Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
kennt und ihn bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt.[1117] Anders als die Nichtigkeitsfolge aus § 139 BGB könne die nach § 134 BGB im öffentlichen Interesse und zum Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs angeordnete Nichtigkeit allenfalls in ganz engen Grenzen durch eine Berufung auf Treu und Glauben überwunden werden,[1118] so dass etwa Mängelansprüche von vornherein nicht gegeben sind. Unerträgliche Ergebnisse ließen sich über §§ 812 ff. BGB vermeiden.[1119]
Die Vereinbarung darüber, den Arbeitslohn „schwarz“ auszuzahlen führt regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages.[1120] Nichtig ist dann nur die Schwarzlohn-Abrede, es gilt die Nettolohnfiktion des § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV.
g) Keine Restschuldbefreiung
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Steuerschulden aus einer durch strafrechtliche Verurteilung rechtskräftig festgestellten Steuerhinterziehung sind gem. § 302 Nr. 1 InsO nicht (mehr) von der Restschuldbefreiung im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens umfasst.[1121]
XI. Konkurrenzen
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Über die Frage der Konkurrenzen wird geklärt, ob eine oder mehrere Handlungen und Taten i.S.d. materiellen Strafrechts vorliegen.[1122]
1. Materielle Tateinheit und Tatmehrheit
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§§ 52 ff. StGB treffen Regelungen für die Bildung der Strafe, je nachdem, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt. Sie spielen hingegen keine Rolle für die Auslegung von Tatbestands- und Qualifikationsmerkmalen, so dass bspw. auch bei tateinheitlicher Begehung gewerbsmäßiges Handeln vorliegen kann.[1123] Da die Strafe für eine aus mehreren Teilakten bestehende tateinheitlich begangene Straftat i.S.d. § 52 StGB in der Regel niedriger ausfällt als die nach §§ 53, 54 Abs. 2 StGB für tatmehrheitlich begangene Taten geltende Obergrenze,[1124] ist unter Berücksichtigung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes[1125] im Zweifel von tateinheitlicher Begehung auszugehen.[1126] Andererseits stellt der BGH aber für die Bestimmung des großen Ausmaßes der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 auf die tateinheitlich begangene Tat ab und addiert die hinterzogenen Beträge,[1127] was für den Angeklagten wegen des erhöhten Strafrahmens nachteilig sein kann.
a) Tateinheit
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Tateinheit (Idealkonkurrenz) liegt vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt (§ 52 Abs. 1 StGB). Es wird dann nur auf eine Strafe erkannt. Die Strafe wird gem. § 52 Abs. 2 StGB nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe – d.h. den unter Berücksichtigung von Milderungen und Schärfungen höchsten Strafrahmen[1128] – androht. Dieselbe Handlung i.S.d. § 52 StGB besteht in einer Handlung im natürlichen Sinne, d.h. wenn sich ein Willensentschluss in einem Ausführungsakt erschöpft.[1129] Gleiches gilt, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das geschieht dann, wenn sich mehrere durch engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang verbundene inhaltlich und äußerlich gleichartige Einzelhandlungen bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun darstellen.[1130] Schließlich kann eine Mehrheit natürlicher Handlungen, die tatbestandlich zusammengefasst sind und sich als Verwirklichung eines einheitlichen Täterwillens darstellen, als sog. tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat im Rechtssinne bilden.