Frühkindlicher Trilinguismus. Laia Arnaus Gil
wir vorhersagen, dass die Gruppe mit einer V2-SpracheV2-Sprache als L1 höhere Akkuratheitswerte in der L3 erlangt als die Lernergruppe mit einer Nicht-V2-Sprache. Dies ist nicht der Fall, d.h. die Ergebnisse zeigen, dass Lerner im Bereich der NegationNegation nicht auf ihre L1 zurückgreifen.
Wäre allein die L2 für den DrittspracherwerbDrittspracherwerb relevant, so würden wir erwarten, dass die Probanden, die Deutsch oder NiederländischNiederländisch als L2 erworben haben, die NegationNegation im Schwedischen bzw. Niederländischen mit höherer Akkuratheit lernen als die Gruppe, die eine Nicht-V2-Sprache als L2 gelernt hat. Dies entspricht den Beobachtungen in der Studie. Mit anderen Worten: Die L2 bestimmt den Erwerbsverlauf in der L3. Handelt es sich um eine V2-SpracheV2-Sprache, so wird sie als Steigbügel für die L3 genutzt. Ist die L2 eine Nicht-V2-Sprache, machen die Lerner beim Drittspracherwerb Fehler bei der Positionierung der Negation, welche sich aus den grammatischen Charakteristika der L2 ergeben. Genauer finden die Verfasser bei den Probanden, die Englisch als L2 gelernt haben, eine Tendenz mit thematischenthematisch (oder lexikalischenlexikalisch) Verben die präverbalepräverbal und mit nicht-thematischen Verben (tempusbildenden Auxiliarverbentempusbildendes Auxiliarverben und KopulaverbenKopula) die postverbale Negation in ihrer L3 (SchwedischSchwedisch bzw. Niederländisch) zu bevorzugen. Das Englische macht mit Hinblick auf die Platzierung der Negation einen Unterschied zwischen thematischenthematisch (unterstrichen) und nicht-thematischen (fett) Verben.
23. | Ginger does not speak |
24. | Hungarian is not complicated |
25. | Ginger has not spoken |
Diese Grammatik findet man tendenziell auch bei den Lernern wieder, d.h. sie produzieren die folgenden Satznegationen beispielsweise im Niederländischen. Die nachfolgenden Beispiele sind konstruiert.
26. | *Ginger niet spreekt |
27. | Hongaars is niet moeilijk |
28. | Ginger heeft niet gesproken |
Zu betonen ist, dass „none of the learners in the EN [English, N.M.] group systematically transfers the placement of negation of his or her L1, although the L1 shares the V2 rule with the L3“ (FalkFalk, Ylva & BardelBardel, Camilla 2007:479). Der Transfer aus der L1 hätte in der Drittsprache zu einem zielsprachlichen Ergebnis geführt. Trotzdem kommt er nicht zustande. Zusammenfassend darf also behauptet werden, dass
the L2 status factor is stronger than the typology factor in L3 acquisition: the typological proximity between L1 and L3 is not enough for the EN [English, N.M.] group to resort to L1 transfer. Instead, the results clearly point to positive transfer of the placement of negation/V2 from L2 to L3 in the D/G [DutchNiederländisch/German, N.M.] group. (BardelBardel, Camilla & FalkFalk, Ylva 2007:480)
Das L2 Status Factor ModellL2 Status Factor Modell besagt demnach, dass die L2 im DrittspracherwerbDrittspracherwerb wie ein Filter fungiert, der den Zugriff auf die L1 blockiert. Im frühkindlichen Trilinguismus haben nun alle drei Sprachen denselben Status. Dennoch werden sie oftmals zu einem unterschiedlichen Grad beherrscht. Sehr vorsichtig dürfen wir auf der Basis von L2 Status Factor vermuten, dass sich trilingual aufwachsende Kinder für den Erwerb bestimmter grammatischer Bereiche mit derjenigen Sprache behelfen, die vergleichbar gut/schlecht beherrscht wird.
1.5 Drei Sprachen von Geburt an
Auch beim TrilinguismusTrilinguismus muss man sich die Frage stellen, ob alle Sprachen gleichwertig sind oder aber ob es Unterschiede gibt. Wenn man zeigen kann, dass bestimmte Eigenschaften den Zugriff auf Sprachwissen aus einer der drei Sprachen begünstigen, dann wäre ein vom Bilinguismus abweichendes Modell vonnöten.
Mit drei Sprachen können Kinder in diversen Umfeldern aufwachsen. Im Folgenden sollen die von HoffmannHoffmann, Charlotte (2001) genannten UmfelderSprecherziehungsmethode vorgestellt werden. Dabei wird zwischen den Muttersprachen der Eltern (bezeichnet als Elternsprache) und den Sprachen unterschieden, die das Kind aus der Umgebung erwirbt (wie die Umgebungssprache(n)Umgebungssprache, also die LandesspracheLandessprache(n), und die Sprache(n) im institutionellenInstitution Kontext).
