Der Güldene Baum. Hans-Joachim Rech

Der Güldene Baum - Hans-Joachim Rech


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qualmt wie der Schornstein einer Lokomotive.

      "Wer brüllt denn hier so laut, dass einem die Ohren zerspringen? Wer seid ihr? Doch keine Strolche und Wegelagerer, die einen armen Einsiedler bestehlen wollen? Entschuldigt, aber ich habe meine Brille irgendwo im Garten verloren. Wenn ihr so gut sein wollt und danach sucht. Dann kann ich euch besser sehen" sprach Bonalibona zu den Freunden.

      "Wir sind es doch, Miriam, Luna, Max und Tommy. Deine Freunde aus der alten Zeit" lachte Tommy herzlich.

      "Warum sagst du das nicht gleich. Und taub bin ich auch nicht, dass du so herum schreist. Wo habe ich nur meine Brille verloren, es ist aber auch..."

      "Du hast sie doch auf dem Kopf, lieber Bonalibona, hoch geschoben über die Stirn" ruft Luna lachend.

      "Was - wie - wo - ach du liebe Zeit, es ist aber auch ein Kreuz mit dem Alter. Unsereins wird immer tatteriger, es ist zum auswachsen. Bald muss ich meine Zaubersprüche aufschreiben, um sie nicht zu vergessen. Denn ein Zauberer, der nicht mehr weiß wie er zaubern kann, der taugt nichts und wird ausgelacht. - Na - dann kommt doch herein, ihr wisst ja den Weg."

      Tommy, Luna, Max und Miriam gehen durch den Garten zur Haustür, die sich knarrend und quietschend ganz von alleine öffnet. Kaum haben sie das Haus betreten, als aus dem alten windschiefen Haus, mit den alten verstaubten Möbeln ein prachtvolles Schloss mit einem wunderschönen großen Park wird.

      "Er ist immer noch der alte" flüstert Max,

      "von wegen ich bin vergesslich geworden. Er ist der beste Zauberer den es gibt, und er wird von Jahr zu Jahr besser, ganz bestimmt."

      "Nehmt Platz meine Freunde, entschuldigt mein Aussehen, aber die Gartenarbeit ist meinem Zauberermantel nicht zuträglich. Es ist ein empfindliches und vor allem sehr wertvolles altes Erbstück. Ihr müsst wissen, dass dieser Mantel einst vom Hofzauberer des großen Königs Endloswald getragen wurde. Und dieser Hofzauberer ist mein Ur-Ur-Ur-Ur - - jedenfalls einer meiner ganz alten Vorfahren, der längst in die ewige Welt der Zauberer eingetreten ist. Und jetzt trage ich diesen Mantel, aber irgendwann werde ich ihn weitergeben müssen, wenn meine Zeit auf dieser Welt zu Ende geht. Das ist der...."

      "Du wirst doch nicht sterben?" fragt Luna angstvoll.

      "Nein - nicht so wie ihr Menschen das euch vorstellt. Das ist alles ganz anders, und bei mir dauert es auch noch eine ganze Weile - hoffe ich jedenfalls. Na ja - ich suche halt einen würdigen Nachfolger, schließlich möchte ich auch einmal meinen verdienten Zaubererruhestand genießen. Das ist doch in Ordnung - nicht wahr?"

      "Na klar doch, dann hast du ja viel Zeit für uns und kannst Geschichten erzählen von damals, wie alles anfing. Woher du gekommen bist und wie Filigrania entstanden ist? Das würde uns ganz toll interessieren" rief Max laut, "und jetzt sind wir auch beruhigt, dass du uns noch nicht verlassen musst. Einen so guten Freund wie dich zu verlieren, das wäre wirklich ganz schlimm! - Und dann möchten wir uns noch bei dir entschuldigen, weil wir bei unserem ersten Besuch - na ja, wir haben halt an dir herumgemäkelt, und das tut uns leid, und wir werden das nie mehr tun. Großes Ehrenwort."

      "Tatsächlich - ich meine - ihr mögt mich wirklich so sehr, dass - na ja, wenn das so ist, dann werde ich wohl doch noch nicht auf mein Zaubereraltenteil gehen können. - Ach - entschuldigt meine Unaufmerksamkeit, ich vergaß den Begrüßungstrunk - und - auch ich möchte euch um Verzeihung bitten, wegen meiner ungehobelten Manieren. Auch mir tut es leid, und es wird bestimmt nicht wieder vorkommen. Großes Zaubererehrenwort."

      Bonalibona schnippte nur kurz mit dem Finger, und schon standen Krüge und Gläser voll mit Saft und köstlichen Limonaden auf dem Tisch. Und noch einmal "schnapp" , und die Tischplatte bog sich unter dem Gewicht von Obst, Eis und leckerem Kuchen.

      "Ich bin schließlich Bonalibona, der große Zauberer und weiß, was ich meinen Freunden und Gästen schuldig bin. - Sicher möchtet ihr nun wissen, was ein Zauberer in seinem Garten treibt und warum er wie ein Kaninchen durch das Gesträuch huscht. Ich sehe es an euren Nasenspitzen an."

