Erkenne dein wahres Selbst und lebe dein lichtvolles Potential!. Hermine Merkl
dass ich Schwierigkeiten hatte, mein ursprünglich erlerntes Bild von Gott zu revidieren. Zwar habe ich es immer wieder versucht, doch es sollte mir nicht wirklich gelingen. Viel zu sehr hatte sich in mir bereits der Gedanke festgesetzt, dass Gott für uns Menschen unnahbar ist, dass er mit uns genauso hadert und schimpft, wie es die Geistlichen als die sogenannten Vertreter Gottes hier auf Erden tun, und dass er uns einst richten wird.
Ich war so eingeschüchtert von diesen ganzen Worten, dass ich davon überzeugt war, dass der Mensch schlecht ist und im Verlauf seines Lebens im „Büßergewand“ sein Dasein fristen muss, um sich bei Gott auf diese Art den Nachlass seiner Sünden zu verdienen. Tatsächlich war ich so naiv zu glauben, dass ihre Worte die Wahrheit sind. Zu sehr hatten sich mir diese Botschaften bereits in jede Zelle meines Körpers und Geistes eingebrannt. Doch statt selbst nach dem wahren Gott zu suchen, übernahm ich – brav wie ich war – die Bilder der Erwachsenen, mit denen ich aufgewachsen war. Diese Art zu denken war aber alles andere als gesund für mich. Zudem war mir nicht klar, dass ich mich aufgrund dieser pessimistischen Sichtweise auf Gott so schwertat, in Gott überhaupt einen liebenden Gott zu sehen. Einen Gott, der es gut mit uns meint. Versuchte ich dann noch in der Bibel zu lesen (Altes Testament), stolperte ich über noch mehr Geschichten, die mir Gott als den zürnenden Gott zeigten, aber leider nicht als den liebenden. Warum ist das so?
Aufgrund all dieser Erlebnisse und Erfahrungen begann ich immer mehr daran zu zweifeln, ob es diesen wohlwollenden Gott denn überhaupt gibt, denn auch angesichts so mancher Ungerechtigkeit, die ich sowohl in meiner kleinen als auch in der großen Welt wahrnahm, bestätigte sich mir vielmehr der Glaube, dass Gott tatsächlich eines Tages den Richtspruch über seine Kinder verhängen wird, die gegen ihn und seine Gebote verstoßen und gesündigt haben. Was in meiner Phantasie sehr stark lebte und mich unwahrscheinlich ängstigte, waren die Bilder vom Höllensturz und dem Jüngsten Gericht.
Ich kann mich noch gut an ein Buch über Heilige erinnern, das ich zusammen mit meinem Bruder öfter angeschaut hatte. Neben den Geschichten über die Heiligen selbst gab es ein paar Bilder, die einen solchen Höllen-Sturz der Menschen zeigten. Bilder, die uns einerseits fesselten, uns andererseits aber auch eine extreme Angst einflößten, weil wir nicht wussten, ob es diesen Gerichtstag Gottes jemals geben wird und wann dieser sein wird.
Wundert es da, wenn Menschen, die sensibel sind und die Ungerechtigkeiten der Welt extrem stark empfinden und sich noch dazu die Thematik um den Höllensturz des Menschen sehr stark zu Herzen nehmen, die Existenz eines liebenden Gottes in Frage stellen, weil sie in all dem, was sie sehen und erleben, keinen liebenden Gott erkennen können? Wer fängt diese Menschen auf? Wer zeigt ihnen die Wahrheit. Die richtige Wahrheit, damit sie auch wirklich die richtigen Bilder über Gott in ihren Herzen tragen können?
Nimmt im Leben dieser Menschen dann noch das Schicksal mit Krise, Krankheit etc. seinen Lauf und konfrontiert sie mit den verschiedensten Herausforderungen, ist es oftmals nicht mehr verwunderlich, wenn sie von ihrem Glauben her mehr abfallen, anstatt sich auf diesen zu besinnen. Wie soll man denn überhaupt eine gute Beziehung zu Gott aufbauen, wenn der Grundstein für eine positive und damit auch gesunde Beziehung zu ihm nicht von Anfang an gelegt wird?
Als Jugendliche haben mich die ganzen Erlebnisse sehr beschäftigt, doch wusste ich nicht, wem ich mich diesbezüglich anvertrauen sollte, weil meine Art, die Dinge wahrzunehmen, eine ganz andere war, als ich sie in meinem Umfeld beobachten konnte. Zwar hatte ich viele Fragen, doch stellte ich sie nicht, weil ich Angst vor den Reaktionen derer hatte, die so gottesfürchtig lebten und für die scheinbar alles so normal war. Folglich dachte ich, dass der Fehler bei mir liegen muss und ich ein schlechter Mensch bin, weil ich so denke, obwohl ich in einem sehr christlichen Haushalt aufgewachsen bin. Auch der Religionsunterricht half mir nicht weiter, einen besseren Zugang zu Gott zu finden und mein Gottesbild zu klären. Noch heute frage ich mich: Warum werden Kinder mit Angst erzogen. Warum wurde ihnen von Seiten der Kirche das Bild eines strafenden Gottes anerzogen? Warum wurde es in der Bibel versäumt, den Menschen mehr über den liebenden Gott zu erzählen als über den Gott, der angeblich Opfergaben verlangt, etc. – Fragen über Fragen. Wie geht es Ihnen damit?
