Götterfunken. Chris von Rohr

Götterfunken - Chris von Rohr


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hier 50 Seiten lang den kleinen und grossen Regulierungswahn aufführen. Es grüssen die Ritter der Kokosnuss! Oder anders gesagt: Ich sehe Zeichen von Übermut und trunkener Abgehobenheit, während ein Grossteil der Welt am Taumeln und Ächzen ist.

      Mit anderen Worten, der Staat mischt sich zunehmend dort ein, wo er nichts zu suchen hat: Wir regulieren uns zu Tode und machen keinen Schritt mehr ohne Juristen und Anweisungshandbuch. Eine Welt zum Schreien, ohne nennenswerte Liberalisierungen.

      Erstaunt es da, dass das Verwaltungswesen mehr wächst als die Privatwirtschaft? Jemand muss diesen Irrwitz ja erfinden, bearbeiten und durchsetzen. Der Personalzuwachs der letzten Jahre bei Bund, Kanton und Gemeinden bewegt sich im fünfstelligen Bereich. Auch im nächsten Jahr soll die Staatsquote weiter ansteigen. Nur wenige denken an die Folgen dieser Fehlentwicklung. Man schaue nur mal nach Frankreich. Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig wir Bürger uns darum kümmern, wie die sauer verdienten Steuergelder eigentlich eingesetzt werden. Man akzeptiert es einfach als »verlorenes« Geld, als notwendiges Übel, zu dessen Verwendung wir eh nix mehr zu melden haben. Die Puppenspieler lassen ihre Puppen tanzen und die Falschen bereichern sich schamlos.

      Ich betrachte das Treiben in Bern hie und da aus nächster Nähe. Folgendes ist mir aufgefallen: Selten hört einer dem anderen richtig zu. Eine richtige, vertiefte Debatte findet kaum statt. Fast jeder geht mit vorgefasster Meinung ans Rednerpult und liest meist parteigetreu vom Zettelchen ab. Andere verstecken sich während dieses 50-%-Jobs hinter dem Laptop, lesen Zeitung oder gucken auf ihr Handy. Als ich das zum ersten Mal sah, war ich konsterniert – was soll das? Ist das seriöse Arbeit, für die man 130 000 Franken plus fette Zusatzvergütungen pro Jahr bekommt? Und dann diese ewige Unruhe? Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn ein Privatunternehmen, ein Fussballklub oder eine Band solche respektlosen Meetings abhalten würde? Könnte dabei etwas Konstruktives herausschauen?

      Schmunzeln musste ich, als letzthin ein geschätzter Kolumnenkollege etwas überspitzt einen Berufspolitiker fragte, ob er wirklich glaube, dass es sich bei der Politik beziehungsweise der Angewohnheit, allen Geld zu versprechen, dabei aber nur Kosten zu verursachen, tatsächlich um einen ehrbaren Beruf handle, der entlöhnt werden müsse. Und ob es denn nicht reichen würde, wenn wir den Parlamentariern einfach die Reise- und Verpflegungskosten vergüten würden. Die Antwort des Parlamentariers können Sie sich vorstellen, liebe Leser. Mitwirken könnte auch mal genaues, selbstkritisches Hinschauen sein!

      Ich lese auch von Staatsstellen, die für das tägliche Kopieren von Dokumenten 7000 Franken pro Monat bekommen und von dem Führungschaos beim Bundesamt für Strassen. Die meisten Ämter können über ihre Leistungen und damit über ihr Budget frei entscheiden. Was die Arbeit tatsächlich kostet und ob für Preisgünstigkeit und Effizienz gesorgt wird, durchschaut längst niemand mehr und es wird eh meist nur die teuerste, aber längst nicht beste Variante bevorzugt. Siehe das Informatik-Insieme-Debakel, wo Insidergeschäfte, Filz und mangelnde Transparenz einen Fehleinkauf forcierten. Den Steuerzahler kostete das 102 Millionen Franken. Als wäre das nicht schon beunruhigend genug, werden parallel dazu Schulden angehäuft, als gäbe es kein Morgen. Sparen, das sollen gefälligst die anderen oder im dümmsten Fall halt die zukünftigen Generationen.

      Nein, es reicht nicht mehr, nur die Abzocker in der Wirtschaft an den Pranger zu stellen und masszuregeln. Wir müssen jene Hochmütigen in der Politik, die hart verdientes Geld arg- und schamlos abkassieren und verschleudern, genauso kritisch angehen und kontrollieren. Je schneller, desto besser, denn ihr Treiben wird zunehmend dreister und die Leistung nicht besser. Dazu schaden sie all jenen, die einen respektablen, kräftezehrenden Herzblutjob im Staatswesen machen.

      Etwas überspitzt ausgedrückt: Wenn man jedoch Menschen zu viel Geld fürs Nichtstun gibt, werden sie übermütig, verlieren Bodenhaftung, Motivation und wälzen die Verantwortung ab. Es ist eine Krankheit, gegen die eigentlich nur Fasten helfen würde, aber eben, wer hat den Mut und die Eier, das durchzusetzen? Für einen lumpigen Haufen Geld hat schon manch einer seine Seele und sogar die Familie verkauft. Wir kultivieren hier phasenweise ein falsches Anreizsystem aus dem Allesversprecher und Lügner wachsen, die logischerweise nicht mehr aus dem süssen Honigtopf wollen. Und neuerdings verbandelt sich sogar die freie Wirtschaft mit dem antiliberalen Staat, um an die Steuergelder zu kommen. Eine extrem ungesunde Entwicklung.

