Aktien für Dummies. Christine Bortenlänger
Zeitpunkt der Entscheidung für die Fusionierung) und verschmelzen miteinander. Das kann nur gelingen, wenn man sich von Anfang an auf Augenhöhe begegnet. Trotzdem ist es ein schwieriger Prozess, weil jedes Unternehmen seine eigene Firmenkultur mitbringt und die Unternehmen selten exakt gleich stark sind. Zu den größten und bekanntesten Fusionen in Deutschland zählt sicher das Zusammengehen von Thyssen und Krupp – lange Zeit eine Erfolgsgeschichte, in den letzten Jahren allerdings mit starkem Gegenwind.
Fusionen kann man oftmals am Firmen(doppel)namen ablesen, so ähnlich wie bei den früher einmal beliebten Doppelnamen bei Verheirateten. So ganz will keiner auf seine Historie verzichten. Denjenigen, der das Sagen hat, erkennt man meistens daran, dass sein Name zuerst erscheint: DaimlerChrysler, ThyssenKrupp, Karstadt Quelle, BayerSchering Pharma. Dass Fusionen ihre Tücken haben, beweist schon diese kurze Liste: Daimler hat sich von Chrysler wieder scheiden lassen, Karstadt Quelle ereilte die Insolvenz und Bayer gab den Namen Schering ganz auf und hat sich später mit der Monsanto-Übernahme eine Klagewelle eingekauft.
Ziele von Fusionen sind selbstverständlich die Stärkung des Unternehmens, die bessere Stellung im Gesamtmarkt, das Heben von Synergien und das dauerhafte Behaupten im globalen Wettbewerb. Das alles sollte – wenn denn alles klappt – langfristig auch dem Börsenkurs zugutekommen.
Das Aktiengesetz unterscheidet genauer zwischen einer Verschmelzung durch Neubildung, wenn beide »alten« Unternehmen untergehen (zum Beispiel die Pharmafirmen Sandoz und Ciba zu Novartis), und einer Verschmelzung durch Aufnahme, das heißt nur eines von beiden verliert seine Existenz (zum Beispiel Schering in Bayer). Auf jeden Fall geht die rechtliche Selbstständigkeit der vormaligen Gesellschaften verloren, es existiert juristisch nur noch ein Unternehmen.
Chryslers Neustart
Nachdem die Ehe DaimlerChrysler auf der Liste der gescheiterten Fusionen ganz oben steht, ist der US-Konzern inzwischen eine neue Liaison eingegangen. Er hat sich mit dem italienischen Fiat-Konzern verheiratet. Spötter hätten noch vor ein paar Jahren vom »Lahmen und Blinden, die zusammengehen« gesprochen, aber Chrysler hat sich aus der Krise herausgearbeitet. 2014 stützten die Amerikaner die Italiener und waren für die in Summe schwarzen Zahlen allein verantwortlich. Die Firmenzentrale von Fiat Chrysler Automobiles wenigstens liegt nicht in Turin und nicht in Detroit – sie soll in den Niederlanden entstehen, der steuerliche Sitz in Großbritannien. Das Steuerrecht macht's möglich. Übrigens, Fiat steht nicht für »Fehler in allen Teilen«, wie in Deutschland gerne kolportiert wird, sondern für »Fabbrica Italiana Automobili Torino«, dann wohl nicht mehr ganz zeitgemäß. Der neue Name freut alle bayerisch-schwäbischen Fußballfans, denn er lautet »FCA«!
Da bei einer Fusion aus zwei ehemals selbstständigen Unternehmen ein neues, drittes entsteht, müssen logischerweise auch neue Aktien ausgegeben werden. Die alten werden eingezogen und jeder Aktionär erhält dafür im Tausch Aktien des neuen, fusionierten Unternehmens. Nun kommt es natürlich selten vor, dass beide Unternehmen an der Börse gleich bewertet sind. Das bedeutet: Die Aktionäre des einen Unternehmens erhalten mehr Aktien der neuen Gesellschaft, die des anderen weniger. Es tauschen dann Aktionäre des Unternehmens A etwa zehn Aktien gegen eine Aktie des fusionierten Unternehmens AB, die des Unternehmens B mit einem doppelt so hohen Börsenkurs erhalten dann nur fünf Aktien von AB.
Nicht jeder gibt sich freundlich
Es geht aber nicht immer nur freundlich zu bei Fusionen. Die Wirtschaft ist eben sehr viel mehr Haifischbecken als Ponyhof. Übernahmen können auch feindlich ablaufen. Denn wer als Aktiengesellschaft an der Börse notiert ist, kann prinzipiell von jedem, der genügend Aktien einsammelt, aufgekauft werden. Und es gibt weltweit agierende Fonds und Unternehmen, die sich genau darauf spezialisiert haben. Dass solche Übernahmen nicht so einfach sind, zeigt das Tagesgeschäft. Grundsätzlich gilt: Je geringer die Börsenkapitalisierung ist, also je niedriger das aktuelle Preisschild an der Börse, desto schwieriger ist es im Ernstfall, die Eigenständigkeit zu behaupten, außer man verfügt über einen dem Unternehmen gewogenen Ankeraktionär, der die Übernahme verhindern kann, wenn er 25 Prozent der Aktien plus eine Aktie hält.
