Der Güldene Baum. Hans-Joachim Rech

Der Güldene Baum - Hans-Joachim Rech


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Mann, was seid ihr heute schwierig. Womit habe ich das verdient, ich - der große Bonalibona. - Aber das ist wohl mein Schicksal, mich mit begriffsstutzigen Menschen herumzuplagen.”

      “Wir sind überhaupt nicht begriffsstutzig - wir sind die besten Schüler in unserer Klasse. So - jetzt weißt du es!”

      “Die besten Schüler seid ihr - in eurer Klasse. Na und - was ist das schon. Was ist eine Menschenklasse gegen die Hohe Schule der Zauberer und Magier - nichts - nichts - nichts!!! - So - jetzt wisst ihr es. - Ja - nun nehmt endlich das blaue Tuch weg - sonst schlaft ihr mir noch ein. Und das würde Tommy überhaupt nicht verstehen - dass Kinder bei mir einschlafen. - Na los - oh-oh, ein bisschen mehr Bewegung - wenn ich bitten darf. Schließlich erlebt ihr Bonalibona den Zauberer - live. Das ist etwas anderes als stundenlang auf die Glotze starren.”

      “Erstens starren wir nicht stundenlang auf die Glotze und zweitens könntest du ruhig etwas freundlicher sein - findest du nicht?” rief Miriam.

      “Freundlicher - habe ich freundlicher gehört. Ja - da hört sich doch alles auf. Ich - der große Bonalibona - ich - der große Zauberer - soll unfreundlich sein - und das zu Kindern? --- Lasst das ja nicht Tommy hören. Der hätte dafür überhaupt kein Verständnis. - Ich gebe ja zu, manchmal habe ich so eine Art - aber das ist ganz lieb gemeint - Hand aufs Herz. In Wirklichkeit bin ich ein ganz lieber Zauberer, viel zu lieb. Das ist mein Problem. Als Zauberer musst du ernst genommen werden, und wenn du nur lieb bist, dann lachen die Leute über einen und reißen Possen. Das kann ich mir nicht erlauben. Deshalb haue ich von Zeit zu Zeit auf den Putz - so sagt ihr Menschen doch - nicht wahr? - Also nehmt mich so wie ich bin, dann kommen wir gut miteinander aus. - Na was ist denn nun, wollt ihr mich unter meinem blauen Tuch vertrocknen lassen?”

      “Ist ja schon gut, rege dich bloß nicht auf, wir nehmen das Tuch ja weg.”

      Miriam, Luna und Max zogen fast gleichzeitig an dem blauen Tuch mit den goldenen Sternen, und im selben Augenblick standen sie mitten in der alten, schmalen Gasse mit den alten, windschiefen Häusern.

      “Wauuu - das ist ja - oh Mann, so was habe ich ja noch nie erlebt - phantastisch - das glaubt uns kein Mensch” riefen Miriam, Luna und Max.

      “Hallo Freunde - hier bin ich. Schön das ihr gekommen seid. - Gestatten, Bonalibona, seines Zeichens größter Zauberer und Magier der Filigraner Märchenwelt. Willkommen im Sternstaubdorf.”

      “Also das ist - ja - wir wissen einfach nicht, was wir sagen sollen. Mann oh Mann, ist das eine Überraschung. - Und du, du bist Bonalibona, der große Zauberer und Magier?” wollte Luna wissen.

      “Mit Verlaub meine Freunde, bei aller Bescheidenheit, ich bin es mit Leib und Seele!”

      In der kleinen alten Gasse mit den alten, windschiefen Häusern kam Miriam, Luna und Max der Zauberer Bonalibona entgegen. Auf seinem Kopf trug er einen großen Hut mit einer Feder, und um seine Schultern hatte er einen goldenen Umhang geschlungen. Aus langen weiten Ärmeln ragten die Hände heraus, deren Finger von diamantenen Ringen nur so funkelten. Um seinen Leib wand sich ein breiter Ledergürtel, in dem ein Degen befestigt war. Auf seiner Nase saß eine Brille, hinter der zwei funkelnde, fröhliche Augen blitzten.

      “Du - du bist wirklich der Zauberer?” fragten die Kinder ungläubig.

      “Natürlich bin ich der Zauberer Bonalibona, wer sollte ich sonst sein? Wer sonst außer mir könnte solche Dinge vollbringen? Habt ihr eine Ahnung wo wir euch hier befindet? - Nein - woher auch. So etwas lernt ihr in der Schule nicht mehr - das ist nicht IN - oder so? Aber davon später. Da drüben, da steht mein Haus. Wenn ich bitten darf!”

      “Was denn, in dieser Bruchbude wohnst du? Und das als Zauberer? Ist ja kaum zu glauben!” staunte Luna.

      “Ach Max - ihr Menschen macht immer die gleichen Fehler. Ihr beurteilt das was ihr seht nach dem Schein und nicht nach seinem wahren Wert. - Warum falle ich auch immer wieder auf Kinder rein? - Sie sind nicht anders als ihre Eltern, kurzsichtig, überheblich und herablassend.”

