Pragmatik der Veränderung. Группа авторов
spezifische Konstellation eingebunden ist und an institutionelle Zwecke angepasst realisiert wird.
Nachdem wir das Vorstrukturieren von Denkalternativen nun an zwei verschiedenen Beispielen mit stärkerer Fokussierung auf Wissenserweiterung (genetische Beratung) und stärkerer Fokussierung auf Wissensumstrukturierung (Kurzzeittherapie) untersucht haben, möchten wir nun ein Beispiel aus einem verkaufenden Gesprächstyp untersuchen, das auf die mentale Vorstrukturierung von Handlungsalternativen ausgerichtet ist.
Beispiel III: Verkaufsgespräch beim Autohändler
In diesem Verkaufsgespräch1 in einem Autohaus spricht der Verkäufer eine Reihe von Faktoren an, die er bei der Entscheidung für ein bestimmtes Modell für relevant hält. Indem er diese Kriterien nennt, strukturiert er das Handlungsfeld der Klienten vor und hilft ihnen, bei der Entscheidung für ein Modell. Das Transkript setzt mit der Thematisierung des „Verbrauch[s]“ (PF 1) ein, der für die Klientin eine hohe Bedeutung hat, da sie „in der Woche so vierhundert Kilometer […] jobtechnisch“ (PF 2-3) unterwegs ist. Der Berater bewertet das Fahrzeug-Modell „Mini One“ als „vom Verbrauch her […] mehr als ausreichend“ (PF 5-6). Daraufhin spricht er mit dem „Grundpreis“ (PF 7), dem Motortyp („Diesel“ (PF 6)) und der Geschwindigkeit bzw. Beschleunigung („spritziger“ (PF 8)) drei weitere Faktoren an, die den Autokauf beeinflussen können und in den kommenden Passagen weiter verhandelt werden. Bezogen auf das Helfen ist hier relevant, dass V Handlungsalternativen anhand von Kriterien bewertet, nicht aber explizit eine der Alternativen (Benziner oder Diesel) gewichtet. Durch das Nennen von Kriterieren strukturiert er den Entscheidungsprozess für die Kundin zu einem bestimmten Grad vor, die letztendliche Gewichtung der Alternativen und damit die Wahl eines bestimmten Modells, die im Prinzip in ein praktisches Kaufhandeln münden würde, aber überlässt er der Kundin. Dass dieses Gewichten der Kundin überlassen bleibt und diese es auch vornimmt, zeigt sich, als die Kundin eine gängige Maxime (Ehlich & Rehbein 1977: 58-65) formuliert, wonach es „wenn man viel fährt, eher schlauer [ist] n Diesel zu kaufen“ (PF 14) und damit das Gewichten anhand des Kriteriums Kilometerleistung probeweise durchführt. Diese Maxime wird mittels „also“ als eine Schlussfolgerung formuliert, für die KF die Bestätigung des Verkäufers sucht. Dieser bestreitet die Gültigkeit der Maxime („Nein“ PF 14) und führt als Begründung an, dass, anders als „früher“ (PF 14) Diesel nur noch „zehn Cent“ billiger sei „wie Benzin“ (PF 15-16). Darauf schließt er mit „auf der andern Seite“ diesem Aspekt widersprechendes Wissen an, wonach Diesel-Motoren einen „circa zwei drei Liter günstigeren Verbrauch“ (PF 17) aufweisen, was allerdings wiederum „gegen die paar tausend Euro Mehrkosten“ (PF 18) bei der Anschaffung des Diesels gegengerechnet werden müsse. Damit weist er zwar den Schluss der Kundin zurück, ein bestimmtes Kriterium als kaufentscheidend zu gewichten, nimmt selbst aber keine eigene Gewichtung vor, sondern nennt zusätzliche Kriterien.
Es handelt sich hier also um ein Helfen, das die Klientin mit einem klaren Ziel initiiert, und bei dem der Agent eine Reihe von Faktoren nennt, die die Entscheidung der Klientin über die ihr zur Verfügung stehenden Optionen, dieses Ziel zu erreichen, beeinflussen können. Damit strukturiert er zum einen vor, in welchen Dimensionen die Klientin über ihre Handlungsoptionen denkt (so gibt er der Frage der Ausstattung im Gespräch eine höhere Bedeutung als die Klientin ihr ursprünglich zuzumessen scheint), auf welchen Aspekten sie also eine etwaige Entscheidung aufbaut. Zudem bewertet er einige der Faktoren auch eindeutig, misst etwa den Treibstoffkosten geringere, dem Anschaffungspreis und der Ausstattung höhere Bedeutung zu. Hier handelt es sich somit um eine mittlere Vorstrukturierung der Handlungsalternativen, die durch das Bewerten von Alternativen ohne deren Gewichtung realisiert wird. Eine Gewichtung und damit Entscheidung für ein bestimmtes Modell wird der Kundin überlassen. Diese wird mit mehrfachem Verweis auf die Möglichkeit einer „Probefahrt“ (u.a. PF 52) sowie durch Übergabe von „Katalog“ (PF 190) und „Kärtchen“ (PF 191) auf einen anderen Zeitpunkt verschoben.
