Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule. Doris Kocher

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule - Doris Kocher


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sich also noch einmal die grundsätzliche Frage bezüglich der Umsetzung von der Theorie in die Praxis: Welche Qualitäten und Kompetenzen müssen Lehrkräfte erfüllen/entwickeln, um die hochkomplexen Zielsetzungen des TBL-Konzepts realisieren zu können?10 Wie sollten Kurse in Lehreraus- und -fortbildung hinsichtlich Struktur, Vorgehensweise und Aufgabenformen gestaltet sein, damit sich innovative Ansätze in den Schulen wirklich (nachhaltig) entwickeln können? Denn:Lehramts-Studierende, die in der ersten Phase ihrer Ausbildung nicht erfahren, welche Chancen durch eine Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht eröffnet werden, und Lehramtsreferendare, die dieses Wissen nicht in der zweiten Phase konsequent umzusetzen lernen, werden die methodischen Prinzipien der Aufgabenorientierung auch nicht in ihren Unterricht implementieren können (Burwitz-Melzer 2006, 30).Gerade in diesem Bereich herrscht offensichtlich noch ein großer Forschungsbedarf, um zu eindeutigeren Ergebnissen bezüglich des komplexen Verhältnisses zwischen Ursache und Wirkung zu gelangen und um letztendlich sinnvolle Konzepte entwickeln zu können, die nicht nur auf dem Papier gut klingen, sondern auch Eingang in die Praxis finden.

      Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, noch weiter auf die zahlreichen ungeklärten Fragen hinsichtlich Task-based Language Learning einzugehen. Stattdessen möchte ich auf die zum Teil umfangreichen Listen mit Fragestellungen bei Eckerth (2008), Hallet/Legutke (2013, 6f.), Müller-Hartmann/Schocker-von Ditfurth (2005, 45), Samuda/Bygate (2008, 84) sowie auch in den Einzelbeiträgen bei Bausch u.a. (Hrsg.) (2006) oder Müller-Hartmann/Schocker-von Ditfurth (Hrsg.) (2005) verweisen, die als Impuls für weitere Forschungsprojekte dienen können.

      Fazit: Resümierend kann festgehalten werden, dass der Task-based Approach kein monolithischer Block ist, sondern verschiedene Varianten umfasst (Willis 2004, 3). Als eine dieser Varianten im weiteren Sinn kann der Storyline Approach betrachtet werden, der allerdings nicht nur sprachliches Lernen zum Ziel hat, sondern explizit auch die sozialen, kreativen, imaginativen und emotionalen Komponenten des Lernens integrativ berücksichtigt und somit das Potenzial der Lernenden auf einer umfassenderen Ebene – auch im Hinblick auf die Förderung der multiplen Intelligenzen (vgl. Gardner 1994; 2002; 2007) – noch weiter ausschöpft, ohne dabei die Lerninhalte aus den Augen zu verlieren. Es steht also nicht primär die zu bearbeitende fremdsprachliche Aufgabe im Mittelpunkt, sondern vielmehr der Gedanke, wie die abstrakten Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ im Klassenzimmer realisiert werden können.

      Eikenbusch (2008a) geht davon aus, dass eine Lehrkraft im Laufe ihres Berufslebens im Durchschnitt mindestens 100.000 Aufgaben stellt: „Umso mehr verwundert es, wie wenig wir darüber wissen, wie Aufgaben im Unterricht überhaupt funktionieren“ (Ebd., 6). Er kommt zu der Erkenntnis, die natürlich auch für den Fremdsprachenunterricht gilt: „Gute Aufgaben zu stellen ist eine anspruchsvolle Tätigkeit – um nicht zu sagen: Aufgabe“ (Ebd., 10). Hierfür kann der Storyline Approach eine inspirierende Quelle sein ...

      2.5 Zusammenfassung und Fazit

      Bildung besteht aus einer Sammlung von stories, denn stories fördern die Identifikation und erhöhen gleichzeitig die Merkfähigkeit (Dietrich Schwanitz)

      Kapitel 1 dieser Arbeit hat gezeigt, dass die heutigen Schülerinnen und Schüler eine äußerst heterogene Lerngruppe bilden und in einer überaus komplexen und schnelllebigen Gesellschaft aufwachsen, die mehr denn je zum lebenslangen Lernen aufruft. Nicht umsonst werden auch in den aktuellen Bildungsplänen eine Reihe an Kompetenzen aufgeführt, die die Lernenden erwerben sollen, um in der heutigen und zukünftigen Gesellschaft erfolgreich bestehen zu können. Dazu gehört auch das Erlernen der englischen Sprache als lingua franca und das Anstreben einer umfassenden interkulturellen kommunikativen Kompetenz (Europarat 2001).

