Pragmatik der Veränderung. Группа авторов
abzielt, in verschiedener Weise Veränderung zu induzieren. In welcher Hinsicht das Abnehmen von welchen (Teil-)Handlungen vereinbart wird, deutet in die Richtung der angestrebten Veränderung. Wir wollen nun weiter explorieren, welche kommunikativen und mentalen Aufgaben grundlegende Strukturmerkmale des Helfens darstellen. Diese werden wir zunächst theoretisch erörtern und in der Folge anhand von Beispielen aus helfenden Interaktionen in verschiedenen institutionellen Kontexten elaborieren.
Wie unsere Analysen zeigen, ist die Handlungsstruktur des Helfens in verschiedenen Handlungskonstellationen grundlegend dieselbe, sie ist aber, je nach Einbettung des Helfens, innerhalb von Kontinuen stärker oder schwächer ausgeprägt und zeigt sich entsprechend auch in ihrer sprachlichen Realisierung unterschiedlich (vgl. Pick 2017a). Wir gehen davon aus, dass das Helfen als ein Teil von verschiedenen Handlungskomplexen auftritt, in denen jeweils unterschiedliche übergeordnete Zwecke verfolgt werden. Helfen wird zudem gemeinsam von allen Beteiligten prozedural und interaktional vollzogen (s. auch Schmitt 2012), da auch die Hilfeempfangenden interaktional beteiligt sind, u.a. indem sie Hilfebedürftigkeit anzeigen, sich helfen lassen oder Ziele klären.
Wie beschrieben gehen wir davon aus, dass das sprachliche Helfen als ein Abnehmen von (Teil-)Handlungen zu bestimmen ist. Diese Handlungen beziehen sich beim sprachlichen Helfen nicht auf praktisches Handeln, sondern auf eine mentale Vorstrukturierung des Handelns. Zur weiteren Bestimmung des sprachlichen Helfens greifen wir zunächst auf Ergebnisse zum Beraten zurück. Beratendes Helfen eignet sich als Ausgangspunkt für unsere Überlegungen vor allem deshalb, weil zu diesem Handlungstyp eine Reihe linguistischer Ergebnisse vorliegen (Überblick bei Pick 2017c) und weil das Beraten einer der zentralen Handlungstypen sprachlichen Helfens ist (Kallmeyer 2000: 236). Da sich diejenigen Merkmale des Beratens, die sich auf das Helfen beziehen lassen, auch in nicht-beratenden Formen sprachlichen Helfens wiederfinden, entwickeln wir den Begriff sprachlichen Helfens zunächst anhand des Beratens.
2.1 Vorstrukturierung mentaler Prozesse bei der Planbildung
Das Abnehmen von (Teil-)Handlungen ist der zentrale Teil des Helfens. Die helfende Person strukturiert dabei je nach Ausprägung die Handlungsplanung, Lösung von Problemen oder die Intervention zur Problemlösung in unterschiedlichem Ausmaß verbal vor, indem sie Denk- und Handlungsalternativen bewertet und gewichtet. Bezogen auf das Beraten bezieht sich diese Vorstrukturierung auf das, was klassisch als Ratgeben beschrieben wurde (Searle 1971: 104f.; Rehbein 1977: 322-325). Ratgeben kommt immer nur eingebettet in den Handlungskomplex des Beratens vor (vgl. z.B. Auer 2013: Kap. 8), ist also als Handlungskomplex nur analytisch ablösbar. Dies scheint ebenfalls für das Helfen zu gelten, das in verschiedene (nicht nur beratende) Handlungskomplexe eingebettet realisiert wird.
Beim Ratgeben (= Helfen beim Beraten) kann Handeln auf verschiedenen Ebenen abgenommen werden (Pick 2017b: 448-454). Hier müssen Bewertungsprozesse in drei Stufen (mental und verbal) vollzogen werden. Zunächst muss relevantes Wissen sprachlich aktiviert werden (sei es z.B. bezogen auf Lösungsmöglichkeiten, auf Wissensbestandteile, auf Perspektiven der Klienten1), dann muss eine Auswahl von Handlungsmöglichkeiten (Denkalternativen, Lösungsmöglichkeiten, Plänen etc.) getroffen werden, die bezogen auf die Situation der Ratsuchenden anhand von bestimmten Maßstäben (meist Expertenwissen, aber auch Erfahrung, Können) bewertet werden. Weiter kann aus dieser Auswahl eine Alternative besonders gewichtet werden. Der idealtypische Rat („Ich rate Ihnen, X zu tun“) macht bestimmte Wissens-/Erfahrungsbestände relevant, wählt aus den Alternativen A-Z verschiedene mögliche aus (X, Y, Z) und gewichtet für die Situation des Hilfesuchenden Alternative X als die am besten passende.
