Compliance. Markus Böttcher
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Die Diskussion hierüber wurde durch das obiter dictum des 5. Strafsenats des BGH angefacht, der in seiner Entscheidung vom 17.7.2009 die Garantenstellung eines Compliance-Beauftragten mit entsprechender strafrechtlicher Relevanz (Unterlassen) behandelt hatte; 5 StR 394/08, in: AG 2009, S. 740.
Stellvertretend für viele: Rieder/Jerg CCZ 2010, 201 ff.; Böttcher NZG 2011, 1054 ff.; Gelhausen/Wermelt CCZ 2010, 208 ff.
Vgl. im Folgenden Forum Compliance & Integrity S. 1 und 7; Rieder/Jerg CCZ 2010, 202; Schefold ZRFC 2011, 221.
3. Kapitel Compliance-Organisation in der Praxis › B. Die Prüfung von Compliance Management-Systemen nach IDW PS 980 › VI. Rechtliche Bedeutung des IDW PS 980 für das Haftungsrecht
VI. Rechtliche Bedeutung des IDW PS 980 für das Haftungsrecht
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Der IDW PS 980 kann auf zweifache Weise für das Haftungsrecht Relevanz entfalten.
Zum einen kann der Standard von Gerichten als Auslegungshilfe für CMS-Pflichten genutzt werden. Prüfungsstandards des IDW besitzen aufgrund der fachlichen Autorität insbesondere des letztverantwortlichen Hauptfachausschusses generell eine hohe faktische Bedeutung. Da der Standard nicht nur Vorgaben zur Prüfung selbst sondern auch zum Prüfungsgegenstand macht, wird er die gerichtliche Auslegung von einem CMS zugrundeliegenden Rechtsnormen nicht verdrängen, wohl aber beeinflussen.[1] Die Regelungen in § 76 Abs. 1 AktG (Leitung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand), § 91 Abs. 2 AktG (Risikofrüherkennungssystem), § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (Business Judgement Rule), § 161 AktG in Verbindung mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) oder in § 130 OWiG (sog. Compliance-Bußgeldtatbestand) legen die erste Führungsebene des Unternehmens nicht darin fest, wie die zentrale Aufgabe der Sicherstellung eines gesetzes- und richtlinienkonformen Handelns zu gewährleisten ist.[2] Hier kann und wird der Standard herangezogen werden, um eine mögliche Lösung dieser Aufgabe zu skizzieren.
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Zum anderen kann eine Prüfung nach dem Standard „enthaftend“ wirken. Organmitgliedern drohen zivilrechtliche Konsequenzen bei schuldhafter Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten wie z.B. Schadensersatzansprüche aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG, die Abberufung aus der Organstellung sowie die Kündigung ihres Anstellungsvertrages.[3] Des Weiteren drohen dem Unternehmen Bußgeld und Gewinnabschöpfung, wenn gehörige Aufsichtsmaßnahmen zur Erschwerung oder Verhinderung von straf- oder bußgeldbewehrten Pflichtverletzungen unterlassen wurden (§§ 130, 30 OWiG). Und schließlich sei hier auf die Strafbarkeit durch Unterlassen bei Mitarbeitern mit Garantenstellung hingewiesen, die der BGH mit seinem obiter dictum 2009 betont hatte.[4] Damit eine Prüfung nach IDW PS 980 haftungsvermeidend respektive –reduzierend wirken kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