      Nachhaltiges Lernen kann allerdings nicht verordnet oder vorbestimmt werden, denn wie sich aus der Darstellung der konstruktivistischen Perspektive noch zeigen wird (vgl. Kapitel 3), ist der Wissenserwerb eine sehr individuelle Sache, die von außen nur begrenzt beeinflusst werden kann. Es stellt sich also die Frage, wie die jungen Menschen zum lebenslangen Lernen motiviert und zugleich auch sinnvoll unterstützt werden können. Dabei geht es weniger um die Vermittlung von deklarativem Wissen als vielmehr um das Aufzeigen von Fragestellungen, Problemlöseverfahren und Lerntechniken, die einen Bezug zur Lebenswelt haben und im Sinne der Handlungskompetenz nachhaltig verwertbar sind. Im Kontext der Aufgabenforschung spricht man von meaningful tasks, die das fremdsprachliche Lernen erleichtern sollen, indem sie an realitätsbezogenen Kommunikationssituationen andocken. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Aufgabenforschung ein äußerst disparates Feld ist, sich an manchen Stellen auch deutlich mit der Motivationsforschung (vgl. Kapitel 4) überschneidet und derzeit noch viele Fragen unbeantwortet sind. Auf der anderen Seite stellt der Storyline Approach eine Möglichkeit dar, um zum einen das Fremdsprachenlernen sinnstiftend und effektiv zu gestalten und zum anderen der Fremdsprachenforschung vielleicht einige erhellende Antworten zu liefern, denn Storyline-Projekte erfüllen weitgehend die von Müller-Hartmann/Schocker-von Ditfurth (2006) formulierten und oben aufgeführten Gütekriterien für lernförderliche Aufgaben (vgl. Kapitel 2.4.2).

      Im vorliegenden Kapitel wurden einige grundlegenden Prinzipien, Merkmale sowie individuelle Ausprägungen und Facetten des sowohl prozess- als auch produktorientierten Storyline-Konzepts dargestellt. Die Vielzahl und Vielseitigkeit der Entwicklungszweige verdeutlichen, dass der Storyline Approach sich unter den verschiedensten Bedingungen und mit voneinander abweichenden Zielsetzungen als außerordentlich flexibles, multifunktionales und in jeglicher Hinsicht „sinn-volles“ Modell einsetzen lässt, um den heterogenen Voraussetzungen und Bedürfnissen jeglicher Lerngruppen gerecht zu werden. Ob dies auch für das fremdsprachliche Lernen in der Sekundarstufe I zutrifft, sollen Fallstudie 1-6 in Teil B zeigen.

      Auf die Frage nach der Verbreitung des Storyline-Konzepts wird auf internationaler Ebene immer wieder beklagt, dass die derzeit zunehmenden Reglementierungen durch Bildungsstandards, Lehrpläne usw. die Schule als Bildungs- und Erziehungseinrichtung offenbar immer mehr zu einer “overly structured institution“ verändern (Letschert 2006, 12), in der ganzheitliches, organisches, integratives und prozessorientiertes Lernen behindert werden. Dazu erschwert die latente „Bedrohung“ durch regelmäßig anstehende nationale und internationale Leistungsvergleichstests und Evaluationen wie PISA das autonome pädagogische und professionelle Handeln der Lehrkräfte im Klassenzimmer und gefährdet somit offensichtlich auch die differenzierte Betreuung bzw. angemessene Förderung der heterogenen Lerngruppen.

      Gewünscht werden zwar unisono motivierte Schülerinnen und Schüler, die zu flexiblem und lebenslangem Lernen befähigt bzw. bereit sind, vorgegeben werden von offizieller Seite jedoch meist enggefasste, konkret formulierte, vorweg geplante und somit absehbare Lern- bzw. Lehrziele, und gefordert werden klar isolierbare und eindeutig abprüfbare Ergebnisse, um somit dem vermeintlichen Ziel einer objektiven Leistungsmessung und (internationalen) Vergleichbarkeit näher zu kommen. Ian Barr und Barbara Frame stellen mit Recht fest, dass der seit einiger Zeit erkennbare politische Enthusiasmus für zentrale Lernkontrollen und Evaluationen nicht nur problematisch, sondern auch irreführend ist: “Checking the oil in your car is a sensible thing to do, but hardly every 200 metres!“ (Barr/Frame 2006, 51).1

      Auch wenn das Storyline-Modell als solches immer wieder auf positive Resonanz stößt, sieht der Unterrichtsalltag auf Grund der oben genannten Probleme und Hindernisse leider oft anders aus. So resümiert Letschert (2006) aus den Niederlanden: “The acceptance of the idea is great, actual implementation on a large scale in schools however, is relatively modest“ (Ebd., 11). Inwieweit sein pessimistisches Bild tatsächlich bzw. überall zutrifft und ob die Ursachen im Ansatz selbst liegen oder auch übertragbar auf andere anspruchsvolle Lernkonzepte und Unterrichtsmodelle2 sind, müsste durch entsprechende Forschungsarbeiten geklärt werden. Barr und Frame (2006) verweisen in diesem Kontext beispielsweise auf das mancherorts noch immer existierende (und mitunter auch erwartete) traditionelle Lehrerbild, das an Autorität, Gehorsam, Normen und Macht gekoppelt ist und somit innovativen, partnerschaftlichen und offenen Unterrichtskonzepten außerordentlich im Weg steht: “The theory and methods don’t impact because of the culture of teaching and staffrooms and the mythic and durable teacher stereotypes that the profession carries with it“ (Ebd., 55). Aus diesem


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