Bezogen auf das sprachliche Helfen leiten sich daraus die folgenden Annahmen ab: Das Abnehmen verschiedener (Teil-)Handlungen vollzieht sich beim sprachlichen Helfen entlang unterschiedlicher Grade der mentalen Vorstrukturierung (von schwach bis stark). Es können also verschiedene Denk- oder Handlungsschritte (Entscheiden, Planen) abgenommen werden, die die Ausbildung einer Lösung unterstützen. Diese Handlungen können sich auf das Einbringen/Aktivieren von Wissen (z.B. „Diesel ist billiger als Benzin“2), das Bewerten von Alternativen (z.B. „ein Dieselfahrzeug ist im Verbrauch günstiger, in der Steuer teurer und belastet die Umwelt stärker“) und das Gewichten von Denk- und Handlungsalternativen beziehen („Ich an Ihrer Stelle würde einen Benziner nehmen“). Relevant für Fragen des Helfens ist, welche Leistung den Hilfesuchenden abgenommen wird und welche Schritte diese selbst durchführen. So wird bei einer schwachen Vorstrukturierung mentaler Prozesse, bei der nur das Aktivieren von Wissen als Handlung abgenommen wird, die Bewertung und Gewichtung den Hilfesuchenden überlassen. Hier ist also ein sehr schwaches Helfen, im Sinne eines schwachen Abnehmens von Handeln, angezeigt. Entsprechend verschiebt sich das Gewicht beim stärkeren Vorstrukturieren. Die verschiedenen Grade der mentalen Vorstrukturierung von Lösungsmöglichkeiten sind damit in einem Kontinuum zwischen einer schwachen Vorstrukturierung (Aktivieren/Nennen von Wissen als Expertenwissen, Perspektivenerweiterung, Fokussierung etc.), einer mittleren Vorstrukturierung (Bewerten von Alternativen bezogen auf die Situation des Hilfesuchenden) und einer starken Vorstrukturierung (Bewerten und Gewichten von Alternativen) zu verorten. Das schwache Vorstrukturieren kann auf der sprachlichen Oberfläche dem Vorschlagen (Rehbein 1977) ähneln, ein mittlerer Grad der Vorstrukturierung zeigt Formen des Empfehlens (Becker 2015), die starke Form der Vorstrukturierung entspricht den „kanonischen Äußerungsformen“ (Kallmeyer 2000: 230) für das Ratgeben. Vor diesem Hintergrund lassen sich auch von Auer (2013: 89) als „implizit-direkte“ bezeichnete Formulierungen (ich würde X tun) als stark vorstrukturierend einstufen, obwohl sie in ihrer Form eher einem Vorschlag ähneln.
Die verschiedenen Grade der Vorstrukturierung können sich sowohl auf Lösungen im mentalen Bereich als auch auf den Handlungsbereich (sprachlich, praktisch) der Klienten beziehen. Den Klienten kann also, bezogen auf ihre Ziele, das Aktivieren bzw. Benennen von Wissen bezogen auf Denk- und Handlungsalternativen (Deutungsperspektiven, Expertenwissen, Erfahrungswissen etc.), das Bewerten oder das Gewichten dieser Alternativen abgenommen werden.
Diese verschiedenen Stufen des Abnehmens von Handeln können aber nur dann ihre Funktion als gelingendes helfendes Handeln erfüllen, wenn die helfende Person aufgrund von Asymmetrien (Wissen, Können, Erfahrung etc.) mental bereits eine Bewertung und Gewichtung von Alternativen vorgenommen hat. Das bedeutet, auch das Nennen bzw. Aktivieren von Wissen muss bereits auf die Bewertung und Gewichtung von Alternativen hin zugeschnitten sein, die den Helfenden bei einer schwachen Vorstrukturierung präsent sein müssen, auch wenn sie nicht verbalisiert werden. Von helfenden Personen vorgenommene Gewichtungen von Handlungsmöglichkeiten und damit mental oder verbal vorgenommene Vorstrukturierungen fassen wir allerdings nicht statisch, sondern als Aushandlungs- und Veränderungsprozessen unterliegend, welche in Hilfeprozessen kommunikativ bearbeitet werden müssen. Diese Bewertung und Gewichtung kann sich im Laufe des weiteren Beratungsprozesses verändern oder verschieben, muss aber ausgebildet und interaktional bearbeitet werden. Es ist davon auszugehen, dass sich verschiedene Beratungsformate u.a. dadurch unterscheiden lassen, wie stark vorstrukturierend jeweils tendeziell geholfen (beraten) wird. Nichtsdestotrotz ist zu erwarten, dass in allen Beratungsformaten in den verschiedenen Durchläufen des helfenden Handelns verschiedene Grade der Vorstrukturierung mentaler Prozesse in denselben Beratungsformaten vorkommen (vgl. unsere Analysen zum Helfen unten).
2.2 Kommunikativer Prozess: Fokus auf Ziel und/oder Lösung
Bevor eine (Teil-)Handlung von anderen Handelnden abgenommen werden kann, muss sichergestellt sein, dass das mit der abgenommenen Handlung erreichte (bzw. zu erreichende) Ergebnis im Sinne der Hilfesuchenden ist. Ein solches Ergebnis/Ziel gibt eine Lösungsrichtung vor und benötigt einen Handlungsplan, dieses zu erreichen. Beides muss beim sprachlichen Helfen ausgebildet werden. Dies kann mental geschehen und kommunikativ ausgehandelt werden.
Für das Beraten ist dieser Aushandlungs- und Bearbeitungsprozess als Merkmal des Prozessfokus beschrieben (vgl. Pick 2017b: 446-448), mit dem bestimmt werden kann, ob der Schwerpunkt in bestimmten Typen des Beratens stärker auf der Zielklärung oder stärker auf der Handlungsplanung liegt. Ziele beziehen sich auf das Resultat des Handelns, das durch das Beraten unterstützt wird, und schlagen sich in der Regel handlungspraktisch als Resultat einer Veränderung nieder. In einem Hilfeprozess kann auch die