Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
dem Wegfall der Monopolgesetze[44] (Branntwein, Zündhölzer) der Kreis der in Bezug genommenen Verbringungsverbote aus steuerlichen Normen verringert. Größere Bedeutung als Quelle für Verbringungsverbote haben außersteuerliche Normen: zum einen Gesetze wie z.B. AMG, BtMG, WaffenG, zum anderen auch Verordnungen i.S.v. Art. 80 GG oder Art. 288 Abs. 2 AEUV (Einzelheiten s. § 372 Rn. 14 ff.).[45]
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Der Bannbruch ist allerdings dann keine Steuerstraftat, wenn er nur mit Geldbuße bedroht ist, also eine Ordnungswidrigkeit darstellt[46] und keine Sonderzuständigkeit der FinB in Frage kommt.[47]
c) Wertzeichenfälschung von Steuerzeichen (Nr. 3)
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Nr. 3 verweist auf die früher in der AO (§ 399 RAO 1969 a.F.)[48] und heute im StGB geregelte Fälschung von Steuerzeichen und deren Vorbereitung als Teil der Wertzeichenfälschung gem. §§ 148, 149 StGB. Praktische Bedeutung erhält die Steuerzeichenfälschung insb. für die Einfuhr von Billigzigaretten mit gefälschten Tabaksteuerbanderolen (§ 17 TabStG, § 3 TabStV).[49]
d) Begünstigung einer Steuerstraftat gem. Nr. 1–3 (Nr. 4)
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Nr. 4 erfasst die Begünstigung nach § 257 StGB, soweit die Vortat eine Steuerstraftat i.S.v. Abs. 1 Nr. 1–3 ist.[50] Der Begriff der Begünstigung ist heute auf die sachliche Begünstigung nach § 257 StGB beschränkt[51]; die von früheren Gesetzesfassungen zusätzlich erfasste persönliche Begünstigung ist seit 1975 als Strafvereitelung tatbestandlich verselbstständigt (§ 258 StGB) und daher nicht mehr umfasst.[52] Ebenfalls nicht erfasst sind sonstige tatbestandlich verselbstständigte Begünstigungshandlungen wie etwa die Geldwäsche § 261 StGB. Sie ist auch dann keine Steuerstraftat, wenn sie Anschlusstat einer gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung ist (§ 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Bst. b StGB).[53]
2. Abs. 2: Anwendung der allgemeinen Gesetze über das Strafrecht
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Nach Abs. 2 gelten auch im Steuerstrafrecht die allg. Gesetze über das Strafrecht (Hs. 1, Rn. 24 ff.), solange die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen (Hs. 2, zu den Besonderheiten des Steuerstrafrechts s. Rn. 114 ff.).[54] Die Entscheidung hierüber ist eine Frage der Auslegung durch das Strafgericht (zur materiellen Entscheidungsverantwortung des Strafgerichts s. Vor § 369 Rn. 35 ff.).[55] Zu den aus dem Gesetzlichkeitsprinzip nach § 1 StGB und Art. 103 GG folgenden Prinzipien s. Vor § 369 Rn. 10 ff.
a) Steuerstrafrecht und allgemeines Strafrecht (Abs. 2 Hs. 1)
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Zu den allgemeinen Strafgesetzen gehört nicht nur das Strafgesetzbuch als Kernkodifikation, sondern auch strafrechtliche Nebengesetze wie etwa das JGG (für jugendliche oder heranwachsende Täter[56]) oder das Wehrstrafgesetz (für militärangehörige Täter).[57]
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Erfasst sind dabei die Strafgesetze in ihrer Anwendungspraxis (Rechtsprechung, s. auch Rn. 26), ihrer wissenschaftlichen Doktrin (Wissenschaft, s. auch Rn. 25) und ihrer Methodenlehre (zur Rechtsanwendung im Steuerstrafrecht s. Vor 369 Rn. 36 ff.).[58]
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Da Steuerstrafrecht Strafrecht ist, folgt die steuerstrafrechtliche Dogmatik in Begriffs- und Systembildung den Lehren und Postulaten der allg. Strafrechtsdogmatik. Dies hat etwa zur Folge, dass die Zentralnorm des materiellen Steuerstrafrechts, die Steuerhinterziehung gem. § 370, nach dem traditionellen dreistufigen Deliktsaufbau zu prüfen ist und entsprechend für eine Strafbarkeit eine tatbestandsgemäße, rechtswidrige und schuldhaft begangene Handlung voraussetzt.[59] Das System der allg. Strafrechtsdogmatik ist freilich nicht statisch, sondern ein bewegliches System, dessen Regeln stetig auf Sachgerechtigkeit überprüft werden müssen und ggf. fortgeschrieben werden müssen.[60] Umgekehrt können auch Entwicklungen im Steuerrecht Auswirkungen auf das Strafrecht haben, wie die Debatte über die Beilhilfestrafbarkeit neutraler Handlungen zeigt (Rn. 47).
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Da Steuerstrafrecht Annex zum Steuerrecht ist, kommt der Praxis der Steuerrechtsordnung besondere Bedeutung zu. Die methodengerechte Rechtsanwendung im Steuerstrafrecht verlangt deshalb vom Rechtsanwender, auch die Judikate der fachgerichtlichen Rspr. der Finanzgerichtsbarkeit argumentativ zu berücksichtigen[61] (wenn auch nicht notwendig zu befolgen; zur fehlenden Bindungswirkung von Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit s. Vor § 369 Rn. 25 ff.). Aus der höchstrichterlichen Rspr. im Steuerstrafrecht ist zudem die Judikatur des 1. Strafsenats des BGH zu beachten, der eine Sonderzuständigkeit für Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen hat.[62]
(1) Zeitliche Geltung, § 2 StGB
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Die zeitliche Geltung der Steuerstrafgesetze folgt den allg. Regeln des § 2 StGB,[63] bemisst sich also nach dem zur Tatzeit geltenden Gesetz (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 StGB, Rn. 28 f.). Es gilt der in § 1 StGB und Art. 103 Abs. 3 GG niedergelegte Satz, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (Rückwirkungsverbot, Details s. Vor § 369 Rn. 57 ff.).
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Tatzeit ist der Zeitpunkt der Vornahme der Handlung (Tun) oder des Handelnmüssens (Unterlassen) (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 8 S. 1 StGB).[64] Gesetz ist das Steuerstrafgesetz samt ausfüllendem Steuergesetz.
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Für Änderungen gelten folgende Grundsätze: Ändert sich das Steuerstrafgesetz (Ausnahme: Zeitgesetz[65]) in der Phase zwischen Tatbegehung und gerichtlicher Entscheidung (auch im Revisionsverfahren[66]), ist das mildeste Gesetz anzuwenden (