      »Wenn das Geld regiert und nicht mehr dient, dann sagen wir Nein! Auch zum spirituellen Alzheimer, zur mentalen Erstarrung und zum Terrorismus des Geschwätzes, der Krankheit der feigen Menschen, die nicht den Mut haben, direkt mit jemandem zu sprechen.« Das sagte kürzlich der Papst Franziskus. Ich habe selten so weise Worte von einem Kirchenoberhaupt gehört. Er scheint ein gebödeleter Mann zu sein.

      Nun, Herr Bundespräsident, der Papst und ich sind zur Mitwirkung an unserer Zukunft bereit!

      Für viele mag die Weihnachtszeit nur noch Ärger und Stress bedeuten. Die ganze Materialschlacht, Konsumwut und Rastlosigkeit haben die einstigen Sinn- und Glücksgefühle dieses Rituals fast besiegt. Man mag nun gläubig sein oder nicht, wer aber in diesen Tagen an nichts Grösseres als an sich selbst und seinen Porsche glaubt, kann auch unter vielen Menschen recht einsam und leer bleiben.

      Ich verbinde das Christkindfest immer wieder mit dem Glück, mit Eltern und Grosseltern feiern zu können, einem Glück, das es für mich nicht mehr gibt. So ist der Lauf des Lebens – nichts für empfindsame Seelen. Gerade an Weihnachten wird einem das schonungslos vor Augen geführt. Trotzdem klingt da, nebst der Freude meiner Tochter, noch etwas nach, an das ich immer wieder gerne zurückdenke – wundervolle Geschichten, als seien sie erst gestern geschehen.

      Es war in unserem Elternhaus in Solothurn am Heiligen Abend im schön geschmückten Wohnzimmer. Kurz vor dem Essen sangen wir Weihnachtslieder, die Grossmutter wie immer köstlich falsch in den hohen Lagen. Zwischendurch ging meine Mutter in die Küche, um anzurichten. Mein Hund Buzzli beobachtete, wenn’s ums Essen ging, die Szene ganz genau. Das wohlriechende Rollschinkli lag nur 20 Sekunden unbeaufsichtigt am Tischrand und schon war es im Mund des Labradors. Oma Idaso-was-war-noch-nie-da rief entsetzt: »Gib aus Buzz, gib aus!«, was er auch sofort in geduckter Haltung tat. Wir Kinder hielten uns die Bäuche vor Lachen. So war er eben der Buzz und man konnte es ihm nicht verübeln, schliesslich wollte er auch etwas Spass haben an diesem Festtag.

      Nach dem Nachtessen sassen wir alle um den Baum und bestaunten seine Schönheit, mit all den Kerzen, dem Glitter und Glimmer und den alten farbigen Kugeln, in denen sich das ganze Zimmer spiegelte.

      Dann las unser charismatischer Grossvater Hermann aus der Bibel über die Geschichte von Jesu Geburt, den Hirten und der Herde. Das war der Kern dieses Festes, die bewegte Stimme des Grossvaters und der Blick zur Krippe mit all den schönen Figuren. Die drei Heiligen Könige, Maria, Joseph und ein kleines weisses Schaf, das friedlich auf dem Schilfdach lag. Ein ganz schwaches rotes Licht brannte im Inneren der Hütte. Ein unschlagbarer Anblick, gerade in dieser Einfachheit.

      Daneben dann, unter dem Baum verstreut, die Geschenke, die so treffend den Gegensatz zwischen Erd- und Gottesreich, zwischen natürlicher und andächtiger Freude aufzeigten. Die Freude über Jesus Geburt im Stall von Bethlehem, dieses Kerzenlicht, der Duft von Zimtsternen und Lebkuchen, und dann diese drängende Unruhe im Herzen, ob nun das so lang Ersehnte auch unter den Geschenken sei. Eine wirklich skurrile Mischung.

      Unvergessen bleibt mir das Gesicht meines vier Jahre jüngeren Bruders beim Anblick seines Geschenks. Es war ein Forscherkasten mit diversen Experimentierfläschchen. Etwas, das er sich immer schon gewünscht hatte. Im Glanze des feinen Kerzenlichtes erschien sein Antlitz wunderschön. Ein selig strahlendes, vor Glück und Freude ganz und gar verzaubertes, blond gelocktes Kindergesicht, so rein und leuchtend, wie ich es nie zuvor gesehen habe.

      Während ich, ausser dem weissen Beatles Album, keines meiner Geschenke von damals noch in Erinnerung habe, blieb das Bild dieses Brudergesichtes für immer in mir haften. Später fand ich heraus warum. Es war nicht nur Schönheit, der diesem magischen Moment innewohnte, nein, es war auch ein entferntes, damals noch nicht bewusstes Erkennen, dass meine Kindheit vorbei war. Mein Bruder erlebte seine Geschenke wie ein Paradies. Mir blieb dieses unbeschwerte Glück bereits versagt. Ich konnte es zwar noch von aussen betrachten, aber die Unschuld, das Wertvollste war


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