Tor für die Liebe. Elena MacKenzie
Artikel über ihn geschrieben hatte. Trotzdem hatte ich Angst vor dieser ersten Begegnung gehabt, weil ich wusste, dass die wenigsten hier im Camp gut auf mich zu sprechen waren. Und er wohl noch viel weniger.
»Ich fahr dann mal wieder«, rief Horst hinter mir. Der Motor des Traktors sprang dröhnend an und mir wurde mit einem heftigen Stich ins Herz bewusst, dass ich gleich allein mit einer ganzen Fußballmannschaft war, die mich hasste.
»Dieses Klatschmagazin hat nichts Besseres zu tun, als sie zu schicken?«
Ja, mit dieser Abweisung in seiner Stimme hatte ich auch gerechnet. »Nein, ich bin nur wegen der Mückenschwärme und der guten Bars hier.«
»Die Bars haben geschlossen und die Mücken stehen nicht auf kaltes herzloses Blut.«
Ich zuckte zusammen. Das war eine Boshaftigkeit, mit der ich wiederum nicht gerechnet hatte. Ich beschloss, das Beste wäre, alles zu ignorieren, was Luca mir an den Kopf warf. Ich hatte hier einen Job zu erledigen und das würde ich auch tun. Mit aller Gewissenhaftigkeit, die ich aufbringen konnte. Schließlich war ich ein Profi.
Gut, ich hatte einen einzigen Fehler begangen, der das Aus für eine Ehe bedeutet hatte. Seine Ehe. Aber wer bitte war fehlerfrei in seinem Job? Die Spieler unserer Nationalmannschaft bestimmt nicht. Wären sie das, würden sie deutlich öfter den Pokal mit nach Hause bringen. 54, 74, 90, 2010 oder wie war das noch? Oh 2010 ist ja gar nicht passiert, und das lag nicht am Lied der Sportsfreunde Stiller, das ist nach wie vor ein Hit.
»Wie euch unschwer aufgefallen sein dürfte, ich habe keine Schuhe an, ich bin vollkommen durchnässt und auch sonst sollte alles an mir euch zeigen, dass ich mich in einem Zustand befinde, in dem ich euren Witzen nichts abgewinnen kann. Könnte mir bitte einer von euch sagen, wo ich hier ein funktionierendes Telefon finde? Ich brauche einen Abschleppwagen.«
Ich sah in die Gesichter von vier grinsenden Männern.
»Hier gibt es kein Telefon«, sagte Luca und mir entging nicht, dass er dagegen ankämpfte laut loszulachen. Ich konnte es ihm nicht einmal verübeln, dass ihm gefiel, mich leiden zu sehen. Immerhin hatte ich mehr als genug Leid über ihn und seine Familie gebracht.
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Es wird doch ein Nottelefon geben, nur für den Fall, dass einer von euch sich beim Training verletzt.«
»Für den Fall haben wir einen Arzt hier«, entgegnete Mark Thomson, einer der englischen Spieler, in einem fast perfekten Deutsch. Ich kann mich noch erinnern, vor ein paar Jahren ein Interview mit ihm gesehen zu haben, da hatte er Probleme, überhaupt die Fragen der Reporter zu verstehen. Und auch für seine Antworten war er immer wieder zu Englisch übergegangen. Ich musterte den Mann mit dem kahl geschorenem Kopf für einen Augenblick bewundernd.
»Und was, wenn sich jemand ein Bein bricht? Soll alles schon passiert sein.«
»Nimm das sofort wieder zurück, das bringt Unglück«, sagte Steve, der vor einiger Zeit mit Christine zusammen gewesen war. Diese Beziehung war auch meinem Skandalartikel zum Opfer gefallen.
»Das war nur ein Beispiel und keine Verwünschung, aber gut, wenn es euch so wichtig ist: Ich nehme es zurück«, sagte ich und versuchte die aufkommende Wut zu beherrschen. »Telefon?«
»Es gibt keins.«
»Okay, ich gebe auf. Würde mich dann bitte jemand zu meinem Auto bringen, damit ich meine Schuhe und meinen Koffer holen kann?«
»Geht nicht, unser Training geht in fünf Minuten weiter.«
Ich sah die Männer ungläubig an. Mir wurde von Minute zu Minute kälter und ich wollte nur noch unter eine sehr heiße Dusche.
»Eigentlich könnte Luca. Er darf heute nicht trainieren, er hat sich den Oberschenkelmuskel gezerrt.« Steve schmunzelte.
»Oh, das tut mir leid«, platzte ich ungewollt heraus. Aber schließlich wusste ich, dass so eine Verletzung kurz vor Start der Weltmeisterschaft ihn vielleicht auf die Ersatzbank katapultierte.
Luca Rodari knurrte nur etwas Unverständliches und sagte dann: »Laufen tut mir auch nicht gut.«
»Okay, schon gut. Ich werde alleine gehen. Vielleicht schaffe ich es ja zurück, bevor ich mir eine Lungenentzündung geholt habe.«
»Das kannst du nicht zulassen«, sagte Mark und grinste so breit, dass ich den Eindruck hatte, Joker aus Batman stand vor mir.
