Aktien für Dummies. Christine Bortenlänger
entscheiden. Das bedeutet, dass die Aktionäre nach einem solchen Schritt ihre Aktien nicht mehr über die Börse veräußern können. Die eigentliche Streichung erfolgt dann durch die Zulassungsstelle, also die zuständige Börse – allerdings ist in den Börsenordnungen festgelegt, dass den Anlegern genügend Zeit eingeräumt werden muss, um sich noch über die Börse von dem Papier zu trennen.
Wozu Aktiengesellschaften verpflichtet sind und was sie freiwillig tun
Wer mit seinem Unternehmen an die Börse will und von Ihnen als Anleger Geld haben möchte, der muss dafür erst einmal viel erledigen und vorweisen. Da sind gesetzliche Vorschriften, die zum Beispiel im Aktiengesetz (AktG) festgehalten sind, wie etwa das Mindestgrundkapital von 50.000 Euro. Außerdem muss ein Prospekt erstellt werden, der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, der BaFin, genehmigt werden muss. Allerdings wird von der BaFin nicht bewertet, ob das Unternehmen gut oder schlecht ist. Sondern nur, ob es alle formalen Anforderungen erfüllt, die der Gesetzgeber vorgibt.
Der Prospekt ist nicht zu verwechseln mit den bunt bebilderten Katalogen, die man aus der Tageszeitung herausschütteln muss. Vielmehr geht es darin um trockene Fakten und Zahlen, Gewinn-und-Verlust-Rechnungen, Bilanzen, Vermögens- und Sachwerte. Er muss öffentlich zugänglich gemacht werden – aber selten wird er intensiv von Privatanlegern gelesen, zu trocken und spröde sind Gestaltung und Wortwahl, für Menschen ohne BWL- oder VWL-Studium kaum verständlich.
Neben diesen gesetzlichen Vorschriften setzen die Börsen noch ihre eigenen Vorgaben obendrauf. Klar, dass ein Weltkonzern, der im Dax gelistet werden will, andere Verpflichtungen erfüllen muss als ein Mittelständler im Mittelstandssegment der Börse München oder Scale der Börse Frankfurt. Mehr dazu erfahren Sie in Kapitel 2. Hintergrund dieser Anforderungen an die Unternehmen ist der Informationsbedarf der Anleger. Denn nur wer informiert ist, kann entsprechend handeln. Damit die Aktiengesellschaften auch an der Börse bleiben dürfen, müssen sie kontinuierlich weiteren Anforderungen entsprechen. Auch diese Folgepflichten unterscheiden sich an den unterschiedlichen Börsenplätzen.
Tabelle 1.2 zeigt die wichtigsten Gesetze, die für Aktiengesellschaften gelten, und deren zentrale Inhalte im Überblick. Dies sind alles Vorschriften, die dem Anlegerschutz, also Ihnen, dienen sollen. Denn als Aktionär, der einem Unternehmen vertrauensvoll Geld zum Wirtschaften überlässt, wollen und müssen Sie ausreichend informiert werden.
Vorschriften | Wesentliche Inhalte |
---|---|
Aktiengesetz (AktG) | Aktiengesellschaft, Hauptversammlung, Rechnungslegung |
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) | Zulassungsfolgepflichten, Insiderhandel, Strafvorschriften |
Börsengesetz (BörsG) | Organisation und Tätigkeit der Börsen, Zulassungsvoraussetzungen |
Wertpapierprospektgesetz (WpPG) | Verkaufs- und Zulassungsprospekte, jährliches Dokument |
Handelsgesetzbuch (HGB) | Nationale Rechnungslegungsvorschriften, Bilanzeid, Offenlegung der Vorstandsgehälter |
Wertpapierübernahmegesetz (WpÜG) | Unternehmensübernahmen und Kontrollerwerb, Squeezeout, Gleichbehandlungsgebot |
Tabelle 1.2: Wichtige Gesetze und ihre zentralen Inhalte
Aktiengesellschaften müssen mindestens einmal jährlich ihre Bilanz sowie die Gewinn-und-Verlust-Rechnung veröffentlichen, je nach Börsensegment mehr oder weniger ausführlich. Die meisten tun das im Rahmen einer groß angelegten Bilanzpressekonferenz, in deren Anschluss dann oft noch eine Analystenkonferenz abgehalten wird. Dort verteilen sie dann auch einen – meist ziemlich üppigen – Geschäftsbericht in gedruckter Form. Nach HGB muss im jährlichen Dokument, meist eben in Form eines Geschäftsberichts, bei kleineren Gesellschaften die Bilanz und ein erläuternder Anhang und bei größeren Gesellschaften der vollständige Jahresabschluss einschließlich der Gewinn-und-Verlust-Rechnung, ein Lagebericht (mit beispielsweise auch Ausführungen zum Thema Nachhaltigkeit) und der Bericht des Aufsichtsrats sowie ein Vorschlag und Beschluss zur Gewinnverwendung sowie die Entsprechungserklärung zum Corporate Governance Kodex stehen. Abgerundet wird das Dokument durch den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers, also einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Mehr Details zu allen kommunikativen Maßnahmen, wie Sie diese Informationen finden und wie Sie sie für Ihre ganz persönliche Anlagestrategie einsetzen, lesen Sie in Kapitel 14.
