Aktien für Dummies. Christine Bortenlänger
profitieren.
Ordentlich muss sein
Auch bei Kapitalerhöhungen kann das Unternehmen unter mehreren Varianten wählen. Bei der echten oder ordentlichen Kapitalerhöhung fließt dem Unternehmen tatsächlich frisches Kapital zu, es verfügt danach über mehr Eigenkapital. Durch den höheren Eigenkapitalanteil verbessert sich die Bonität des Unternehmens. Und je höher die Bonität, desto leichter erhält es einen Kredit (Fremdkapital) und desto günstiger sind die Kredite. Einer solchen Kapitalerhöhung müssen 75 Prozent der Aktionäre auf der Hauptversammlung zustimmen. Um das Grundkapital zu erhöhen, schüttet die AG für das von der Hauptversammlung »genehmigte Kapital« neue, junge Aktien aus. Diese sind meist billiger zu haben als die bereits gehandelten Aktien, denn sie sollen ja bevorzugt unters Aktionärsvölkchen gebracht werden.
Klingt erst einmal nicht übel. Doch wenn Sie bereits Aktien einer solchen Gesellschaft besitzen, sehen Sie plötzlich alt aus: Ihre Aktien sind jetzt weniger wert – außer Sie beteiligen sich ebenfalls am Kauf der neuen Aktien. Das Grundkapital, also der gesamte Unternehmenskuchen, wird schließlich größer und Ihr Anteil bleibt nur dann gleich, wenn Sie ebenfalls kaufen. Das Verzwickte für das Unternehmen: Genau diese »Altaktionäre« müssen die Kapitalerhöhung auf der Hauptversammlung überhaupt erst genehmigen!
Es gilt also, sie zu ködern. Das geht bekanntlich am besten mit Geld – in diesem Fall mit Geld, das versprochen wird, das mit der guten Idee verdient werden soll, deretwegen man diese Kapitalerhöhung braucht. Es werden den Altaktionären einfach junge Aktien »angedient«, auch ein schönes altes Wort. Genauer gesagt erhalten die bisherigen Aktionäre ein Bezugsrecht in ihr Depot gebucht zum Erwerb der jungen Aktien. Die Anzahl der Aktien errechnet sich aus dem Verhältnis zum Grundkapital. Wenn also ein Altaktionär bisher zehn Prozent des Grundkapitals kontrollierte, erhält er auch von den jungen Aktien das Bezugsrecht über zehn Prozent. Wenn er sein Bezugsrecht ausübt, bleibt sein Anteil also konstant.
Sie können Ihr Bezugsrecht ganz einfach ausüben, indem Sie Ihrer depotführenden Bank einen Auftrag dazu erteilen. Sie können aber auch auf Ihr Bezugsrecht verzichten und es an der Börse verkaufen. Das erledigt die Bank meistens automatisch, wenn sie nichts von Ihnen hört. Der Erlös ist für Sie allerdings kein wirklicher Gewinn, sondern meist genau der Ausgleich für Ihren gesunkenen Unternehmensanteil. Denn Ihre Aktien sind ja jetzt weniger wert!
Einfach ist eine Kapitalerhöhung demnach nicht für die Unternehmen – aber wo gibt es schon einfach Geld? Zuerst müssen alle Aktionäre informiert werden – da bieten Namensaktien wieder Vorteile. Dann wollen die einen unbedingt die neuen Aktien haben, die anderen lieber ihre Bezugsrechte verkaufen. Das Aktiengesetz erlaubt jedoch bei einer Kapitalerhöhung von bis zu zehn Prozent des Grundkapitals den Ausschluss dieser Bezugsrechte. Doch auch das hat wieder einen Haken, denn die jungen Aktien müssen dann zu einem Preis in der Nähe des Börsenpreises der alten Aktien angeboten werden. Nicht einfach für die jungen Pflänzchen, sich auf dem rauen Parkett zu entfalten. Bei Ausschüttung der ersten Dividende altern die jungen Aktien rapide und werden zu alten Aktien – mit gleichen Rechten und ab diesem Zeitpunkt auch der gleichen Wertpapierkennnummer. Erfolgt dann eine neue Kapitalerhöhung, können wieder problemlos junge Aktien nachwachsen.
Jedes Wertpapier hat eine eigene Kennzeichnung, die es eindeutig von allen anderen unterscheidet. Vormals war das die Wertpapierkennnummer oder WKN, die inzwischen von der international gebräuchlichen zwölfstelligen ISIN (International Security Identification Number) abgelöst wurde, aber noch immer in Gebrauch ist, sodass meist beide Nummern parallel verwendet werden.