Hier kann nicht ausführlich diskutiert werden, dass der Verkäufer die weit überwiegenden Kriterien für eine der Alternativen (Benziner) nennt, damit also etwas in Richtung eines Gewichtens dieser Alternative geht. Zudem setzt er die Möglichkeit der Zusatzausstattung relevant, die die Kundin von der gesparten Differenz des Preises zu einem Dieselfahrzeug kaufen könnte. Hier liegt es offenbar in seinem Interesse als Verkäufer, dass die Kundin gar nicht erst die Handlungsalternative, nur einen Benziner (ohne weitere Ausstattung) zu kaufen und so einfach weniger Geld auszugeben als vorgesehen, in Erwägung zieht. Es wird erneut deutlich, dass und wie das Helfen jeweils von der Konstellation, in der es verwendet wird, geprägt ist. Diese bedingt in diesem Beispiel, dass der Verkäufer seine Interessen bei der Bewertung von Alternativen einfließen lässt2, ohne dass strukturell aus dem rekonstruierten Handlungskomplex ausgebrochen würde.
Beispiel IV: Lernberatung in der Schule
Ein Helfen, das Handlungsalternativen der Klienten vorstrukturiert, findet sich auch in der sog. „Lernberatung“. Beispiel IV wollen wir als sehr starkes Vorstrukturieren diskutieren und auch hier zeigen, wie der Handlungskomplex helfenden Handelns in seine jeweiligen institutionellen Konstellationen eingepasst wird. Dabei ist nun allerdings ein Grenzfall des Helfens zu beobachten, weil der Schüler sich einer Unterordnung unter institutionelle Ziele zunächst verweigert und eine Zielbestimmung nur zustande kommt, weil sie institutionell gesetzt ist.
Die Daten (aus Fischbach 2015: 62-65) zeigen zunächst, dass bereits der Einstieg in den Hilfeprozess von der Agentin L2w geleistet wird, indem sie das Fach „Englisch“ (PF 1) als relevantes Thema setzt und Stellungnahmen des Klienten zu diesem Thema elizitiert (PF 3-10). Die Agentin übernimmt auch im Folgenden den aktiven Part, der Schüler äußert sich nur gelegentlich und auf spezifische Fragen der Lehrerin hin. Dabei macht er deutlich, dass er seine Englischkenntnisse zwar als gering einschätzt (PF 5-6), dies aber nicht als Problem ansieht („ich möcht aber nicht Englisch sprechen“ (PF 8). Auf Seiten des Klienten liegt also kein Problem vor, die Handlungsziele von Agentin, die an den Englischkenntnissen des Schülers arbeiten möchte, und Klient stimmen nicht überein. Hiermit wird ein fundamentaler Zielkonflikt deutlich, der einen anschließenden Hilfeprozess an sich unterbinden würde: Ist das mit der Hilfe zu erreichende Ziel nicht im Sinne der Hilfeempfangenden, wäre ein Abnehmen von Handeln durch eine helfende Person kein Helfen mehr (sondern eine Manipulation ö.ä.). Dies bedingt, dass L2w zunächst eine Sequenz zur Zielentwicklung einschaltet. Dies geschieht hier mittels einer Frage, die letztlich eine positive Bewertung des Ziels elizitiert und damit das Ziel nicht grundlegend zur Diskussion stellt („hast du denn eine Idee, wofür das gut sein kann“). Die Frage nach der Bewertung versucht die Sinnhaftigkeit ihres Ziels auch S1m zugänglich zu machen. Dieser kooperiert und nennt ein positives Kriterium, das von L2w in der Folge weiter mit den relevanten Inhalten (sprechen und verstanden werden in einem anderen Land) komplettiert wird (PF 10-12).
Hier liegt eine Vorstrukturierung von Denkalternativen vor, die sich jedoch noch nicht auf das Thema der Englischkompetenzen bezieht, sondern S1m zunächst helfen soll, die institutionelle Zielsetzung zu übernehmen, also die Denkalternative „Englisch sprechen und verstehen ist mein Ziel“ als relevant zu gewichten. Dazu elizitiert L2w eine positive Bewertung von S1m für ein Ziel, welches sie vorgibt, und beteiligt ihn so nur vermeintlich an der Zielentwicklung. Die Zielentwicklung scheint an dieser Stelle abgeschlossen, ob S1m die Zielsetzung aber für sich übernimmt und den folgenden Hilfeprozess damit legitimiert, wird nicht vollständig deutlich, hat aber auf das weitere Handeln kaum Einfluss, da das Ziel, aktive wie passive Englischkompetenzen zu erwerben, durch die Institution Schule gesetzt ist, so dass Handlungsziele für die Agenten etabliert werden, welche die individuellen