PLATON - Gesammelte Werke. Platon

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zu verletzen. Aber sage mir doch, wodurch behauptet er denn, daß du die Jugend verderbest?

      Sokrates: Unsinnig genug, mein Guter, wenn man es so hört. Er sagt nämlich, ich erdichtete Götter, und als ein Erdichter neuer Götter, der an die alten nicht glaubt, verklagt er mich eben deshalb wie er sagt.

      Euthyphron: Ich verstehe, Sokrates. Weil du immer sagst, das Dämonische sei dir widerfahren; so stellt er diese Klage gegen dich an, als gegen einen Neuerer in göttlichen Dingen, und kommt um dich zu verläumden vor Gericht, weil er weiß, daß dergleichen Verläumdungen sehr leicht Eingang finden bei den Meisten. Denn auch mit mir, wenn ich in der Gemeinde etwas rede von göttlichen Dingen, und ihnen vorhersage was geschehen wird, treiben sie Spott wie mit einem Wahnsinnigen, und doch ist nichts was nicht eingetroffen wäre von Allem was ich vorhersagte. Aber doch sind wir Alle ihnen verhaßt. Aber man muß sich nur nichts um sie kümmern, sondern gerade zu gehn.

      Sokrates: Lieber Euthyphron, bespöttelt zu werden, das ist nun eben keine große Sache. Und weiter, wie mich dünkt, kümmern sich die Athener nicht sonderlich um einen, wenn sie ihn auch für noch so gewaltig halten, der nur nicht lehrlustig ist mit seiner Weisheit. Von wem sie aber glauben, er wolle auch Andere zu solchen machen, dem zürnen sie, sei es nun aus Haß, wie du meinst, oder aus was sonst.

      Euthyphron: Was dies betrifft, begehre ich gar nicht zu versuchen, wie sie über mich denken.

      Sokrates: Weil du eben das Ansehn hast, dich selten zu machen, und Niemanden deine Weisheit lehren zu wollen; ich aber befürchte, daß ich bei ihnen in dem Ruf stehe meiner Menschenliebe wegen, was ich nur weiß verschwenderisch Jedermann zu sagen nicht nur unentgeltlich, sondern auch noch gern etwas dazugebend wenn mich nur Jemand hören will. Wie ich also eben sagte, wenn sie mit mir nur Scherz treiben wollten, wie du behauptest, daß sie es dir machen: so wäre das gar nicht übel, scherzend und lachend vor Gericht zu stehen. Wenn sie aber Ernst machen wollen, so kann wohl Niemand leicht wissen, wie die Sache ablaufen wird, außer Ihr, Wahrsager.

      Euthyphron: Wahrscheinlich wird es wohl nichts sein, Sokrates; sondern du wirst deine Sache nach Wunsch ausfechten, und so denke ich auch ich die meinige.

      Sokrates: Und was für eine Sache hast denn du, Euthyphron? verfolgst du oder wirst du verfolgt?

      Euthyphron: Ich verfolge.

      Sokrates: Und wen?

      (4) Euthyphron: Einen solchen, daß man mich für rasend halten wird ihn zu verfolgen.

      Sokrates: Wie so? kann er etwa fliegen?

      Euthyphron: Am Fliegen fehlt ihm wohl viel, da er schon ganz wohlbetagt ist.

      Sokrates: Und wer ist es denn?

      Euthyphron: Mein eigner Vater.

      Sokrates: Dein eigner Vater, o Bester?

      Euthyphron: Ganz sicher.

      Sokrates: Und welches ist denn die Beschuldigung? worauf geht die Klage?

      Euthyphron: Auf Totschlag, Sokrates.

      Sokrates: Herakles! Aber die meisten Menschen, Euthyphron, wissen wohl gar nicht, wie dies recht ist? Denn ich glaube wohl nicht daß der erste beste dies richtig tun kann; sondern nur wer schon weit in der Weisheit vorgeschritten ist.

      Euthyphron: Weit genug, allerdings beim Zeus, Sokrates.

      Sokrates: Es ist also wohl deiner nächsten Angehörigen einer, der durch deinen Vater ums Leben gekommen ist? Oder versteht sich das von selbst: denn eines Fremden wegen würdest du ihn wahrlich nicht als Totschläger verklagen!

