Internal Investigations. Dennis Bock
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ernstlich erschüttert wird, versteht sich von selbst. Eine unbelastete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschweige denn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit dürfte in solchen Fällen kaum mehr möglich sein.
b) „Horizontale“ Auswirkungen in Gleichordnungsverhältnissen
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Auch innerhalb von Gleichordnungsverhältnissen mögen falsch (d.h. bspw. unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften) durchgeführte Internal Investigations negative Wirkungen entfalten. Dies mag vor allem für „Denunzianten“ der Fall sein, sofern sich diese im Rahmen einer Befragung im Bezug auf etwaiges Fehlverhalten von Kollegen äußern. Lomas/Kramer weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich in der Praxis Mitarbeiter einer Aussage häufig überhaupt nicht versperren und bei einer Befragung umfassend mit dem Ziel aussagen, hierdurch die Verantwortung auf andere Personen abzuwälzen.[59]
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Die Aussagebereitschaft der zu befragenden Mitarbeiter lässt sich oftmals erst durch sog. Amnestien weiter steigern.[60] Hierbei werden Zusicherungen hinsichtlich des Schutzes vor arbeitsrechtlichen Sanktionen (insbesondere Abmahnungen und Kündigungen) gemacht, ferner im Bezug auf den Schutz vor Schadensersatzansprüchen (pactum de non petendo) oder vor Strafverfolgung. Diesbezüglich steht allerdings die Einleitung eines Strafverfahrens nicht zur Disposition der Unternehmensleitung, weshalb i.d.R. lediglich die Zusage gemacht wird, von einem Strafantrag oder einer Strafanzeige abzusehen.[61] Amnestien können auch in Gestalt einer Freistellung von Rechtsverteidigungskosten oder Geldstrafen erfolgen. Schließlich besteht die Möglichkeit einer schlichten Zusicherung der Vertraulichkeit der erhaltenen Informationen.[62]
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Werden einem Mitarbeiter derartige Zusicherungen gemacht und dadurch seine Kooperations- und Aussagebereitschaft gesteigert, so belasten die mitgeteilten Informationen i.d.R. einen Kollegen. Der Aussagende dürfte häufig auch nur deswegen Kenntnisse über das Fehlverhalten haben, weil er mit dem Verdächtigen bspw. im selben Team zusammenarbeitet, eine gute kollegiale Beziehung zu ihm unterhält oder sogar darüber hinausgehend außerberufliche und freundschaftliche Kontakte zu diesem pflegt. Unternehmensinterne Ermittlungen setzen genau an diesen Vertrauensbeziehungen an und machen sie sich zu Nutze. Aus diesem Grund dürfte eine Amnestie für den aussagenden Mitarbeiter zwar die finanziellen, strafrechtlichen oder beruflichen Konsequenzen seiner Aussage reduzieren. Die Fortsetzung einer verlässlichen, vertrauensvollen und daher effizienten Zusammenarbeit in demselben Team und die Kooperation mit den in den Sachverhalt involvierten Kollegen werden allerdings i.d.R. ausscheiden.
c) Konsequenzen und Außenwirkung
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Solche Beeinträchtigungen von Vertrauensbeziehungen zwischen Mitarbeitern eines Unternehmens hemmen Effizienz sowie Produktivität und haben damit das Potential, dessen wirtschaftliche Entwicklung zu tangieren. Um das Risiko einer ernsthaften Störung des Betriebsablaufs durch die unternehmensinterne Ermittlung zu minimieren, erscheint es unerlässlich, feste Regelungen und Grenzen für solche Untersuchungen auszuloten. Je transparenter und deutlicher der Rahmen für Internal Investigations abgesteckt ist, desto eher ist gewährleistet, dass es weder in Über-unter-Ordnungsverhältnissen noch in Gleichordnungsverhältnissen zu (untragbaren) Vertrauensbrüchen kommt.
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Im Zusammenhang mit der verdeckten Ausforschung von Mitarbeitern bestehen überdies strafrechtliche Risiken bei Verletzung datenschutzrechtlicher Vorgaben.[63] Reagiert die Unternehmensleitung auf Fehlverhalten von Mitarbeitern aber ihrerseits mit einem Regel- oder Gesetzesverstoß, so wird sich die beabsichtigte positive Publizitätswirkung aber kaum erzielen lassen.[64] Im Gegenteil werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar negative Effekte für die Reputation des ermittelnden Unternehmens eintreten. Essentiell für die Durchführung von Internal Investigations bleiben daher gewisse Standards, deren Einhaltung gesichert und überwacht werden muss.
Anmerkungen
Siehe z.B. § 43a Abs. 2 BRAO sowie §§ 43, 50 WPO.
Dies gilt freilich auch für einen Datenaustausch „untereinander“, so dass jede Studie einer einzelnen Kanzlei stets und zwingend selbst einen fragmentarischen Charakter haben wird.
Genannt seien hier nur beispielhaft die Untersuchungen von KPMG Wirtschaftskriminalität in Deutschland, Fokus Mittelstand, 2010 und PricewaterhouseCoopers Wirtschaftskriminalität 2009, sowie – speziell im Bezug auf mittelständische Unternehmen – von Deloitte Compliance im Mittelstand, 2012.
Siehe dazu insbesondere Rn. 38.
Schaefer/Baumann NJW 2011, 3601.
Michels Seton Hall Law Review 2010, 84; Reeb Internal Investigations, S. 23.
Diese Aussage stützt sich auf die Selbstdarstellung ihrer Corporate Governance durch die betreffenden Unternehmen; es handelt sich im Einzelnen um: Volkswagen AG (www.volkswagenag.com/content/vwcorp/content/de/the_group/compliance/ombudsmann_system.html); BMW (https://www.bmwgroup.com/de/unternehmen/compliance.html); BASF (http://report.basf.com/2011/de/corporategovernance/corporategovernancederbasf-gruppe/compliance.html); Siemens AG (www.siemens.com/annual/11/_pdf/Siemens_GB2011_ComplianceBericht.pdf); Deutsche Telekom (vgl. Thieme Telekom ermittelt intern, FR-Online v. 10.2.2010, www.fr-online.de/1472644,3573032.html sowie Ziegler Telekom legt Bericht zu Fehlverhalten der Konzernsicherheit vor, Heise Online v. 10.2.2010, www.heise.de/-927244); Deutsche Post AG (www.dpdhl.com/de/investoren/corporate_governance/corporate_governance_bericht.html, wonach die Tätigkeit des sog. Chief Compliance Officers das „Meldewesen für potenzielle Verstöße gegen Gesetze oder Richtlinien“ einschließt); Robert Bosch GmbH (www.bosch.com/media/com/bosch_group/bosch_in_figures/publications/documents_1/Bosch_Geschaeftsbericht_2010_de.pdf mit dem Hinweis auf S. 35, dass Fehlverhalten geahndet und sanktioniert wird); Bayer AG (www.bayer.de/de/Gesetzmaessiges-und-verantwortungsbewusstes-Handeln.aspx); Stand jeweils 10.6.2016.