Kill den Drill: Welcome to Arizona. Melanie Weber-Tilse
Akten und Papierkram hin und her räumte. »Was gibt’s?«
»Sir, ich muss mit der F16 nochmal in die Luft. Da läuft noch nicht alles so, wie es soll.« Es war nicht gelogen, auch wenn es mir eigentlich nur darum ging, am Tag so wenig Zeit wie möglich am Boden zu verbringen. Oben in der Luft war ich Eagle One, das war mein Terrain. Ich war dafür geschaffen, zu fliegen und nicht wie die Flooris, am Boden herum zu kriechen.
»Ähm, ja«, der Boss wirkte nervös und fahrig, rückte dauernd seine Brille zurecht, die ihm immer wieder von der Nase rutschte. »Machen Sie mal, Major. Wenn Sie sagen, das muss, dann muss das.«
»Ja, Si.r« Bevor ich den Raum verließ, drehte ich mich nochmals um. Der kleine hagere Mann war kurz vorm Durchdrehen. Er benahm sich merkwürdig. »Sir? Ist alles … in Ordnung?«
»Hm?« Wie ein schreckhafter Grashüpfer fuhr er zusammen, als hätte er mich nicht verstanden. »Ja ja, ich sag doch. Machen Sie los, Major. Testen Sie die Maschine auf Herz und Nieren. Und wenn es den ganzen Tag dauert. Ich habe hier zu tun. Meine … ähm … Ich habe …« Gott, was wurde das, wenn’s fertig war? Ein gestandener Mann, wie unser Lieutenant General war verlegen und stand mit hochroter Birne vor mir. »Also, ja, meine … neue … Assistentin wird gleich hier sein.«
Eine was? Oh Gott, bestimmt wieder so ein alter, zugeknöpfter Hungerhaken wie die schrullige Miss Marple – ihren eigentlichen Namen wusste ich nicht – die vor kurzem in Pension gegangen war. Ich hatte immer gedacht, zwischen den Beiden liefe etwas. Aber so aufgeregt, wie der Lieutenant war, war er wohl flexibler, als ich dachte. Ich feixte in mich hinein.
»Alles klar, Sir. Ich melde mich bei Ihnen am Nachmittag mit dem Testbericht.«
»Abtreten, Major.« Mit Handfläche an der Schläfe salutierte ich und ging meiner Wege.
Keine Stunde später befand ich mich in voller Montur schon auf der Startbahn, als mir hinter der Absperrung ein Wagen auffiel. Es war mehr oder weniger die schwarze Lackierung, die die Sonnenstrahlen reflektierte und mir damit ins Auge fiel. Viel mehr konnte ich aus der Entfernung auch nicht erkennen. Ich lenkte die F16 in Startposition, betätigte einige Schalter und Hebel. »Eagle One an Tower, erbitte Starterlaubnis«, sprach ich ins Funkgerät.
»Tower an Eagle One, Starterlaubnis erteilt. Guten Flug, Major«, ertönte die Bestätigung prompt und langsam setzte ich den Vogel in Bewegung. Das Blut rauschte durch meine Adern und sofort wurde mein Körper von Adrenalin geflutet. Heilige Scheiße, der Start war so ziemlich das Geilste ever. Wenn man auf Grund der Wahnsinnsgeschwindigkeit in den Sitz gedrückt wurde, der Druck in den Ohren ins Unermessliche stieg, die Herzfrequenz sich beschleunigte und man sich voll und ganz in die Hände der Technik begab.
Im Augenwinkel sah ich den Wagen, der ebenfalls losgefahren war und rasant beschleunigte. Pah, als ob er mit einem Kampfjet mithalten konnte. »Bürschchen, dir zeig ich’s«, knirschte ich mit den Zähnen und jagte die F16 über die Startbahn. Das Auto wurde schneller und schneller, fuhr fast noch auf einer Höhe, als ich … abhob und mich in die Wolken begab. »Wooohoooo, yes Baby«, rief ich siegessicher und versuchte, mich auf meinen Job zu konzentrieren.
Noch immer vollgepumpt mit Endorphinen und reichlich Adrenalin saß ich am Nachmittag in dem verschissen winzigen Kabuff, das sich Büro nannte und an der Längsseite des Hangars befand, in dem mein Testbaby derzeit wohnte. Da die Testreihe der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlag und keinerlei Informationen nach draußen dringen durften, hätte ich am liebsten hier übernachtet, um den Flieger nicht aus den Augen zu lassen. Aber Colonel Brigham, mein unmittelbarer Vorgesetzter hatte etwas dagegen und ausdrücklich verboten, dass wir uns außerhalb unserer Dienstzeiten hier aufhielten. Die Bewachung wurde anderweitig abgedeckt und ob ich wollte oder nicht, ich hatte nicht die nötige Sicherheitsstufe, um dieses Vorgehen zu hinterfragen.
Einen Haufen Papier von einer Seite zur anderen wälzend, grub ich mich durch sämtliche Flugprotokolle der letzten Tage, um meinen Testbericht zu verfassen, der pünktlich sechzehnhundert beim Lieutenant General vorliegen sollte.
