Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_864a5606-ea51-5123-a25b-72baad80469b">Strafrechtliche Nebenfolgen111
(3)Strafrechtliche Vermögensabschöpfung112, 113
b)Besonderheiten des Steuerstrafrechts (Abs. 2 Hs. 2)114 – 120
aa)Anwendbarkeit auf reine Auslandstaten, § 370 Abs. 7115
bb)Strafbefreiende Selbstanzeige, § 371116
cc)Absehen von Strafverfolgung gegen Steuernachzahlung, § 398a117
dd)Strafrechtliche Verjährung, §§ 367, 396 Abs. 3118 – 120
Literatur:
S. Vor § 369.
I. Normstruktur
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Abs. 1 enthält eine Legaldefinition von Steuerstraftaten (Rn. 6 ff.) und Zollstraftaten (Rn. 5). Die Regelung ist Ausdruck vereinfachender Gesetzestechnik[1] und entfaltet Definitionswirkung in zwei Richtungen: zum einen in materieller Hinsicht, indem sie die Anwendung der Regeln des allgemeinen Strafrechts regelt (§ 369 Abs. 2, Rn. 23 ff.), zum anderen in prozessualer Hinsicht, indem sie die Zuständigkeit der FinB für die Verfolgung von Steuer- und Zollstraftaten eröffnet (§§ 385 ff.),[2] sie in Einzelfällen auch ausschließt (§ 32 ZollVG)[3] sowie Gerichten und anderen Behörden eine Meldepflicht auferlegt (§ 116[4]) (verfahrensrechtliche Bedeutung[5]).
2
Umgekehrt folgt hieraus die Zuständigkeit der StA für die Verfolgung von Straftaten, die trotz steuerrechtlichen Bezugs keine Steuerstraftaten im Sinne der Norm sind; hierzu gehören etwa die Verletzung des Steuergeheimnisses nach § 355 StGB,[6] die Abgabenüberhebung nach § 353 StGB[7] und die durch ggf. einen Steuerstraftäter begünstigende Strafvereitelung nach §§ 258, 258a StGB.[8]
3
Abs. 2 enthält einen Anwendungsverweis für das allg. Strafrecht, ähnlich § 385 Abs. 1 für das Strafverfahrensrecht (s. § 385 Rn. 2). Das allgemeine Strafrecht ist danach kraft gesetzlicher Anweisung subsidiär und kommt nur zur Anwendung, „soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen“ (Abs. 2 Hs. 2, Sperrwirkung des Steuerstrafrechts). Solche gegenüber dem allgemeinen Strafrecht vorrangigen steuerstrafrechtsspezifischen Regelungen des Steuerstrafrechts sind allerdings selten (Rn. 114 ff.) und der Verweis im Grunde nur noch zu erklären als das Relikt eines aus dem Steuerrecht hervorgegangenen Steuerstrafrechts.[9]
4
Anders als in früheren Fassungen (§ 356 RAO 1919 a.F.) bezieht sich der Verweis dabei nicht nur auf das StGB als strafrechtlicher Kernkodifikation, sondern nimmt auch Regelungen des allg. Strafrechts aus anderen Gesetzen in Bezug[10] (etwa für jugendliche und heranwachsende Täter das JGG, Rn. 23).
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Dass auch Zollstraftaten erfasst sind, hat lediglich deklaratorische Bedeutung[11], da Zölle – am häufigsten in Gestalt von Einfuhrabgaben – auch zu den Steuern zählen (§ 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Nrn. 20, 21 Unionszollkodex [früher Zollkodex][12]). Zollstraftaten sind entsprechend Steuerstraften, die es mit Zöllen zu tun haben.[13]
a) Straftaten nach den Steuergesetzen (Nr. 1)
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Nach Nr. 1 gehören zu den Steuerstraftaten nur solche Taten, die nach einem Steuergesetz strafbar sind.[14] Die Regelung bietet zuallererst eine formale Abgrenzungsleistung, und zwar in dreifacher Hinsicht (Rn. 7 ff.).
aa) Einführung
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Grundlegende Voraussetzung ist zunächst, dass überhaupt der Anwendungsbereich der AO eröffnet ist. Dieser wird bestimmt durch § 1 Abs. 1 und 2[15] und erfasst einerseits Steuern des Bundes oder der EU (§ 1 Abs. 1[16]) sowie gem. § 1 Abs. 2 Nr. 7 die von den Gemeinden verwalteten Realsteuern (Grundsteuer, Gewerbesteuer, vgl. § 3 Abs. 2).
8
Nicht unmittelbar erfasst sind grundsätzlich Landessteuern,[17] zu denen etwa die Kirchensteuer gehört (zur Strafbarkeit ihrer Hinterziehung s. Rn. 9). Die Landessteuergesetze können die AO aber durch Verweis für anwendbar erklären.[18]
9
Ob und wie Kirchensteuerhinterziehungen strafrechtlich zu ahnden sind, ist umstritten.[19] Einigkeit herrscht zunächst im Ausgangspunkt darüber, dass die Kirchensteuer als Landessteuer nicht direkt in den Anwendungsbereich der AO und damit der Steuerhinterziehung gem. § 370 fällt.[20] Eine etwaige Anwendung kann sich damit nur kraft Verweises auf die materiellstrafrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung ergeben, was durch Auslegung des jeweiligen Kirchensteuergesetzes zu ermitteln ist.[21] Die Mehrzahl der Kirchensteuergesetze der Länder schließt eine Anwendung des materiellen Steuerstrafrechts aus, womit auch § 370 ausgeschlossen ist.[22] Damit stellt sich die Frage, ob dies auch zur Folge hat, dass ein Rückgriff auf die allgemeine Norm des § 263 StGB ausgeschlossen sein soll. Dies ist zu verneinen mit Blick auf die Regelung in Art. 4 Abs. 3 EGStGB, die unter anderem anordnet, dass die Verfolgung wegen Betrugs die Landesvorschriften „unberührt“ lasse. Die Kirchensteuerhinterziehung