Pragmatik der Veränderung. Группа авторов
Prozess streben. Neben den quantitativ verfahrenden Studien des „process-outcome-design“, dem Ansatz des „qualitative helpful factors design“ und dem von Elliott mit entwickelten „signifcant events approach“ geht er dabei auch auf Arbeiten nach dem von ihm sog. „microanalytic sequential process design“ ein. Darunter fasst Elliott „research on the turn-to-turn insession interaction between client and therapist“ (2010: 128). Elliott hebt die Seltenheit gerade dieser Art von Untersuchungen innerhalb der Veränderungsforschung hervor und nennt, neben der der Veränderungsforschung grundsätzlichen zukommenden Unsicherheit über kausale Zusammenhänge zwischen Prozess und Outcome (ebd.: 129, vgl. Kazdin 2009), als Hauptgrund dafür, dass diese Art der Forschung difficult and time consuming (ebd.) sei. Aus der Perspektive der Praxis ist jedoch gerade eine solche Integration von qualitativer, mikroanalytischer Prozessforschung und der Untersuchung von Wirkfaktoren in helfenden Berufen von hoher Bedeutung. So betonen etwa Weiste und Peräkylä (2015: 8), dass „from a clinical point of view, change in the client is indeed of utmost interest“ (vgl. auch Graf 2011 im Kontext von Coaching und ihre Unterscheidung in ‚Meta-Diskurs über Veränderung‘ vs. ‚Veränderungs-Diskurs‘).
Der vorliegende Band führt eben diese Integration von mikroanalytischer Prozessforschung mit der Identifikation von Wirkfaktoren im Sinne einer qualitativen Veränderungsforschung zusammen, indem er linguistische Studien versammelt, die Formen hilfreicher Veränderung in Psychotherapie, Coaching, Beratung und Physiotherapie empirisch im Sinne eines sequentiellen Prozess-Designs (siehe oben) nachzeichnen und sich dabei an gemeinsamen Fragen orientieren. Diese Fragen sind sowohl von grundlegender theoretischer Reichweite, etwa was überhaupt als Veränderung zu erfassen und entsprechend zu erforschen ist. Die Antwort auf diese Frage wiederum ist abhängig von der zugrundeliegenden Theorie von Veränderung. Der jeweils untersuchte Gegenstand konstituiert sich dabei in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Theorie von Veränderung bzw. den Prozessen, die dieser Theorie zufolge geeignet sind, hilfreiche Veränderungen auszulösen (zur Frage der Gegenstandskonstitution vgl. Deppermann 2003: 14–16). So fassen etwa linguistische Arbeiten zur Psychotherapie eher das sprachliche Verhalten als Ausdruck von Veränderung (z.B. Muntigl und Horvath 2005, Voutilainen, Peräkylä und Ruusuvuori 2011), wohingegen psychoanalytische oder therapietheoretische Ansätze stärker auf psychische Prozesse rekurrieren (Thomä und Kächele 2006: 290f. oder Krause et al. 2007: 677). Für die gegenwärtige Forschung wie für den vorliegenden Band bedeutet dies, dass die jeweils zugrundeliegende Theorie von Veränderung explizit gemacht werden muss, damit nachvollziehbar wird, auf welcher Grundlage die Daten als bedeutsam für Veränderung ausgewählt wurden. Darüber hinaus liegt ein zentraler Erkenntnisgewinn darin, eine Systematisierung der Ansätze zur Bestimmung und Erforschung von Veränderung in helfenden Berufen zu schaffen – der vorliegende Band strebt in einem abschließenden Beitrag einen solch systematisierten Zugriff auf den Phänomenbereich Veränderung in helfenden Berufen an.
In engem Bezug zur Frage der theoretisch bedingten Gegenstandskonstitution stehen methodologische Fragestellungen der Dokumentation und Beschreibung von Veränderung. Traditionell wird Veränderung in Medizin und Psychotherapie entweder anhand physischer Marker gemessen oder mittels Fragebögen in Vorher-Nachher-Studien erfragt (Gassmann und Grawe 2006; Elliott 2010; Lambert (Hrsg.) 2013). Das Ergebnis dieser Untersuchungen wird anschließend dem verwendeten therapeutisch-medizinischen Verfahren zugeschrieben, ohne dass deutlich wird, an welcher Stelle der Behandlung hilfreiche Veränderungsprozesse ausgelöst oder interaktiv unterstützt wurden. Diese Lücke versucht die im Entstehen begriffene qualitativ-linguistische Veränderungsforschung zu schließen, indem sie zunächst den interaktiven Prozess audio- und videographisch dokumentiert. So legt der Großteil der im Band versammelten Beiträge Aufnahmen und Transkripte der interaktiven Prozesse helfenden Handelns zugrunde. Im Unterschied zur Mehrzahl der vorliegenden sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Analysen werden diese Prozessdaten jedoch nicht nur formal analysiert, sondern die erkannten, die Interaktion prägenden Muster werden auf ihre funktionale Zweckmäßigkeit, also ihre Bedeutung für das ‚Outcome‘ des Prozesses, hin befragt, wobei die Bedeutung einzelner interaktiver Sequenzen innerhalb des institutionellen Rahmens mit Mitteln der linguistischen Gesprächsanalyse detailliert rekonstruiert wird. Damit wird die ‚Black Box‘ (Elliott 2010) der helfenden Interaktion geöffnet, was Erkenntnisse von theoretischer Bedeutung zum Verhältnis von sprachlichen Formen und Funktionen erbringt, aber auch aus angewandter Perspektive von hoher Bedeutung ist, da konkrete Aussagen über bestimmte kommunikative Handlungen und ihren Zusammenhang zum angestrebten Zweck der Interaktion getroffen werden. Gleichzeitig kann es so zu einem kritischen Abgleich kommen zwischen idealisierten Vorstellungen über das eigene professionelle Handeln und der kommunikativen Realität im Sinne von Stokoes (2012) talk-in-theory versus talk-in-practice. Und schließlich kann die interaktionale Bedeutung von sogenannten seen, but unnoticed Phänomenen in Garfinkels (1967) Sinn mit Hilfe qualitativ-linguistischer Analysen aufgedeckt werden. All dies kann den Ausgangspunkt bilden für eine grundsätzliche kommunikative Sensibilisierung, wie für die Aneignung der herausgearbeiteten Erkenntnisse durch Praktiker*innen helfender Berufe.
