Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
370 als abschließende Sonderregelung den allgemeinen Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) sowie den des Computerbetrugs (§ 263a StGB).[1175] Auch wenn der Täter den Steuerfall komplett vorspiegelt, indem er z.B. die Existenz seines Unternehmens vortäuscht, um Vorsteuererstattungen zu erhalten, begeht er eine Steuerhinterziehung und keinen Betrug.[1176] Eine tateinheitliche Begehung kommt nur dann in Betracht, wenn der Täter andere als steuerliche Vorteile durch Täuschung erlangt.[1177] Auch im Verhältnis zum Subventionsbetrug gem. § 264 StGB ist § 370 die speziellere Vorschrift. Der Schmuggel gem. § 373 bildet eine Qualifikation gegenüber der Steuerhinterziehung. Wird daher, z.B. durch die Angabe falscher Warenwerte, neben dem Zoll zugleich Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen, so kommt keine Verurteilung wegen tateinheitlicher Begehung in Betracht, sondern § 373 verdrängt den § 370 (siehe dazu § 373 Rn. 58).[1178] Demgegenüber stehen § 370 und das Nichtabführen von Sozialbeiträgen gem. § 266a StGB zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, weil der Täter mehrere, wenn auch gleichartige Handlungspflichten gegenüber verschiedenen Behörden verletzt.[1179] Wird die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 durch einen Finanzbeamten bewirkt, der seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht, ist regelmäßig auch der Tatbestand der Untreue gem. § 266 StGB erfüllt. Da mit dem Unrechtsgehalt der Steuerhinterziehung der des Tatbestandes des § 266 StGB nicht regelmäßig zugleich erfasst wird, tritt § 266 nicht hinter § 370 zurück,[1180] beide Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit.
b) Subsidiarität
444
Soll eine der einschlägigen Vorschriften aufgrund einer ausdrücklichen Regelung (Subsidiaritätsklausel) oder sonst erkennbar nur für den Fall gelten, dass kein anderes Gesetz greift, so tritt sie hinter der zugleich verwirklichten Vorschrift zurück. Das trifft z.B. für den Tatbestand der Steuergefährdung gem. § 379 zu, sofern es zu einer Steuerverkürzung und damit zur Anwendung des § 370 kommt (s. auch § 379 Rn. 127).[1181] Gleiches gilt für die Gefährdung von Abzugsteuern gem. § 380 AO (s. auch § 380 Rn. 90 ff.)[1182] und für die Steuergefährdungen der §§ 381 (s. auch § 381 Rn. 38) und 382 (s. auch § 382 Rn. 53).[1183] Zur Frage des Wiederauflebens der Gefährdungstatbestände der §§ 379–382 durch die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige s. Kommentierung zu § 379 Rn. 127, § 380 Rn. 86 f. und § 381 Rn. 36.
c) Mitbestrafte Nachtat
445
Die mitbestrafte Nachtat ist eine selbstständige, den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllende rechtswidrige und schuldhafte Handlung, durch die der Täter den Erfolg der Vortat oder die durch diese erlangte Position sichert, ausnutzt oder verwertet.[1184] Sie bleibt straflos, wenn der nachfolgenden, an sich strafbaren Handlung gegenüber der Vortat kein eigener Unwertgehalt zukommt.[1185] Das ist nach ständiger Rspr. des BGH dann der Fall, wenn die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird.[1186] Die Straflosigkeit einer Nachtat entfällt, wenn die Vortat – insb. wegen Verjährung – nicht mehr verfolgbar ist (dazu auch § 376 Rn. 11).[1187]
446
Die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens nach § 26b UStG und § 26c UStG kann im Verhältnis zu § 370 als mitbestrafte Nachtat angesehen werden, wenn es schon nicht zur Festsetzung der USt kommt und diese anschließend nicht entrichtet wird.[1188]
447
Verschweigt der Erbe oder der Beschenkte im Rahmen einer Erbschaft-/Schenkungsteuererklärung bereits früher erfolgte und verschwiegene Zuwendungen, so hat er hinsichtlich der vorausgegangenen Erwerbe bereits in der Vergangenheit Steuerhinterziehungen begangen, soweit diese den für den Bedachten geltenden Freibetrag überschritten haben. Insoweit kann er bestraft werden, wenn noch keine strafrechtliche Verjährung eingetreten ist. Die unzutreffende Angabe, Vorschenkungen hätten nicht stattgefunden, stellt nach Ansicht des BGH bezogen auf die früher unterlassene Anzeige eine mitbestrafte Nachtat dar, soweit die Vortaten nicht verjährt sind und somit noch verfolgt werden können.[1189] Abgesehen davon kann das Verschweigen der Vorschenkungen bezogen auf die aktuelle Schenkung eine Steuerhinterziehung begründen, indem Freibeträge und Steuersatz falsch berücksichtigt werden (s. zu alldem auch Rn. 126 ff.).
448
Nach aktueller Rechtsprechung des 1. Senats ist die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen mitbestrafte Vortat gegenüber der Steuerhinterziehung durch Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung desselben Jahres zu qualifizieren (s. dazu Rn. 439, 449).[1190] In der Literatur wurde demgegenüber vielfach vertreten, bei einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung handele es sich im Verhältnis zu unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen desselben Kalenderjahres um eine mitbestrafte Nachtat.[1191]
d) Mitbestrafte Vortat
449
Eine mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn im Verlauf eines deliktischen Geschehens verschiedene Angriffsobjekte beeinträchtigt werden, die konkrete Sachverhaltsgestaltung aber ergibt, dass das Schwergewicht des Unrechts nur unter dem Gesichtspunkt des nachfolgenden Delikts zu behandeln ist.[1192] Dies ist insbesondere bei Durchgangsdelikten gegeben, deren Unrechtsgehalt deshalb nicht über den der „Haupttat“ hinausgeht, weil er sich darin erschöpft, einen intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vorzubereiten.[1193] Nach neuer Rechtsprechung des BGH[1194] ist die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen im Verhältnis zur Umsatzsteuerjahreserklärung desselben Jahres mitbestrafte Vortat. Die Abgabe falscher Voranmeldungen sei regelmäßiges Durchgangsstadium, um mit einer unrichtigen Jahreserklärung eine Steuerverkürzung auf Dauer zu erreichen. Täter, die auf Dauer Umsatzsteuern hinterziehen wollen, machen regelmäßig bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen unrichtige Angaben und wiederholen diese dann in der Jahreserklärung, um keinen Steuerforderungen der Finanzverwaltung ausgesetzt zu sein. In der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung liege damit auch das Schwergewicht des Unrechts. Dem stehe nicht entgegen, dass es