Mit 14/15/16 Jahren hatte ich so viele Fragen im Hinblick auf den Sinn meines Lebens im Kopf, dass mich diese ganzen Fragen vergleichbar einem viel zu schweren Rucksack niederdrückten. Doch wem sollte ich sie stellen? Wem mich anvertrauen? Heute weiß ich, dass ich bereits zu dieser Zeit Anzeichen einer Depression in mir trug, die jedoch von niemandem zur Kenntnis genommen wurden. Heute weiß ich, dass es auch daran lag, dass ich auf Seelenebene tiefe Verletzungen in mir trug, weil ich mich als Kind und Teenager viel zu wenig wahrgenommen, gesehen oder gehört fühlte. Mich beschäftigten so viele Dinge, die ich weder mit meinen damaligen Freundinnen noch mit meiner Familie teilen konnte, weil ich immer das Gefühl hatte, irgendwie leben sie und ich in völlig unterschiedlichen Welten. Das, was sie interessiert, das interessiert mich nicht wirklich. Und das, was mich interessiert, findet bei ihnen keinen Gefallen. Oft kam ich mir vor, als wäre ich von einem anderen Stern heruntergefallen und mitten unter Menschen gelandet, mit denen ich im Grunde genommen keine wirklichen Gemeinsamkeiten habe. Dieses Gefühl von nicht wirklich zu ihnen zu gehören, belastete mich sehr. Der einzige Rückhalt, der sich mir zu dieser Zeit bot, war bereits damals meine Liebe zu den Büchern. Zum Glück konnte ich mir in der Stadtbibliothek unserer Kleinstadt Bücher von R. M. Rilke und Hermann Hesse etc. ausleihen, die ich damals regelrecht verschlang. Irgendwann stellte ich dann fest, dass mir die Bücher wichtiger waren als die Menschen, weil ich dadurch zumindest teilweise Antworten auf manche meiner Fragen bekam.
Eine ungesunde Angewohnheit, die ich mir dadurch jedoch zu eigen machte, war, mich immer mehr von den anderen (sowohl von der Familie als auch von Freunden) zurückzuziehen und mich stattdessen in der Literatur zu vergraben, um dort mit mir und meinen Gedanken alleine zu sein. Ein Vorteil, den das Ganze mit sich brachte, war, dass ich dort ungestört war und durch nichts und niemanden verletzt werden konnte. Ein Nachteil: Dass ich mich zusehends selbst von den anderen immer mehr isolierte. Nach und nach trennten sich so die Wege zwischen meinen Freundinnen und mir, weil unsere Interessen immer stärker auseinandertrifteten. Schon bald hatten wir immer weniger Gemeinsames, das wir miteinander hätten teilen können. Doch ich war damals so sehr davon überzeugt, dass für mich alles besser und leichter wird, wenn ich meinen Weg gehe, auch auf die Gefahr hin, dadurch für die anderen nicht mehr interessant und attraktiv genug zu sein. Ich folgte einfach meinem Gefühl, das mir sagte: „Konzentriere dich mehr auf das Buch.“
Natürlich verschloss ich mich auf diese Art und Weise sowohl den Gleichaltrigen als auch den Erwachsenen gegenüber immer mehr. Zudem redete ich mir ein, dass ich mit dem, was mich beschäftigt, ohnedies keine Beachtung finden würde, geschweige denn verstanden werde. Dass ich mit meinem Verhalten nicht lernte, mich mit anderen über meine Gedanken und Gefühle zu unterhalten, das kam mir damals gar nicht in den Sinn. Mein „Rettungsanker“ durch die Zeit meiner Jugend waren die Bücher. Sie waren das einzige für mich, indem ich Halt finden konnte. Und so gewöhnte ich es mir immer mehr an, die Dinge mit mir alleine auszumachen, und nutzte das Buch als den mir wichtigsten Ratgeber.
Was mir bei alledem nicht bewusst war, war, dass dies nur so lange gut funktionierte, solange in der Welt um mich her alles in Ordnung war. Doch war dies nicht der Fall, und ich hatte das Gefühl, dass ich mit den Anforderungen durch Schule, Familie etc. nicht mehr klarkomme, dann fühlte ich mich oft auch von den Büchern im Stich gelassen, weil sie mir für die aktuelle Situation, in der ich gerade Hilfe und Unterstützung gebraucht hätte, keine unmittelbaren Helfer waren. Nicht besonders geschickt gemacht. Ich weiß. Doch damals wusste ich von all den Auswirkungen unseres Denkens, unserer Worte und unseres Verhaltens auf Körper, Geist und Seele noch nichts. Das sollte ich alles erst nach meinem fünfundfünfzigsten Lebensjahr lernen.
Mein Leben änderte sich erst, als ich mit zwanzig Jahren zum Studium in die Großstadt kam. Nach und nach wurde vieles anders, nachdem ich beschlossen hatte, dass ich jetzt die Chancen nutzen will, die mir das Leben bot. Von daher versuchte ich, wieder offener zu werden und auch mal aus mir selbst heraus auf andere Menschen zuzugehen. Was mir dabei half, war, dass es den anderen Studenten letztlich genauso ging wie mir. Auch sie mussten lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Hatten mitunter die gleichen Anfangsschwierigkeiten wie ich, um auf Anhieb den richten Hörsaal oder Seminarraum zu finden, so dass sich auf den Wegen dorthin immer wieder