[1131] So handelt bspw. einheitlich, wer nach Erlass eines ungünstigen Steuerbescheides den bereits im Rahmen der Abgabe der Erklärung begonnenen Versuch der Steuerhinterziehung durch falsche Angaben im Rechtsbehelfsverfahren mit dem Ziel der Steuerverkürzung fortsetzt, selbst wenn dies auf einem neuen Entschluss beruht. Die Verfolgung desselben unrechtmäßigen Anspruchs stelle einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang dar, da der Täter keinen neuen Willensentschluss in Bezug auf den Gegenstand der Steuerhinterziehung fasse, sondern durch die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe der AO und der Finanzgerichtsordnung nur die eingesetzten Mittel zur Erreichung desselben Zieles ändere.[1132] Nach früherer, inzwischen aufgegebener Rechtsprechung, wurden zudem mehrere Handlungen, die jede für sich den Tatbestand des § 370 erfüllen, über die Figur der fortgesetzten Handlung als eine Handlung im Rechtssinne behandelt, wenn sie als Ausschnitte eines einheitlichen Geschehens und damit als Bestandteile einer einzigen Tat angesehen wurden. Die Verjährung wurde so auf den Zeitpunkt nach Beendigung des letzten „Teilakts“ hinausgeschoben. Vorausgesetzt wurden die Verletzung desselben Rechtsguts, eine gleichartige Begehungsweise und ein einheitlicher Entschluss in Bezug auf die Gesamttat.[1133] Diese Rspr. ist sowohl allgemein im Strafrecht,[1134] als auch speziell im Steuerstrafrecht[1135] aufgegeben worden.[1136]
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Im Steuerstrafrecht sind maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff die steuerlichen Erklärungspflichten.[1137] Werden bspw. innerhalb einer Steuererklärung mehrere falsche Angaben gemacht, sind sie Teile derselben Handlung im materiellen Sinn.[1138] So stellt die Hinterziehung von USt durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat im materiell-rechtlichen Sinn dar.[1139] Auch die unterlassene Anmeldung der Lohnsteuer gem.§ 41a EStG für verschiedene Arbeitnehmer bildet für einen Anmeldezeitraum eine einheitliche Tat.[1140] Außerhalb des Festsetzungsverfahrens kann bspw. ein wahrheitswidrig begründeter Stundungs- oder Erlassantrag zu einer tateinheitlichen Verkürzung von Steuerrückständen verschiedener Steuerarten führen.[1141]
b) Tatmehrheit
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Demgegenüber liegt Tatmehrheit (Realkonkurrenz) vor, wenn jemand mehrere Straftaten begangen hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden (§ 53 Abs. 1 StGB). Es wird dann eine Gesamtstrafe nach den Vorgaben des § 54 StGB gebildet. Dazu wird die schwerste zu verhängende Einzelstrafe, die sog. Einsatzstrafe, durch zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Strafen angemessen erhöht (§ 54 Abs. 1 S. 3 StGB). Dabei sind unter anderem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihr Zusammenhang und ihre größere oder geringere Selbstständigkeit zu berücksichtigen.[1142] Die tatrichterliche Praxis orientiert sich häufig als Faustformel an einer Erhöhung der Einsatzstrafe um etwa die Hälfte der Summe der weiteren verwirklichten Strafen.[1143] Die höchstrichterliche Rspr. lehnt schematische Modelle ab und fordert eine Gesamtschau von Unrechtsgehalt und Schuldumfang.[1144] Das Höchstmaß der Gesamtstrafe ist dadurch begrenzt, dass es die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf (§ 54 Abs. 2 S. 1 StGB). Nach § 55 StGB kann eine Gesamtstrafe auch nachträglich gebildet werden, wenn nach noch nicht vollstreckter rechtskräftiger Verurteilung eine weitere Verurteilung wegen einer vor der früheren Verurteilung begangenen Tat erfolgt.
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Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbstständige Tat i.S.d. § 53 StGB zu werten. Werden Steuererklärungen abgegeben, die verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen, stehen diese somit zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Eine einheitliche Zielsetzung des Täters, ein übereinstimmender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks begründen Tateinheit ebenso wenig, wie das bloße Zusammenfallen von zwei Tatbeständen, bei denen der Täter den einen Tatbestand lediglich gelegentlich der anderen Tat verwirklicht.[1145] Die frühere Rspr.,[1146] wonach Tateinheit ausnahmsweise