»Boah … Fuck … Eagle …« Logan, mein Copilot stolperte völlig desorientiert in mein Minigefängnis. Hochrot vor Aufregung.
»Logan?«, begrüßte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Alter.« In typischer und nicht vorhandener Logan-Manier ließ er sich in einen Sessel, der in der Ecke stand, plumpsen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Gings vielleicht noch ekliger? »Ey, beim Chef oben ist voll der Tittenalarm!«, rief er voller Begeisterung und seine Hände formten … ähm, ja … Titten …
Stirnrunzelnd blickte ich vom Bildschirm zu ihm. »Häh? Warst du zu lange ohne Sauerstoff?« Scheinbar ja, so schnappatmend wie er da vor sich hin keuchte. »Wenn du die alte Fregatte in Braxtons Vorzimmer meinst, dann weiß ich nicht, was mit deinem Geschmack passiert ist«, feixte ich überheblich. Fing der jetzt noch an zu sabbern?
»Jack«, krächzte er leise lachend und schaute sich immer wieder um, als hätte der den Verdacht beobachtet zu werden. »Geh hoch und sieh sie dir an.«
»Wen? Die Monstermöpse?«
»Ja, du Heini, die auch!« Unser Gelächter grollte durch den kleinen Raum. »Bist du fertig mit der F16?«, fragte er mich, obwohl es ihm sichtbar schwerfiel, ernst zu bleiben und seine zuckenden Mundwinkel auf einen nächsten Lachanfall hindeuteten. Ich nickte nur stumm, fuck, ich musste dann ins Büro des Stützpunktleiters und lief Gefahr, dort feixend einzulaufen.
»Fast«, hustete ich in die hohle Hand, um nicht wieder loszugröhlen. Ich hatte weiß Gott Respekt vor unserem Stützpunktleiter, aber dieses Bild, wie er sabbernd an den Titten seiner Sekretärin hing, wurde ich nicht mehr los. »Die Tarnfunktion ist noch nicht das Gelbe vom Ei. Gibt hier und da Aussetzer, da müssen die Ingenieure nochmal ran. Aber ansonsten …« Versonnen glitt mein Blick über die Zeichnungen, die vor mir ausgebreitet auf dem Tisch lagen. »Ein echt geiler Vogel. Morgen fliegen wir nochmal zusammen.«
»Cool, Alter.« Grinsend schlug er mir ein high five entgegen, sodass ich fast vom Stuhl flog und verließ pfeifend meine Bürobucht.
Es dauerte keine zehn Minuten, da steckte Brian seinen Kopf zur Tür herein. »Und Eagle? Wie läuft’s? Hast du schon gehört …?«
»Tittenglotzen beim Chef, ich bin schon informiert, aber danke«, grinste ich. »Kann ich dann jetzt?« Mit entsprechendem Blick deutete ich auf den Papierberg, der sich vor meinem Computer türmte und Brian zog sich ein »Sorry, Boss« murmelnd zurück. Konnte man denn nicht einmal in Ruhe seine Scheißarbeit zu Ende bringen? Ich liebte das Fliegen, aber diese bescheuerte Bürokratie kostete mich den letzten Nerv. Verdammt, ich war Kampfpilot bei der US Air Force und führte ein geiles Leben auf der Überholspur. In Nullkommanichts hatte ich mich vom Rekruten zum Major hochgearbeitet und genoss hier auf dem Stützpunkt ein hervorragendes Ansehen. Fertig war ich noch lange nicht, denn die Überholspur war lang und ich hatte nicht vor, sie zu verlassen.
»Verdammter Scheiß«, fluchte ich, während ich die letzten Unterlagen zusammenraffte und in eine Akte packte, die ich noch versiegeln musste. In fetten Lettern prangte TOP SECRET auf der Vorderseite. Schnell klemmte ich mir das Pamphlet unter den Arm und marschierte, so wie ich war – in Fliegerklamotten – zum Verwaltungstrakt. Ich musste zugeben, dass Logan es geschafft hatte, mich neugierig auf die Vorzimmer-Fregatte zu machen, oder wer auch immer, da neuerdings für Braxton arbeiten sollte.
Anstandshalber klopfte ich an die Tür, die einen Spalt offen stand und zum Büro des Lieutenant Generals führte. Keine Reaktion, obwohl aus dem Inneren des Vorzimmers ein deutliches Rumoren zu hören war. Eine Frauenstimme, die auf ein weniger zart besaitetes Wesen hindeutete, fluchte in herrlichster Manier, dass es mir schwer fiel, ein schallendes Lachen zu unterdrücken. Etwas energischer klopfte ich erneut, woraufhin ein promptes »Herein« gestöhnt wurde, sodass mir ganz schwummrig wurde. Diese Stimme fuhr mir direkt in meinen Schwanz und so langsam hatte ich den Verdacht, dass mich hier gleich alles andere als eine Fregatte erwartete. Zumindest hoffte ich das.
Ich öffnete die Tür und räusperte mich, denn auf den ersten Blick war niemand zu sehen. »Ma’am?« Ein Keuchen kam aus