Umfeld 1: Zwei Sprachen zu Hause, eine weitere Sprache in der Umgebung (BarnesBarnes, Julia 2011, ChevalierChevalier, Sarah 2015, KazzaziKazzazi, Kerstin 2011, MontanariMontanari, Simona 2009a, b, 2010, 2011, QuayQuay, Suzanne 2001, 2008, 2011b)
Umfeld 2: Zwei Sprachen zu Hause, eine weitere Sprache im institutionellenInstitution Kontext
Umfeld 3: Zwei Sprachen in der Umgebung, eine weitere Sprache in der Familie
Umfeld 4: Drei Sprachen in der Umgebung
Die in der vorliegenden Studie untersuchten Kinder sind entweder in einer rein monolingualen (Spanien, Deutschland, Frankreich) oder in einer bilingualen (Spanien) Umgebung aufgewachsen. Bei keinem der Kinder waren alle drei Sprachen in der Umgebung präsent.
Das erste Umfeld wird von ArnbergArnberg, Lenore (1987) untersucht und ist in der Literatur das häufigste. ArnbergArnberg, Lenore (1987) beschreibt eine Familie in Schweden, in der die Mutter FinnischFinnisch und der Vater KurdischKurdisch mit den Kindern (Alter: vier und sechs Jahre) spricht. Die FamilienspracheFamiliensprache, also die Sprache, welche gewählt wird, wenn die Eltern zusammen sind, ist das Schwedische. Es ist gleichzeitig auch die Umgebungssprache. HardingHarding, Edith & RileyRiley, Philip (2003:115ff.) berichten über eine in Frankreich ansässige bilinguale (Französisch-Deutsch) Familie, die für fünf Jahre nach Brasilien umzieht, wo beide Kinder (Alter bei Interview durch die Eltern: zwei und vier Jahre) geboren werden. Beide Fälle beschreibt HoffmannHoffmann, Charlotte (2001:4) als Beispiele für „transient trilingualism“, da den Kindern eine Sprache im Laufe ihrer Entwicklung „verlorengeht“. Dies ist entweder deshalb der Fall, weil ein Elternteil von der Familie entfernt arbeitet und somit auch seine Muttersprache nicht präsent ist oder weil die Familie die UmgebungsspracheUmgebungssprache wechselt, welche nicht von den Eltern muttersprachlich unterstützt wird.
HoffmannHoffmann, Charlotte (1985, 1991) untersucht zwei trilingual aufwachsende Kinder über einen Zeitraum von sieben Jahren. Die involvierten Sprachen sind Spanisch (Sprache des Vaters und FamilienspracheFamiliensprache), Deutsch (Sprache der Mutter) und Englisch (UmgebungsspracheUmgebungssprache). Deutsch und Spanisch sind die zwei Sprachen zu Hause, das Englische ist die Umgebungssprache und wird erst ab einem Alter von zwei Jahren erworben. OksaarOksaar, Els (1977) berichtet über den Erwerb der Sprachen EstnischEstnisch, SchwedischSchwedisch und Deutsch. Der Erwerb der dritten Sprache (Deutsch) begann im Alter von zirka vier Jahren, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Spracherwerb in den beiden Erstsprachen weit fortgeschritten war. HelotHelot, Christine (1988) untersucht zwei Familien mit je zwei Kindern (13;2/8;7 und 9;0/7;0 Jahre, Altersangabe in Jahr;Monat) in Dublin, welche Französisch (Sprache der Mutter), Englisch und IrischIrisch (Sprachen des Vaters) erwerben. Beide Familien sehen die dreisprachige Erziehung ihrer Kinder als gelungen an, wobei ganz besonders eine Familie bezüglich des erforderlichen Aufwandes einer trilingualen Erziehung ihrer Kinder die Auffassung vertrat, dass „raising children trilingually does not command any particular effort once the choice has been made, based on valid motives, such as the desire to pass on one’s own language to one’s children“ (HelotHelot, Christine 1988:284). Die Studien stehen für die weit verbreitete Ansicht, dass die Sprachkompetenz der Kinder abhängig davon ist, wie die Sprachen im kindlichen Umfeld gebraucht werden. Sie enthalten wenige Informationen zur grammatischen Entwicklung (vgl. auch HoffmannHoffmann, Charlotte 1992). Viele der in der Literatur genannten Kinder sind nach de Houwerde Houwer, Annick (1990) nicht simultansimultan trilingual, da die dritte Sprache nicht bereits von Geburt an im kindlichen Umfeld vorhanden war. Wie schon bei den anderen genannten Studien zeigen die diskutierten Beispiele der Kinder zwei Sprachen in Interaktion, nicht alle drei. Hier tut sich ein Forschungsschwerpunkt auf, der im Zusammenhang mit bilingualen Kindern oft diskutiert wird, nämlich bis