Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
Rechtsverkehr „weisungsabhängige ‚Strohleute‚“ für sich auftreten lässt.[82]
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Ob darüber hinaus auch Garantenpflichten i.S.v. § 13 StGB erfasst sind, ist umstritten.[83] Besondere Relevanz hat die Frage für diejenigen Personen, die bislang nicht steuererklärungspflichtig sind wie beispielsweise der steuerliche Berater hinsichtlich nachträglicher Berichtigungen (§ 153).[84] Die Übertragung ist abzulehnen, da hierdurch die tatbestandlichen Beschränkungen der dem allgemeinen Strafrecht vorrangigen Steuerstrafnorm des § 370 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. § 369 Abs. 2 Hs. 2) umgangen würden (Sperrwirkung des Steuerstrafrechts).[85]
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(b) Teilnahme, §§ 26, 27 StGB: Bei den Steuerstraftaten ist auch Teilnahme durch Anstiftung oder Beihilfe möglich (§ 369 Abs. 2 i.V.m. §§ 26, 27 StGB) (Details s. § 370 Rn. 23 ff.).[86]
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Anstifter einer Tat ist, wer einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat, bei diesem also den Tatentschluss zur Begehung eines Straftat erzeugt hat (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 26 StGB).
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Beihilfe leistet, wer einem anderen Hilfe leistet zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 27 StGB). Dies setzt voraus, dass die Herbeiführung des Taterfolges objektiv gefördert wird, ohne dass es erforderlich ist, dass die Beilhilfe für den konkreten Erfolg ursächlich geworden ist.[87] In subjektiver Hinsicht ist doppelter Gehilfenvorsatz hins. geförderter Tat und eigener Unterstützungshandlung erforderlich, wobei der Gehilfe keine Einzelheiten der Tat kennen muss, solange er „die Dimension der Tat erfassen kann“.[88]
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Dass auch berufstypisches „neutrales“ Verhalten, etwa durch Bankangestellte, strafbare Beilhilfe zur Steuerhinterziehung sein kann, ist spätestens durch die Leitentscheidung des BVerfG v. 23.3.1994 zu den Luxemburgverfahren „gerichtsbekannt“.[89] Obwohl als Nichtannahmebeschluss nicht mit rechtlicher Bindungswirkung ausgestattet,[90] war die Entscheidung des BVerfG in rechtstatsächlicher Hinsicht Initialzündung für umfangreiche Ermittlungen von StA und SteufA gegen deutsche Banken mit Tochtergesellschaften in Luxemburg. Daneben stellte das BVerfG in materiellrechtlicher Sicht und mit „faktischer“ Bindungswirkung[91] klar, dass auch das berufstypische „neutrale“ Verhalten eines Bankangestellten strafbare Beihilfehandlung zur Steuerhinterziehung des Kunden sein kann.[92]
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Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat dies aufgegriffen und die Grenzen strafloser Unterstützung durch berufstypische Handlungen wie folgt gesetzt. Hat der Unterstützende, etwa der Bankangestellte, das sichere Wissen (dolus directus 2. Grades), dass sein Tatbeitrag zur Begehung einer Straftat genutzt wird, ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung anzusehen, da er einen Akt der „Solidarisierung“ darstellt. Hat er hingegen keine sichere Kenntnis, hält er die deliktische Verwertung seines Beitrages also lediglich für möglich (dolus eventualis), so ist sein Tatbeitrag im Grundsatz nicht als Beihilfehandlung anzusehen, es sei denn, „das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung ‚die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ [93] (s. auch § 370 Rn. 25).
(2) Versuch und Rücktritt
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(a) Strafbarkeit des Versuchs, §§ 22, 23 StGB: Beim Versuch gelten die allg. Regeln. Da das Steuerstrafrecht keine Verbrechenstatbestände (mehr[94]) enthält, also Taten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (§ 12 Abs. 1 StGB), kommt es bei den allein vorkommenden Vergehenstatbeständen des Steuerstrafrechts für eine Strafbarkeit des Versuchs darauf an, dass diese ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 StGB). Dies ist etwa der Fall bei § 370 (Abs. 2), § 372 (Abs. 2 i.V.m. § 370 Abs. 2) und § 374 (Abs. 3) (s. § 370 Rn. 281; § 372 Rn. 26; § 374 Rn. 45.).
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Eine Steuerstraftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 22 StGB), was in der Regel Handlungen verlangt, die aus Sicht des Täters bei ungestörtem Fortgang unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung der jeweiligen Steuerstraftat münden (Am Bsp. von § 370 s. dort Rn. 282 ff.).
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(b) Rücktritt vom Versuch, §§ 24 StGB: Der strafbefreiende Rücktritt vom Versuch bestimmt sich nach den allg. Regeln (§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 24 StGB, s. Rn. 53 ff.) und ist bei Vorliegen seiner Voraussetzungen (Rn. 52 ff.) persönlicher Strafaufhebungsgrund[95].
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Der rechtswirksame Rücktritt vom Versuch setzt zunächst nach der Rspr. voraus, dass kein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Die Tat muss also objektiv noch zu vollenden sein und Täter muss dies subjektiv erkennen oder die Vollendung noch für möglich halten.[96] Setzt der StPfl. den Versuch der Steuerhinterziehung in einem Rechtsbehelfsverfahren fort, kann dies dazu führen, dass der Versuch nicht schon mit Erlass des Steuerbescheids, sondern erst mit dessen Bestandskraft als endgültig fehlgeschlagen anzusehen ist[97] (s. § 370 Rn. 289).
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Die weiteren Anforderungen an die Rücktrittshandlung richten sich zunächst danach, ob es um die Tat eines Einzeltäters (§ 24 Abs. 1 StGB, Rn. 54) oder mehrerer Beteiligter (§ 24 Abs. 2 StGB, Rn.