Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
rel="nofollow" href="#ulink_d4b3b89e-e5ca-5ea9-8c84-d8789355d5b9">§ 369 Abs. 2 i.V.m. § 15 StGB). So ist etwa die Steuerhinterziehung gem. § 370 als Vorsatztat ausgestaltet; sie wird dabei allerdings flankiert durch den bußgeldbewehrten Tatbestand der leichtfertigen, d.h. in erhöhtem Maße fahrlässigen Steuerhinterziehung (§ 378), dem insofern die Rolle als „Auffangtatbestand“ zukommt[110] (Details s. § 378 Rn. 1 ff.).
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§ 370 setzt zumindest bedingten Vorsatz (dolus eventualis) hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Hinterziehungstatbestandes voraus (Details s. § 370 Rn. 259 ff.; s. auch Rn. 76).[111] Dies bedeutet nach der Rspr., dass der StPfl. im konkreten Fall den Steueranspruch nach Grund und Höhe zumindest für möglich hält (intellektuelles Vorsatzmoment) und seine Verkürzung auch billigt (voluntatives Vorsatzmoment).[112] Eine sichere Kenntnis oder eine darüber hinausgehende Hinterziehungsabsicht werden dagegen nicht verlangt.[113]
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Der Steuerhinterziehungsvorsatz ist unter Gesamtwürdigung aller für die innere Tatseite relevanten Umstände gerichtlich festzustellen (§ 385 Abs. 1 i.V.m. § 261 StPO).[114] Maßgebliche Bedeutung erlangen hierbei äußere Umstände, aus denen das Gericht rückschließt.[115] Bei „Kaufleuten“ bspw. sei es nach dem BGH erforderlich, deren „Umgang mit den in ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten“ in die Würdigung einzubeziehen,[116] wobei eine „mangelnde Erkundigung“ auf „Gleichgültigkeit“ schließen lasse.[117] Dasselbe soll, so der BGH, auch für den „nicht steuerlich sachkundige(n) Steuerpflichtigen“ gelten, wenn dieser „Vertragskonstruktionen oder Geschäftsabläufe“ wähle, die von der „üblichen Geschäftsabwicklung“ abweichen.[118]
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Vereinzelt sehen Steuerstraftaten besondere subjektive Absichten vor: z.B. die Bereicherungsabsicht bei der Steuerhehlerei gem. § 374 Abs. 1 (Details s. § 374 Rn. 38 ff.) oder Vorteilsicherungsabsicht bei § 257 StGB. Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob damit Absicht im Sinne eines zielgerichteten Willens zu verlangen ist (dolus directus 1. Grades) oder ob sicheres Wissen (dolus directus 2. Grades) ausreicht.
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(b) Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB: Wer bei Tatbegehung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt ohne Vorsatz (vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum, § 369 Abs. 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, zu Irrtumskonstellationen s. Rn. 73 ff.; zum Verbotsirrtum gem. § 17 StGB s. Rn. 88 ff.).
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Kommt es zum Vorsatzausschluss, ist an eine Haftung aus anderen Gesetzen zu denken. Hierzu gehört wegen § 377 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 OWiG auch die bußgeldbewehrte Ahndung als leichtfertige Steuerverkürzung gem. § 378.[119]
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Vorsatzausschließend ist nach allg. Meinung der Irrtum über das Bestehen eines Steueranspruchs,[120] etwa wegen Unkenntnis des insoweit verkürzten Steueranspruchs oder auch wegen Annahme eines vermeintlich kompensierenden Erstattungsanspruchs.[121]
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Ob auch der Irrtum über den Umfang einer steuerlichen Pflicht den Vorsatz ausschließt, oder ob dieser nur als Verbotsirrtum gem. § 17 StGB (Rn. 88 ff.) zu behandeln ist, ist umstritten.[122]
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Kein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum, sondern nur ein Verbotsirrtum ist der Irrtum über das Bestehen einer steuerrechtlichen Erklärungspflicht (Rn. 86).[123]
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Kein Raum für einen Irrtum besteht nach der Rspr. aber dann, wenn sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände ergibt, dass der Täter mit bedingtem Hinterziehungsvorsatz gehandelt hat, indem dieser zwar das Bestehen einer steuerlichen Pflicht für möglich gehalten hat, sich aber gleichwohl mit dem Eintritt des durch ihn bewirkten Steuerverkürzungserfolges abgefunden hat.[124]
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(c) Fahrlässigkeitsstrafbarkeit: Fahrlässige Steuerstraftaten kennt das Steuerstrafrecht nicht, allerdings können die Steuerordnungswidrigkeiten gem. §§ 378–382 fahrlässig begangen werden.[125] Besondere Bedeutung kommt hier insb. der leichtfertigen Steuerhinterziehung gem. § 378 zu (s. dort).[126]
(5) Rechtswidrigkeit; Schuld
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(a) Rechtfertigung: Die Rechtswidrigkeit richtet sich nach allg. Regeln, ist also in der Regel gegeben, wenn der gesetzliche Tatbestand erfüllt ist (Indizwirkung des Tatbestands). Rechtfertigungsgründe spielen üblicherweise keine Rolle im Steuerstrafrecht.[127]
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(aa) Behördliche Äußerungen: Eine der behördlichen Genehmigung aus dem Umweltstrafrecht vergleichbare Regelung, die eventuell das Unrecht ausschließt, kennt das Steuerstrafrecht nicht.[128]
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Nicht endgültige Entscheidungen über den Steueranspruch, wie etwa die Zustimmung zur Erstattung von Umsatzsteuer (§ 168 S. 2), bewirken keinen Ausschluss der Strafbarkeit wegen einer Steuerstraftat. Dies gilt nach der Rspr. selbst dann, wenn die FinB trotz Kenntnis der „für die zutreffende Besteuerung bedeutsamen Tatsachen“ aus „ermittlungstaktischen Erwägungen“ eine materiell unrichtige Zustimmung zur Erstattung von Umsatzsteuer abgeben, um die Ermittlungen „zur Aufdeckung und Zerschlagung eines groß angelegten Umsatzsteuerhinterziehungssystems“ nicht zu gefährden.[129] Das Nichteinschreiten der Behörden soll auch keine strafmildernden Wirkungen auf Strafzumessungsebene haben.[130]
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Die im Besteuerungsverfahren zulässigen Vereinbarungen zwischen StPfl. und FinB über den steuerlichen Sachverhalt (sog. tatsächliche Verständigung)[131] entfalten ebenfalls keine Bindungswirkung für ein eventuell nachfolgendes Steuerstrafverfahren.[132]
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Der nachträgliche