Geh's noch Gott?. Paulus Terwitte

Geh's noch Gott? - Paulus Terwitte


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ich mich wohlfühle, in der ich mich hingeben kann, die sich auch so entwickelt, dass ich mitgehen kann. Außerdem habe ich Kinder. In meinem privaten Umfeld bin ich erfolgreich, denn es klappt gut im Gespräch mit meiner Frau, wir können Konflikte durchstehen, die Kinder kann ich gut begleiten, sie haben Vertrauen zu mir – das ist für mich Erfolg.“

      Und es gibt auch noch Menschen, die sagen: „Erfolg habe ich dann, wenn ich mit meinen Freunden zusammen bin, wenn Kameraden da sind, wenn Menschen da sind, auf die ich mich verlassen kann. Wenn mir das gelungen ist, ist das für mich auch schon Erfolg.“

      Es gibt bei dem Wort „Erfolg“ sehr unterschiedliche Kategorien: die berufliche, finanzielle, private, familiäre Kategorie und das Freundesumfeld – überall da kann ich erfolgreich sein. Menschen fragen dann: „Und wie werde ich so erfolgreich? Wie schaffe ich das dann?“ Hier erlebe ich, dass viele Menschen sich verrennen und sich daraus einen großen Stress ins Leben holen. Menschen verbinden mit dem Wort „erfolgreich“ meistens das Wort „Stress“ und oft auch noch den Satz: „Ich muss mir etwas antrainieren, was ich eigentlich gar nicht so kann und habe, damit ich endlich erfolgreich bin.“ Oder sie meinen, noch zu einem Seminar gehen oder irgendwas lesen oder beten oder anhören zu müssen. Sie haben den Eindruck, sie müssten in ihrem Leben etwas machen, was sie eigentlich vielleicht nicht täten. Es gibt Menschen, die dadurch unter einem regelrechten Erfolgsstress leiden, weil sie Leib und Seele nicht mehr zusammenbringen. Die tun dann Sachen, die gar nicht mehr zu ihnen passen. Ich sehe Leute in einem viel zu engen Jogginganzug durch den Park joggen – eine Karikatur ihrer selbst. Oder ich sehe Menschen, die in irgendwelchen Ausstellungen und Museen stehen, weil sie gehört haben, man muss ins Museum gehen, um mitreden zu können. Da stehen sie dann vor einem Bild wie der Ochs vorm Berg. Oder sie begeben sich auf Wanderschaft in Wanderklamotten, die sie sich im Katalog ausgesucht haben, aber irgendwie merken sie: Das passt gar nicht zu ihnen. Das gibt’s auch im Urlaub. Ich könnte mich totlachen, wenn Leute „ganz erfolgreich“ Urlaub machen wollen und dann einen Urlaubstag nach dem anderen abarbeiten und dabei ein Gesicht machen, als wäre sieben Tage Regenwetter.

      Erfolg ist etwas, was den Menschen dann anfängt zu stressen, wenn es zu einer Außenbestimmung wird. Wenn mir Ziele vorgegeben werden, von denen ich denke, dass ich sie erreichen muss: Ich muss jetzt im Urlaub so glücklich werden wie das in den Prospekten steht! Oder: Ich muss jetzt so viel auf der hohen Kante haben wie das die Lebensplaner vorsehen! Oder: Ich muss die Zensuren haben, von denen sich Menschen ausgedacht haben, dass man sie haben muss! Ich muss so dick, so dünn, so klein, so groß, so ich-weiß-nicht-was-alles sein, um einer Norm zu entsprechen. Der Tod aller Lebendigkeit ist ein Erfolg, den man haben will, weil einem andere Menschen das vor Augen gestellt haben.

      Darum ist für mich Erfolg nicht das, was ich mir erarbeitet und wo ich mich angestrengt habe, wo ich mich sozusagen verbogen habe, sondern wo es mir gelungen ist, den Pfad des Lebens zu finden, auf dem ich mich entfalten kann – und das mit ganzer Hingabe. Erfolg hat für mich vor allen Dingen mit Hingabe zu tun. Mit der Bereitschaft, etwas mit ganzem Herzen, mit ganzer Kraft, mit ganzem Verstand zu tun. Vielleicht kommt dir das irgendwoher bekannt vor – es ist aus der Bibel. Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand. Und das hat für mich mit Erfolg zu tun. Erfolg bedeutet, mich mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Verstand wirklich an eine Sache geben zu können, die dann zu einem Ergebnis führen kann. Klar, es ist auch schön, wenn man damit was verdienen kann, wenn man damit Freunde gewinnen kann, wenn die Familie zufrieden ist. Schön, wenn das alles auch geschieht. Aber letztlich ist der Maßstab, dass ich etwas mit Erfolg gemacht habe, dann doch nicht der Applaus der anderen, sondern die Übereinstimmung des Ergebnisses mit meiner Seele. Dann bin ich erfolgreich.

      Ein bisschen spitz gesagt: Der wirklich erfolgreiche Mensch kann ganz gut auch einsam sein mit seinem Erfolg und sich still vergnügt hinsetzen und sagen: Ich hab’s geschafft! Wenn andere das gut finden – super! Wenn andere mich auch noch dafür bezahlen – super! Wenn meine Freunde mit mir einverstanden sind – toll! Aber der wirkliche Erfolg ist doch der, dass ich etwas durchgestanden habe, weil ich gemerkt habe: Ich muss das jetzt einfach durchhalten. Nicht, weil ein anderer das sagt, sondern weil ich damit in Treue zu mir selber war, in Treue zu meinen Aufgaben, in Treue auch zu meinem Dienen-Wollen für andere.