      Euthyphron: Lächerlich ist es, o Sokrates, daß du meinst, dies mache einen Unterschied, ob der Getötete ein Fremder ist oder ein Angehöriger, und man müsse nicht das allein beachten, ob der Tötende ihn mit Recht getötet hat oder nicht, und wenn mit Recht, ihn gehen lassen, wenn aber nicht, ihn verfolgen, und wenn auch der Totschläger dein Herd- und Tischgenosse ist. Denn gleich groß ist ja die Befleckung, wissentlich mit einem solchen zu leben, ohne daß man sich und ihn durch die Angabe vor Gerichte reiniget. Übrigens war der Tote ein Dienstmann von mir, und als wir des Landbaues wegen auf Naxos waren, tagelöhnerte er dort bei uns. In der Trunkenheit nun erzürnt er sich mit einem unserer Knechte und schlägt ihn tot. Der Vater also läßt ihn an Händen und Füßen gebunden in eine Grube werfen, und schickt einen hieher zum Ausleger sich Rats erholen, was zu tun wäre. Binnen dieser Zeit aber vernachlässigte er den Gebundenen als einen Totschläger, und als ob es nichts wäre, wenn er auch stürbe. Welches ihm dann auch begegnete: denn Frost, Hunger und Fesseln töteten ihn ehe noch der Bote von dem Ausleger zurückkehrte. Dieses nun verdrießt eben den Vater und die übrigen Verwandten, daß ich eines Totschlägers wegen den Vater des Totschlages anklage, da er ihn doch, wie sie sagen, nicht einmal umgebracht hat, und selbst wenn er ihn umgebracht hätte, man doch eines solchen wegen sich nicht viel kümmern dürfe, der ja selbst ein Totschläger war. Denn es sei doch ruchlos, daß der Sohn den Vater des Totschlages anklage. Aber schlecht, o Sokrates wissen sie wie das göttliche sich verhält, was frommes und ruchloses betrifft.

      Sokrates: Du aber, um des Zeus willen, o Euthyphron, glaubst so genau dich auf die göttlichen Dinge zu verstehen, wie es sich damit verhält, und auf das fromme und ruchlose, daß du bei diesem Hergang der Sache, wie du ihn berichtet hast, gar nicht besorgst, ob du nicht etwa selbst wiederum, indem du den Vater zu Recht belangst, etwas ruchloses begehest?

      Euthyphron: Gar nichts wäre ich ja nutz, o Sokrates, und um (5) nichts wäre Euthyphron besser als die Andern, wenn ich dergleichen nicht alles genau verstände.

      Sokrates: So wird es demnach für mich, du bewunderungswürdiger Euthyphron, wohl das Beste sein, daß ich dein Schüler werde, und dem Melitos, noch ehe ich mich auf seine Klage einlasse, eben hierauf Vergleich anbiete, und ihm sage: Auch vorher schon hätte ich es mir sehr angelegen sein lassen das göttliche zu verstehen, nun aber er behauptete, daß ich auf meine eigne Weise grüble, und Neuerungen in göttlichen Dingen aufbringend mich schwer versündige, wäre ich eben dein Schüler geworden. Und wenn du nun, o Melitos, würde ich sagen, zugibst, daß Euthyphron weise ist in diesen Dingen und richtig darüber denkt: so glaube es von mir auch, und verklage mich nicht. Wo aber nicht so melde ihm, meinem Lehrer, die Klage eher an als mir, weil er die alten Leute verderbt, mich und seinen Vater, mich durch Lehre, jenen aber durch Verweis und Strafe. Wenn er mir nun nicht glaubt, noch auch mich von der Klage losläßt, und statt meiner dich angibt: so werde ich vor Gericht eben das sagen, was ich ihm vorher beim Versuch des Vergleiches allein gesagt.

      Euthyphron: Ja beim Zeus, Sokrates, wenn er es doch wagen wollte mich anzugeben! ich würde wohl finden, glaube ich, wo er anbrüchig ist, und es sollte weit eher noch vor Gericht von ihm die Rede sein als von mir.

      Sokrates: Eben weil ich dies auch weiß, lieber Freund, wünsche ich dein Schüler zu werden. Denn ich weiß ja, wie auch sonst Mancher und so auch dieser Melitos dich nicht einmal zu sehen scheint, mich aber hat er so scharf und leicht überschaut, daß er mich schon der Gottlosigkeit anklagt. So sage mir nun um Zeus willen, was du itzt eben so genau zu wissen behauptetest, worin doch deiner Behauptung nach das Gottesfürchtige und das Gottlose bestehe, sowohl in Beziehung auf Totschlag als auf alles übrige. Oder ist nicht das fromme in jeder Handlung sich selbst gleich, und das ruchlose wiederum allem frommen entgegengesetzt und sich selbst ähnlich, so daß alles was ruchlos sein soll, soviel nämlich seine Ruchlosigkeit betrifft, Eine gewisse Gestalt hat?

      Euthyphron: Auf alle Weise freilich, Sokrates.

      Sokrates: So sage also, was du behauptest daß das fromme sei, und was das ruchlose.

      Euthyphron: Ich sage eben, daß das fromm ist, was ich itzt tue, den Übeltäter nämlich, er habe nun durch Totschlag,


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