Feindliche Übernahmen (unfriendly takeover) sind für den Bieter allerdings teurer als freundlich ausgehandelte Angebote, denn die Aktionäre erwarten viel Geld, um sich darauf einzulassen. Schreckt auch das den Bieter nicht ab, sucht das in Bedrängnis geratene Unternehmen ein wenig nostalgisch nach einem Weißen Ritter. Damit ist ein befreundetes Unternehmen gemeint, das die Aktionäre mit einem noch besseren Angebot locken und damit die feindliche Offerte aushebeln soll. Manchmal gelingt das. 2006 sollte beispielsweise der Berliner Pharmakonzern Schering per feindlicher Offerte von der Darmstädter Merck KGaA übernommen werden. Als Weißer Ritter kam, nachdem er sich anfangs zierte, der Bayer Konzern angetrabt. Trotzdem verschwand Schering ganz von der Bildfläche, aber unter Bayer.
Sag zum Abschied leise Servus
Das Leben ist endlich, auch und gerade an der Börse. Aus den unterschiedlichsten Gründen verschwinden Unternehmen manchmal vom Markt, und die Finanzkrise hat ihr Übriges getan, dass auch sehr bekannte und klangvolle Namen verschwunden sind. Die Gründe sind vielfältig: Konkurs, Zerschlagung, Verkauf, Namens- und Strategiewechsel, seltener die Umwandlung in eine andere Gesellschaftsform.
In der Börsensprache nennt man den endgültigen Abschied eines Unternehmens vom Parkett Delisting. Damit wird die Börsenzulassung beendet. Ein Delisting kann aber auch nur bedeuten, dass sich ein Unternehmen von einem ganz bestimmten Börsenplatz zurückzieht. So war es um das Jahr 2000 besonders beliebt, sich auch an der New Yorker Börse NYSE listen zu lassen. Stolz läuteten damals die Vorstandschefs die berühmte Glocke im Börsensaal an der Wall Street – inzwischen haben sich fast alle deutschen Unternehmen von der Wall Street zurückgezogen, weil ihnen das Zweit-Listing in den USA zu aufwendig und zu teuer wurde. Für deutsche Papiere ist weiterhin die Frankfurter Börse ein Muss und für viele auch die anderen deutschen Börsenplätze. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Gerade HighTech-, IT- oder BioTech-Unternehmen gehen oftmals lieber in den USA an die Börse, weil dort die Investoren mehr in die Zukunft blicken als Bilanzen der Vergangenheit zu wälzen. So sind zwischen 2010 und 2020 zwölf deutsche BioTech-Unternehmen an die Börse gegangen – zehn davon in den USA und keines in Deutschland!
Geht ein Unternehmen in Konkurs, meldet Insolvenz an, haben die Aktionäre wenigstens Anspruch auf eine Beteiligung am Liquidationserlös. Viel ist das meistens aber nicht, und dem gegenüber stehen sehr viele Gläubiger, die ihren Glauben noch nicht ganz verloren haben. Und einige stehen dann doch ein Stückchen weiter vorn – oder oben, um im Bild zu bleiben – als die Aktionäre, zum Beispiel die Beschäftigten, die für ihre geleistete Arbeit entlohnt werden wollen. Auch Banken oder Lieferanten wollen Geld sehen. Erst dann sind die Aktionäre (schließlich sind sie Miteigentümer) dran. Aber nur der Reihenfolge nach, zeitlich müssen sie noch ein Jahr und einen Tag warten, es könnte schließlich noch ein weiterer Gläubiger auftauchen. Immerhin: An den Schulden wird der Aktionär nicht beteiligt.
Gestrichen – Delisting
Beim Delisting wird die Börsennotierung von Aktien gestrichen oder die Börsenzulassung beendet. Ein formaler und recht kurzer Akt an der Börse. Die Aktie verschwindet vom Kurszettel. So recht bedacht hat ausgerechnet der Gesetzgeber nicht, dass alles ein Ende haben kann, denn es findet sich im Aktiengesetz kein passender Paragraf dazu!
Seit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz von 1998 können sich die Unternehmen leichter teilweise oder ganz aus dem Kapitalmarkt zurückziehen. Das ging bisher nur mit der Zustimmung von zwei Dritteln der Stimmen auf der Hauptversammlung. Die Mehrheit der Aktionäre musste also selbst beschließen, dass ihre Aktien in Zukunft nicht mehr existieren!
In einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2013 erleichterte dieser die Durchführung eines Delistings oder Downlistings – also den Abstieg von einem stärker regulierten in ein weniger reguliertes Börsensegment.