»Schon gut.« Luca stürmte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck an mir vorbei, der keine Fragen darüber offen ließ, dass er überhaupt keine Lust darauf hatte, mir zu helfen. Ich versuchte mit seinen großen Schritten mitzuhalten, was aber nicht möglich war. Meine Beine waren gute dreißig Zentimeter kürzer als seine. Und ich hatte keine Schuhe an.
»Wir nehmen mein Motorrad, das verkürzt die Zeit, die wir zusammen verbringen müssen«, sagte er laut genug, damit auch die anderen hinter uns die unterschwellige Beleidigung nicht überhören konnten und strich seine schwarzen welligen Haare hinter seine Ohren. Ich zuckte lässig mit den Schultern und verschloss mein Herz sorgfältig gegen Lucas Beleidigungen. Nur um Sekunden später zu bereuen, dass ich eben noch Mitleid mit ihm gehabt hatte wegen seiner Verletzung. Wir standen vor dem Motorrad, das vorhin an mir vorbeigefahren war und wegen dem ich jetzt so aussah, als hätte ich eine Schlammpackung gehabt.
Ich verkniff mir jeglichen Kommentar und stieg hinter Luca auf die Maschine. Jetzt etwas zu sagen, würde nur dazu führen, dass Luca es sich anders überlegte und ich doch noch laufen musste. Und wer war ich denn, dass gerade ich Luca Rodari Vorwürfe machen durfte? Beim Aufsteigen rutschte mir der Rock die Oberschenkel hinauf und entblößte die letzten schlammfreien Zentimeter Haut meines Körpers. Luca sah auf meine nackten, etwas zu fülligen Schenkel und grinste. Ich stöhnte genervt auf.
Mit einem heftigen Ruck, der mich fast wieder vom Sattel des Motorrades katapultiert hätte, fuhr die Maschine an. Ich ruderte kurz mit meinen Armen und fand dann Halt um Luca Rodaris Taille. Verzweifelt schloss ich die Augen. Das konnte einfach alles nicht wahr sein! Es war ja nicht so, dass ich diesen Mann in irgendeiner Weise hasste, aber der Hass, den er für mich empfinden musste, würde wohl für uns beide reichen.
Und mit diesem Wissen fühlte es sich einfach nicht besonders gut an, ihm so nahe zu sein. Ich gebe es zu, mein schlechtes Gewissen fraß mich auf. Würde dieser Artikel nicht zwischen uns stehen, könnte ich vielleicht sogar genießen, diese harten Bauchmuskeln unter meinen Händen zu fühlen. Oder diesen maskulinen, herben Duft nach Mann und einem würzigen Aftershave zu riechen. Ja, ich hätte es vielleicht sogar genossen, seine vom Fußball geformten Oberschenkel an meinen zu spüren. Aber unter den vorliegenden Umständen ignorierte ich jegliche solcher Empfindungen und konzentrierte mich stattdessen darauf, nicht vom Motorrad zu fallen, weil der Fahrer jedes Loch mitnahm, das er erwischte.
An meinem Mini angekommen sog ich tief die Luft ein und stieg mit zittrigen Beinen von der Maschine. Bevor ich mich meinem Auto zuwandte, blieb ich neben Luca stehen. Es regnete schon wieder in Strömen und ich konnte nicht umhin, die ausgeprägten Brustmuskeln zu bewundern, die sich unter dem nassen Stoff seines Shirts abzeichneten. Sein glänzend dunkles Haar hing in feuchten Strähnen herunter. Die Spitzen lockten sich leicht nach innen und streichelten ein markant geschnittenes Kinn in dessen Mitte - oh heiliger Vater! - ein Grübchen saß. Das ganze Kunstwerk wurde von einer römischen Nase, vollen Lippen und einem wirklich erotisch anmutenden dunklen Dreitagebart vollendet. Ja, dieser Mann war zweifellos italienischer Herkunft. Hatte ich schon erwähnt, dass ich auf den südländischen Typ stand?
»Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, mich bei Ihnen persönlich zu entschuldigen«, setzte ich an und versuchte, nicht auf den Boden zu sehen, sondern Luca Rodari direkt anzusehen, um die Ernsthaftigkeit meiner Entschuldigung zu unterstreichen. »Ich weiß, eine Entschuldigung kann nicht wieder gutmachen, dass sich Ihre Frau von Ihnen hat scheiden lassen, wegen des Artikels, den ich geschrieben habe.«
Ich trat von einem Fuß auf den anderen und unter mir schmatzte der matschige Boden. Luca saß noch immer auf der Honda und rührte sich nicht. Sein Gesichtsausdruck war unbewegt. Mir wäre lieber gewesen, Wut oder Abweisung darin zu sehen, aber da war nichts als