      Mir begegnen in der Seelsorge Menschen, die wirklich tolle Sachen getan haben! Ich erinnere mich, dass ich einmal als Seelsorger in eine Familie gerufen wurde, weil der Sohn mit einundfünfzig Jahren verstorben war. Die Eltern, jetzt achtzig und zweiundachtzig, hatten ihn achtundzwanzig Jahre lang bei seiner Multiplen-Sklerose-Krankheit begleitet. Im Haus und im Garten hatten sie alles für ihn umgebaut, von morgens bis abends alles für ihn getan, ihm Essen gereicht. Nachts hatte die Mutter immer in seinem Zimmer geschlafen, weil er oft Atemprobleme hatte. Und das die ganze Zeit. Die Mutter erzählte mir, dass sie einen Oberschenkelhalsbruch hatte und nach einer Woche nicht in die Reha ging, sondern nach Hause, um wieder bei ihrem Sohn zu sein. Und sie wirkte derart zufrieden dabei – auch als wir dann um den Leichnam dieses Menschen saßen, dass ich gemerkt habe: Das sind wirklich erfolgreiche Eltern. Die können den ganzen Tag sagen: Wir sind mit unserem Gewissen im Reinen, wir haben nie Urlaub gemacht, wir sind nirgendwohin gefahren, wir waren immer nur hier, und uns fehlt gar nichts!

      Zusammenfassend würde ich sagen: Ein erfolgreicher Mensch ist im Grunde jemand, der mit sich im Reinen ist, der zufrieden ist und der sich in dieser Zufriedenheit sagen kann: Ich habe das Menschlichste getan, was Menschen tun können, nämlich in Verbundenheit mit anderen Menschen gelebt. In Verbundenheit mit der Schöpfung. In Verbundenheit – ich sag jetzt mal – mit Gott. Und wenn du nicht an Gott glauben kannst: in Verbundenheit mit dem, was uns alle umgibt. Und in dieser Verbundenheit habe ich mich ganz eingebracht. Ich fühle mich sozusagen als einer, der eingebunden ist in der Vielheit. Von daher ist für mich Erfolg nicht, dass ich mich rauskatapultiere in einer Art Hitparade im Sinne von: „Ich krieg jetzt den Nobelpreis für Nächstenliebe“ oder „Ich krieg jetzt eine Auszeichnung, dass ich der absolute Hyper-Mönch bin“ oder „Ich habe jetzt die allermeisten Follower“. Schön, wenn es das auch alles gibt. Aber der schönste Erfolg ist doch der, dass ich mir sagen kann: Ich habe getan, was ich tun musste. Ich habe vollbracht, was mir aufgetragen ist. Ich habe einfach und schlicht meinen Dienst getan. Das ist vielleicht ein schweres Wort und schon gar nicht vereinbar mit dem Wort „Erfolg“, aber eigentlich ist es genau das: Der erfolgreichste Mensch ist einer, der seinen Mitmenschen gedient hat und der in diesem Dienst an den anderen ein Einverständnis hat mit sich selber und den anderen – mit einem Wort: Der Erfolgreiche ist der zufriedene Mensch.

      Ein erfolgreicher Mensch ist jemand, der mit sich im Reinen ist, der zufrieden ist und der sich in dieser Zufriedenheit sagen kann: Ich habe das Menschlichste getan, was Menschen tun können, nämlich in Verbundenheit mit anderen Menschen, mit der Schöpfung, mit Gott gelebt.

      Wird unser Leben vom Schicksal bestimmt?

      Mein Leben – ja, das hat natürlich ein Schicksal. Was heißt Schicksal eigentlich? Da steckt das Wort „Geschick“ drin. Das ist mir geschickt worden – das ist ein Passiv. Und das ist wohl die Erfahrung von jedem Menschen, dass wir uns nicht aussuchen können, wie wir leben. Ich habe mir nicht ausgesucht, Deutscher zu werden, ich habe mir nicht ausgesucht, 1,91 Meter groß zu werden, ich habe mir nicht ausgesucht, eine weiße Hautfarbe zu haben, ich habe mir das alles nicht ausgesucht. Ja, das ist Schicksal. Und insofern sind wir tatsächlich unserem Schicksal ausgeliefert.

      „Ausgeliefert“ ist auch schon wieder so ein Wort! Ich weiß, das tut irgendwie weh, aber ich bin schon dafür, dass wir die Wahrheit und die Wirklichkeit des Lebens anschauen: Ich bin meinem Leben ausgeliefert. Ich habe mir zum Beispiel nicht ausgesucht, welche Lehrer und welche Lehrerinnen ich habe, welches Buch mir empfohlen wurde. Ich habe mir auch nicht ausgesucht, welcher Kinofilm mich so angesprochen hat, dass er mir einen richtigen Impuls gegeben hat.

      Es gibt drei, vier Situationen in meinem Leben, die echt Weichenstellungen waren. Wenn ich dran denke, dass ich als Siebzehnjähriger in der Landvolkshochschule in Freckenhorst sitze und ein Priester einer ganzen Gruppe von Jugendlichen – ich war auch dabei – erklärt, was die Taufe bedeutet, und in mir das wie eine Bombe einschlägt (in den anderen neunzehn ist es wohl nicht eingeschlagen) und ich dann spüre: „Wow! Taufe!


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