      "Ja - Bonalibona, das würde uns sehr interessieren. Mit Schaufel und Schere warst du in deinem Garten unterwegs. Warum?" flüsterte Luna.

      Bonalibona lehnte sich in seinen Sessel zurück, zog an seiner Pfeife, und blies den würzigen Rauch genüsslich in die Luft.

      "Nun meine Freunde, es gibt Dinge auf dieser Welt, da muss auch ein Zauberer auf altbewährte Mittel zurückgreifen - auf Schaufel und Schere. Ihr habt doch sicher schon von der Zauberwurzel Alraune gehört - nicht wahr? Schaut her - so sieht sie aus - wie ein Mensch."

      Ruck-zuck hielt der Zauberer eine Wurzel in der Hand, die tatsächlich die Gestalt eines Menschen besaß.

      "Ohh - ist die schön" staunten Miriam, Luna, Max und Tommy wie aus einem Mund.

      "Warum sieht sie denn aus wie ein Mensch?" fragte Luna zögernd,

      "ist das vielleicht ein ver...."

      "Ach liebe Freunde, das ist eine traurige Geschichte, die vor langer, langer Zeit begann, und ihre düsteren Schatten bis in diese Zeit wirft. Ich habt mich gebeten sie zu erzählen, dann werde ich euch von diesem Geheimnis berichten. - Nehmt Platz und seid bereit für das Geheimnis des Zauberers Bonalibona, der euch Menschenkindern nun die Geschichte der Zauberwurzel Alraune erzählen wird. Ihr werdet alles hören und wieder vergessen, und doch werdet ihr euch später an alles erinnern und euren Kindern davon berichten, wenn der große Bonalibona längst in die ewige Welt aller Zauberer eingetreten ist."

      Luna, Miriam und Max rückten ganz dicht zusammen, und Tommy setzte sich neben die Kinder auf den dicken Teppich. Es war mucksmäuschenstill im großen Empfangszimmer des großen Zauberers Bonalibona. Nur der metallische Taktschlag der mächtigen Standuhr erfüllte mit silbernem Klingen die atemlose Ruhe dieses Augenblicks und erinnerte die Kinder daran, dass die Zeit auf ihrer Reise durch die Ewigkeit für einen winzigen Augenblick bei ihnen verweilte, um dann ihren weiten Weg in die Unendlichkeit fortzusetzen. Bonalibona schloss die Augen und lehnte sich in den großen Sessel zurück, der gleich neben dem Fenster am Kamin stand. Von dort konnte der Zauberer alles überblicken, seinen Garten, den Park, die alten Gassen und Häuser von Filigrania, die Stadt, das Land, die Flüsse und Seen, die Meere und Ozeane, den Himmel, die Sterne - und das Schicksal der Menschen, das auf einem riesigen Baum an Zweigen und Ästen heranwuchs, um irgendwann zu reifen und sich zu erfüllen.

      "Es ist das Verhängnis des Menschen, dass er vergisst" sprach Bonalibona mit ruhiger, ernster Stimme, "so wie er seine besten Freunde, die Erdmännchen vergaß und sich aufmachte die Welt zu beherrschen."

      Bonalibona schwieg einen Augenblick, nahm einen Zug aus seiner Pfeife und blies den würzigen Rauch in den Raum hinein.

      "Trinkt meine Freunde, greift zu - oder solltet ihr weder Durst noch Hunger haben? Lasst euch von meinen Geschichten nicht davon abhalten zu schmausen. Essen und trinken gehört mit zu den schönsten Geschenken, die das Leben für uns bereit hält. Was wären wir nur ohne gutes Essen und Trinken? - Bohnenstangen, dürre, unansehnliche Figuren, die mit klappernden Knochen durch die Welt staken würden. - Nein meine Freunde, es geht nichts über ein herzhaftes Mal. Danach sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. - Wo war ich noch - ach ja - die Erdmännchen. - Es ist eine traurige Geschichte, was den Erdmännchen geschehen ist. Hier - die Alraune, sie ist die Zauberwurzel und in ihrer Gestalt einem Menschen ähnlich. Das ist kein Zufall. Lange vor meiner Zeit waren die Erdmännchen über die ganze Welt verteilt. Überall gab es sie, und wo Erdmännchen Zuhause waren, da herrschte Frieden, Gesundheit und es gab alle Tage genug zu essen und zu trinken."

      Bonalibona hielt einen Augenblick inne und sagte kein einziges Wort. Seine Augen blickten tief in die Herzen der Kinder, die seine Freunde waren - und in Tommys Seele, die wie ein großes Buch offen vor ihm lag.

      "Aber dann..."

      "Was war dann?" flüsterte Miriam ängstlich.

      "Ja Bonalibona - was geschah dann?" fragten die anderen leise.

      Der große Zauberer nahm einen Zug aus seiner Pfeife und blies den Rauch langsam in die Luft. Er rückte seine Brille zurecht, faltete die Hände zusammen und blickte mit ernstem Gesicht zu den Kindern


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