Da Börse aber auch viel mit Psychologie zu tun hat und sich viele denken, dass ein Unternehmen, das mit neuem Kapital weiter wachsen möchte, sicher bald auch höhere Gewinne einfahren wird, steigen bei Kapitalerhöhungen manchmal sogar die Kurse. Hier kommt es auf die »Story« an, also aus welchem Grund eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird. Da kommt bei den Anlegern selbstverständlich die Geschichte vom Wachstum in neue Märkte oder von einer neuen, bahnbrechenden Produktentwicklung wesentlich besser an als die Geschichte von der Umverteilung der Schulden. Letzteres passiert, wenn das Unternehmen mit neuem Eigenkapital Kredite tilgen will, damit das Fremdkapital wieder in halbwegs vernünftiger Relation zum Eigenkapital steht. Das kann schon mal passieren, wenn es in einem Unternehmen nicht gut läuft. In diesem Fall ist jedoch Vorsicht geboten. Klappt es mit der kommunikativen Überzeugungsarbeit und ist die Unternehmensstrategie gut, steigen die Kurse. Dann haben auch die Altaktionäre ohne Bezugsrechte etwas davon.
Leider läuft es an der Börse mal so, mal so. Eine Kapitalerhöhung kann zu Kursgewinnen führen, aber eben auch zu Kursverlusten. Problematisch sind besonders Situationen, in denen die Aktienkurse insgesamt gerade zu sinken beginnen. Dann orientieren sich Emittenten bei den jungen Aktien bei der Planung noch an älteren und damit höheren Aktienkursen und fallen auf die Nase, weil sie jetzt plötzlich viel zu teuer sind und auf zu wenig Nachfrage stoßen. Immer auf der Hut sein und sich möglichst gut informieren – das ist eine Börsenweisheit, die immer gilt.
Werden die Mittel einer Kapitalerhöhung an einen ganz bestimmten Verwendungszweck geknüpft, spricht man von einer bedingten Kapitalerhöhung. Ein solcher Zweck könnte zum Beispiel das Vorbereiten einer Fusion sein, oder die Unternehmensleitung will die Mitarbeiter durch Belegschaftsaktien in größerem Umfang am Unternehmen beteiligen. Die Auswirkungen auf den jeweiligen Aktienkurs hängen hier stark vom Einzelfall ab.
Bei einer nominellen Kapitalerhöhung fließt dem Unternehmen kein neues Kapital zu. Es findet einfach eine Umwandlung von Gewinn- und Kapitalrücklagen in Grundkapital statt. Beides sind Begriffe aus dem Rechnungswesen eines Unternehmens und werden neben dem Grundkapital in der Bilanz aufgeführt. Zur Kapitalrücklage zählen zum Beispiel das Aufgeld (Agio) zwischen dem Nennbetrag von Aktien und dem Emissionskurs. Die Gewinnrücklage speist sich aus dem Anteil am Gewinn, der nicht als Dividende ausgeschüttet wird. Gesetzlich sind hier als Sicherheitspolster fünf Prozent des Jahresüberschusses vorgeschrieben, so lange, bis eine Rücklage von insgesamt zehn Prozent des Grundkapitals erreicht wurde. Die Aktionäre bekommen dann neue, zusätzliche Aktien, ohne dass sie dafür etwas bezahlen müssten. Schön, oder nicht? Wenn Sie zum Beispiel zehn Aktien der Firma Linde haben und eine Aktie obendrauf bekommen, würde das Grundkapital um zehn Prozent aufgestockt. Weil Sie nichts für das plötzliche Aktiengeschenk bezahlen müssten, spricht man auch von Gratisaktien. Der kleine Haken dabei: Durch diese Umschichtung innerhalb der Bilanz sinkt meist der Aktienkurs, weil sich das Kapital und die Gewinne der Gesellschaft zukünftig auf mehr Aktien verteilen. Wenn es in der Welt der Aktien mathematisch genau zuginge – Gott sei Dank tut es dies aber wie in der richtigen Welt nie –, dann müsste der Kurs so weit fallen, dass Ihre elf Aktien zum Schluss so viel wert sind wie die zehn Aktien zuvor: Mehr Anleger bekommen vom gleich großen Kuchen kleinere Stücke ab.
Eine Kapitalerhöhung richtet sich – wie alles an der Börse – nach Angebot und Nachfrage. Diese werden von vielerlei Dingen bestimmt, vor allem von Erwartungen. Läuft es gut, werden viele Aktien gehandelt, so können auch problemlos junge Aktien auf den Markt gebracht und eine saftige Kapitalerhöhung durchgeführt werden. Leider brauchen Unternehmen aber oft gerade dann besonders dringend zusätzliches Kapital, wenn die Wirtschaft weniger gut läuft und trotzdem investiert werden muss, um sich zu behaupten. Dummerweise spiegeln die Börsen die schlechte Situation meist wider und zeigen sich wenig aufnahmebereit für junge Aktien.
Der angeschlagene ThyssenKrupp-Konzern verschaffte sich durch eine Kapitalerhöhung 2013 etwas Luft. Durch Kostenexplosionen für ein neues Stahlwerk in Brasilien, von dem er sich später wieder trennen musste, und die generelle Überproduktion an Stahl war der deutsche Traditionskonzern ins Schlingern geraten. So gab er für 50 Millionen Euro neue Aktien aus und sammelte