Was alles wichtig ist
Da aber in der Regel und zur Freude der Unternehmen und Anleger nicht nur einmal im Jahr Neuigkeiten zu verkünden sind, muss eine AG alle tatsächlich kursrelevanten Informationen so schnell wie möglich in Form einer Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen. Was nun wiederum kursrelevant ist, ist ein weites Feld, würde Theodor Fontane sagen. Schon deshalb haben sich viele Juristen den Kopf darüber zerbrochen, wann was veröffentlicht wird, und ihre Ideen sind in zahlreiche Gesetzestexte eingeflossen, die wir für Unerschrockene in Kapitel 14 kurz aufführen.
Dem Gesetzgeber war und ist es wichtig, dass Sie als außenstehender Aktionär rechtzeitig über alles Wesentliche informiert werden. Es versteht sich von selbst, dass Unternehmen dazu neigen, positive Meldungen rasch und äußerst umfangreich zu veröffentlichen, negative Meldungen aber hinauszuzögern und so knapp wie möglich abzuhandeln. Menschlich verständlich, für Sie als Anleger aber fatal.
Jetzt können Sie sich also in der Zeitung, in Fachmedien, im Internet, auf der Webseite des Unternehmens informieren und die Ad-hoc-Mitteilungen, Presseberichte oder auch Pressemitteilungen lesen. Das Problem: Bis eine solche Mitteilung verfasst wird und ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, vergeht Zeit. Im Unternehmen selbst sind die Fakten aber schon länger bekannt, einige Personen an den Schaltstellen der Macht wissen Bescheid. Das können Vorstände, Mitglieder des Aufsichtsrats, Führungskräfte und ihre Familienangehörigen sein. Sie könnten ihren Wissensvorsprung in bare Münze umsetzen und je nach Faktenlage Aktien kaufen oder verkaufen. Der Anleger wäre der Dumme, denn er hat ja noch keine Ahnung, dass ein neues Geschäftsfeld aufgetan, ein Konkurrent übernommen oder ein Vorstand entlassen wird. Deshalb hat der Gesetzgeber ganz genaue Regeln vorgegeben, wie mit solchen Insiderinformationen umzugehen ist. Wer dagegen handelt, kann mit empfindlichen Strafen gemaßregelt werden. Insiderinformationen müssen in Ad-hoc-Mitteilungen gepackt werden, damit sie ins Outback gelangen und somit für die Gesellschaft und die Mitwirkenden ungefährlich werden.
Wichtig ist, dass Ad-hoc-Mitteilungen mit 30 Minuten Vorlauf an die Geschäftsführung der Börsen, an denen die Aktien zugelassen sind, an die Geschäftsführung der Börsen mit Derivaten auf das Papier und an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit dem inzwischen etwas altertümlichen Kommunikationsmittel Fax übermittelt werden. Warum? Weil die Börsen im Einzelfall entscheiden, ob sie die Papiere für eine gewisse Zeit vom Handel aussetzen, damit eine möglichst große Anzahl von Anlegern die Chance hat, zu reagieren. Da das Versenden von Ad-hoc-Mitteilungen meist durch professionelle Dienstleister erfolgt, ist dieser Prozess weitestgehend automatisiert. Denn nach Ablauf der halben Stunde müssen die Meldungen zum Beispiel an europaweite Medien und Finanzportale gehen und auf der eigenen Webseite eingestellt werden.
Insider