– | Damit die Geschäftsleitung die Ausübung ihrer Überwachungspflicht für das CMS überhaupt (partiell) auf den Prüfer delegieren kann, müssen die allgemeinen Sorgfaltspflichten für eine vertikale Delegation erfüllt sein:[5] – Bei der Auswahl des Prüfers ist auf dessen persönliche und fachliche Eignung zur Erfüllung der zugedachten Aufgaben zu achten (cura in eligendo). Da ein betriebswirtschaftliches Prüfungsurteil, wie es nach dem IDW PS 980 abzugeben ist,[6] in rechtlicher Hinsicht von geringem Wert ist, muss die Hinzuziehung ausreichenden juristischen Sachverstands sichergestellt sein.[7] Es empfiehlt sich, bei der Auswahl des Prüfers diesen Punkt kritisch zu hinterfragen. – Die Einweisungs- oder Übertragungssorgfalt (cura in instruendo) verpflichtet die Geschäftsleitung, das CMS und dessen Besonderheiten klar zu erläutern und auf besondere Umstände wie bekannte Schwachstellen des CMS und wesentliche Regelverstöße hinzuweisen.[8] – Die Überwachungssorgfalt (cura in custodiendo) verpflichtet die Geschäftsleitung, den Prüfer und dessen Arbeitsergebnisse durch eine Plausibilitätsprüfung zu überwachen und ggf. weitere Aufklärung zu unklaren Punkten zu verlangen.[9] |
– | Eine Enthaftung ist nur bei einer Wirksamkeitsprüfung überhaupt denkbar; eine Konzeptionsprüfung oder eine Angemessenheitsprüfung alleine sind nicht geeignet.[10] |
– | Eine Enthaftung kann nur bei einem uneingeschränkten Prüfungsurteil in Frage kommen. Sofern der Prüfer wesentliche Mängel festgestellt hat, ist das Prüfungsurteil einzuschränken oder zu versagen.[11] Sofern die Geschäftsleitung die durch den Prüfer festgestellten Mängel nicht abstellt, kann sich u.U. hieraus sogar eine Haftungsbegründung ergeben. Insofern hat sich in der Praxis die Vorgehensweise bewährt, einen sogen. „Readiness Check“ vor der eigentlichen Prüfung durchzuführen, um vor Beginn der Prüfung klar erkennbare Mängel des CMS abzustellen. Treten während der Prüfung weitere Mängel zutage, die zu einer Einschränkung/ Versagung des Prüfungsurteils führen, sollte nach Beseitigung der Mängel durch die Geschäftsleitung eine ergänzende Prüfung über die Abstellung der Mängel bzw. eine Wiederholung der Prüfung beauftragt werden. |
– | Eine Enthaftung kommt nur für den Teilbereich des CMS in Frage, der durch die Prüfung auch abgedeckt wurde. Die Frage, ob die Systemprüfung[12] der sieben Grundelemente eines CMS auch Ausstrahlungswirkungen auf nicht geprüfte Teilgebiete entwickeln kann (kann z.B. die bei einer Festlegung auf das Teilgebiet „Antikorruptionsrecht“ ohne Beanstandungen geprüfte Compliance-Kultur eines Unternehmens auch auf andere Rechtsgebiete wie etwa Kartell- und Wettbewerbsrecht ausstrahlen?) muss jedenfalls sehr zurückhaltend beurteilt werden. |
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Darüber, ob eine Prüfung des CMS nach dem IDW PS 980 im Straf- oder Bußgeldverfahren unter den vorstehend aufgeführten Voraussetzungen enthaftend wirken kann, bestehen unterschiedliche Meinungen. Von Withus/Hein wird vertreten, dass eine solche Prüfung bei der Führung des Nachweises helfen kann, dass in dem/den geprüften Teilgebiet(en) des CMS eine gehörige Aufsicht i.S.d. § 130 OWiG geführt wurde und dass ein zu beurteilender Gesetzes- oder Regelverstoß trotz und nicht wegen fehlender Aufsicht begangen werden konnte. Dann könnte das Gericht im Bußgeldverfahren u.U. ganz auf eine Sanktionierung des Verstoßes verzichten. Darüber hinaus könnte die Abstellung von in der Prüfung aufgedeckten Mängeln des CMS durch die Geschäftsleitung nach § 17 Abs. 3 OWiG und § 46 Abs. 2 Alternative 6 StGB als Vortat- oder Nachtatverhalten positiv gewürdigt werden und die Höhe der Geldbuße reduzieren helfen.[13] Noch weiter gehen Gelhausen/Wermelt, die unter den obenstehenden Bedingungen und unter der Voraussetzung, dass ein begangener Regelverstoß in dem durch die (Wirksamkeits-)Prüfung abgedeckten Zeitraum begangen wurde, einem uneingeschränkten IDW PS 980-Prüfungsurteil eine tatbestandsausschließende Wirkung zumessen.[14] Deutlich zurückhaltender ist Böttcher, der eine generelle Enthaftung durch die Befolgung des Standards auch bei