971): L’ordre du discours: Leçon inaugurale au Collège de France prononcée le 2 décembre 1970, Paris, Gallimard.

      Fraas, Claudia (2008): „Online-Diskurse – Neue Impulse für die Diskursforschung“, in: Stenschke, Oliver/Wichter, Sigurd (eds.): Wissenstransfer und Diskurs, Frankfurt a.M., Lang, 363–369.

      Fraas, Claudia/Meier, Stefan/Pentzold, Christian (2013): „Zur Einführung: Perspektiven einer interdisziplinären transmedialen Diskursforschung“, in: Fraas, Claudia/Meier, Stefan/Pentzold, Christian (eds.): Online-Diskurse. Theorien und Methoden transmedialer Online-Diskursforschung, Köln, Herbert von Halem Verlag, 7–34.

      Fraas, Claudia/Pentzold, Christian (2008): „Online-Diskurse – Theoretische Prämissen, methodische Anforderungen und analytische Befunde“,


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