      “Sind wir nicht, sind wir nicht - bäh,” riefen die Kinder.

      ”So - und nun zeig uns dein Haus, wir wollen endlich wissen wie du wohnst. - Und noch was - wieso siehst du aus wie ein Fuchs?” fragte Max

      “Wie ein Fuchs - ich sehe aus wie ein Fuchs? Ja - ja - ja das hat mir noch niemand gesagt. Das ist doch...”

      “Rege dich bloß nicht schon wieder auf, wir mögen Füchse, weil sie schlau sind und sehr viele Tricks kennen. Außerdem siehst du sehr gut aus in deiner Kleidung” rief Miriam.

      “Ach - wirklich - ich sehe gut aus? - Natürlich sehe ich gut aus, was habt ihr denn gedacht. Füchse haben Eleganz, Flair und diese natürliche Erhabenheit, die nur uns zu eigen ist. - Aber das mit den Tricks, das vergesst ganz schnell. Ich übe keine Tricks aus, sondern beste Zauberei. Ich habe Prüfungen abgelegt vor den höchsten Herren - und immer bestanden. - So - und nun tretet ein in mein bescheidenes Zuhause.”

      Knarrend öffnete sich in dem alten windschiefen Haus die eichene Tür, vor dessen Eingang die Spinnweben im Dutzend herunter hingen.

      “Entschuldigt, aber meine Haushilfe hat einen längeren Urlaub genommen. Die Gute steht seit dreihundertfünfundsiebzig Jahren in meinen Diensten. Da sind ein paar freie Tage durchaus gerecht."

      "Hier und da ein wenig Staub gewischt, ein Fenster geöffnet, ein paar Blumen, und schon sieht die Welt wieder ganz anders aus. - Nehmt Platz meine Freunde, setzt euch und schließt für einen Augenblick die Augen. - So ist es recht. Aber nicht schummeln.”

      Bonalibona holte aus seinem goldenen Mantel einen silbernen Stab heraus, zog ihn sachte dreimal durch die Luft und rief dann laut

      “Salamanka - balanka - Karamanka”

      Im gleichen Augenblick wurde aus dem alten windschiefen Haus mit den verstaubten Möbeln und schmutzigen Fenstern ein stattliches Anwesen, in dem es nur so blitzte und funkelte. An einem großen Tisch saßen Miriam, Luna und Max gemeinsam mit dem großen Zauberer Bonalibona, der wie ein König auf seinem Sessel thronte und sich über die Gesellschaft der Kinder freute.

      “Wauuu - das ist ein Ding, so was habe ich ja noch nie gesehen. Das ist ja richtige Zauberei. Wie machst du das nur - komm - erzähle uns wie du Zaubern gelernt hast!”

      baten die Freunde Miriam, Luna und Max den Zauberer Bonalibona.

      “Hm - ihr wollt von mir wissen, wie ich zaubern gelernt habe? - Ich glaube, diesen Wunsch kann ich euch nicht erfüllen, denn das ist eines der geheimsten Geheimnisse aller Zauberer. Wer das preisgibt, verliert all seine Zauberkräfte und bleibt zeitlebens ein Ausgestoßener. Aber ich kann euch eine Geschichte oder zwei oder drei erzählen, und wenn ihr genau acht gebt, dann könnt ihr euch vielleicht vorstellen, wie zaubern geht. - Das ist alles, was ich euch dazu anbieten kann."

      "Aber jetzt greift zu meine Freunde, esst und trinkt und lasst es euch gut gehen. Auf unsere Freundschaft. Möge sie für immer bestehen und niemals in Vergessenheit geraten.”

      Die Freunde aßen und tranken, und als sie keinen Bissen und keinen Schluck mehr herunter bekamen, stand Bonalibona auf und nahm neben dem Kamin in einem großen Sessel Platz.

      “Nach solch einem Festmahl rauche ich immer die Pfeife. Dann fallen mir ständig neue Geschichten ein, die ich meinen Freunden in unserer Gasse erzähle. Bald wird es Abend, dann werden die Laternen entzündet und aus den Häusern ertönt leise Musik oder der Gesang der Kinder, die ein Schlaflied singen. Kommt zu mir, ich will euch eine Geschichte erzählen, die Geschichte dieser Gasse und der alten Häuser. Ihr sollt erfahren, wie alles angefangen hat, damals, vor vielen hundert Jahren, als undurchdringlicher Urwald das Land bedeckte und die Sonne nur selten bis auf den Waldboden fiel. Hier an diesem Ort, wo heute die Häuser stehen, erhoben sich einst die Könige des Waldes, riesige Eichen, die mit ihren Kronen den Himmel berührten. Durch die Wälder streiften gewaltige Tiere, und in den Höhlen und Schluchten hausten furchterregende Drachen. - Ja - ja, so war das damals!”

      Miriam, Luna und Max rückten ganz dicht zusammen und lauschten den Worten des großen Zauberers Bonalibona,


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