Aus empirischer Perspektive drängen sich des weiteren Fragen zu den Dimensionen von Veränderung auf, also hinsichtlich Indikatoren und Objekten von Veränderung sowie hinsichtlich interaktiver Praktiken, die Veränderung vorantreiben können bzw. in denen sich Veränderungen manifestieren. Die hier versammelten Beiträge machen, aufbauend auf dem gewählten theoretischen und methodischen Zugang, unterschiedliche Dimensionen von Veränderung sichtbar; auch hier soll im abschließenden Beitrag eine Systematisierung vorgelegt werden. Empirisch lässt sich hilfreiche Veränderung bezüglich der Formen des Wandels an unterschiedlichen Phänomenen festmachen. So zeigt sich Veränderung 1.) an der Oberfläche des kommunikativen Prozesses als verändertes Reden über sich selbst und die eigenen Erlebnisse bzw. als verändertes Reagieren auf das Verhalten des Gegenüber (Muntigl und Horvath 2005; Voutilainen, Peräkylä und Ruusuvuori 2011). Veränderung kann 2.) handlungstheoretisch als verändertes Handeln in vergleichbaren Situationen verstanden werden (Thomä und Kächele 2006; Scarvaglieri 2015, 2017) – ein Veränderungsbegriff, der über die aktuell repräsentierte Interaktion zwischen helfender und Hilfe suchender Person hinausgeht und auch das Verhalten im Alltag erfassen soll, so dass er vergleichsweise nahe an dem Verständnis der Praktiker*innen liegt. Aktionale wie rein sprachliche Veränderungen basieren schließlich 3.) auf veränderten psychischen Prozessen, etwa darauf, dass Ereignisse „from new angles“ (Gale 1999: ix; vgl. Scarvaglieri 2013: 281f.) gesehen werden. Zudem kommt es 4.) in Physiotherapie und Medizin zu körperlichen Veränderungen, die zum Teil unmittelbar in der Interaktion manifestiert sind und videographisch nachgewiesen werden können. Insgesamt fokussieren die Beiträge des Bands v.a. Veränderungsprozesse auf sprachlich-kommunikativer Ebene, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass diese ihrerseits mit mentalen, ggf. somatischen oder physischen Prozessen verkoppelt sind und dass das eigentliche Ziel helfender Berufe in veränderten Verhaltensformen jenseits der aktuell repräsentierten Dyade besteht. Dabei kommt innerhalb der hier konzipierten Veränderungsforschung der Identifikation und Mikroanalyse kommunikativer Praktiken, in denen sich Veränderung interaktiv realisiert, zentrale Bedeutung zu. Diese Detailanalysen kommunikativer Verfahren und ihres Bezugs zum institutionellen Zweck stellen das Zentrum der einzelnen Beiträge wie des gesamten Bandes dar, sie bilden die Basis für eine theoretische Erfassung des Phänomenbereichs wie auch für eine wissenschaftlich informierte Weiterentwicklung der Praxis helfenden Handelns und öffnen in der Verbindung von Mikroanalyse und Makroperspektive nicht zuletzt auch der Gesprächs- und Konversationsanalyse neue methodologische Perspektiven.
2. Linguistische Veränderungsforschung
Linguistische Veränderungsforschung ist ein im Entstehen begriffenes Feld, das in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen hat, was sich an einer zunehmenden Anzahl an Publikationen in diesem Bereich zeigt zu der auch dieser Sammelband gehört (siehe auch Pawelczyk und Graf (Hrsg.) (under review)). Grundsätzlich unterscheiden sich die existierenden Studien danach, ob sie Sequenzen fokussieren, die als Indikatoren für klientenseitigen Wandel angesehen werden können (Voutilainen, Peräkylä und Ruusuvuori 2011; Pawelczyk i.d.B.), oder Handlungen der Agent*innen, die an sich in der Lage sind, Veränderungsprozesse anzustoßen (vgl. Scarvaglieri 2015, i.d.B.; Spranz-Fogasy et al. revised; Kabatnik et al. i.d.B.; Spranz-Fogasy