Fire&Ice 11 - Matthew Fox. Allie Kinsley
MATTHEW
Er bekam nicht mit, was Julien, sein jüngerer Bruder, ihm gerade erzählte. Direkt vor ihm war die Frau aus seinen Albträumen aufgetaucht.
Die Frau, die ihn seit über drei Jahren in seinen Gedanken verfolgte. Er hasste sie dafür, und er hasste sich selbst, weil er sie einfach nicht aus dem Kopf bekam.
Bei jeder Veranstaltung, zu der sie geschlossen als Gruppe gingen, musste er befürchten, dass auch sie auftauchen könnte.
Für die Erleichterung, die er empfunden hatte, als sie in diesem Jahr nicht mit nach Talin gekommen war, hätte er sich am liebsten selbst geschlagen.
Aber sie hier mit einem anderen Mann zu sehen, grenzte auch irgendwie an Folter.
"… laut Plan müssen wir hier lang", sagte Julien und deutete auf den Plan, der anzeigte, wo sie sitzen würden.
Mat sah ebenfalls auf den Plan.
"Ja, du und Destiny. Ich und Cat sitzen hier drüben."
Er war sehr froh gewesen, dass Cat ihn gebeten hatte, ihre Begleitung zu mimen. Einen Geier mit auf eine Hochzeit zu nehmen, war immer eine gefährliche Angelegenheit. Entweder sie benahmen sich furchtbar daneben oder sie dachten, sie seien die nächsten und er sei derjenige, der sie heiraten würde.
Der Nachteil war aber, dass er quasi die ganze Zeit über ohne Begleitung unterwegs war.
In die Kirche hatte Cat es nicht geschafft, weil sie die letzten Vorbereitungen im Hotel hatte überwachen wollen, jetzt war sie immer noch irgendwo und er hoffte, dass sie zumindest zum Essen auftauchen würde, damit er nicht ganz so dämlich aussah.
Er ging durch den Raum und suchte den Tisch, an dem sie sitzen würden.
Als er sah, dass Zoey ebenfalls an diesem Tisch saß, musste er sich ein Stöhnen verkneifen.
Echt jetzt? War das irgendeine ziemlich fiese Form von Karma? Warum zum Teufel musste er sie den ganzen Abend über ertragen?
Als er den Tisch nach seinem Platz absuchte, hätte er beinahe laut geflucht. Direkt gegenüber von ihr. Er musste also nicht nur an ihrem Tisch sitzen und sich selbst dazu zwingen, sie nicht nonstop anzustarren, nein, er musste ihr direkt gegenüber sitzen und den ganzen Abend beim Flirten zusehen.
Mit grimmiger Miene setzte er sich und wünschte sich dabei, sie niemals in Talin gesehen zu haben. Niemals an diesen Tisch gegangen zu sein und ihr traumhaftes Lächeln gesehen zu haben.
Eben dieses Lächeln schenkte sie ihm jetzt. Nein, das stimmte nicht. Es war nicht dieses Lächeln.
Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie ihre Augen beim Lächeln gefunkelt hatten. Aber da war nichts. Ihre blauen Augen waren wie tot, keinerlei Regung.
Nur die schönen Lippen gaben makellos weiße Zähne frei, wie sie es schon in Talin getan hatten.
"Mat, wie schön dich wiederzusehen!" Mat zog eine Augenbraue nach oben. Würde er es nicht besser wissen, hätte er ihr diese Show tatsächlich abgekauft.
Dann wandte sie sich an ihren Begleiter. Aus irgendeinem Grund hatte er erwartet, dass ihr Lächeln sich verändern würde. Aber das geschah nicht. Sie lächelte ihn genauso falsch und tot an.
"Ich glaube, ihr kennt euch noch nicht. John, das ist Mat, Fire&Ice Mitglied. Mat, das ist John, mein Lebensgefährte", sagte sie mit ruhiger Stimme.
"Ich glaube, das ein oder andere Mal haben wir uns bereits flüchtig gesehen", sagte John und reichte ihm lächelnd die Hand.
Mat schüttelte sie, ohne das ebenfalls tote Lächeln zu erwidern.
Was zum Teufel ist das für eine Horrorshow?
Und auf den Namen dieses Trottels hätte er auch gut und gern verzichten können.
Gott sei Dank kamen in diesem Moment Alexa, Bran und Lia. So musste er sich zu keiner Konversation mit Zombie-Barbie und Zombie-Ken zwingen.
Während des gesamten Essens und der Ansprachen beobachtete er Zoey und John so unauffällig wie möglich. Das Lächeln der beiden verschwand nie, änderte sich keinen Millimeter, es war wie perfekt einstudiert.
Sie unterhielten sich höflich mit den anderen an ihrem Tisch und schienen das perfekte Paar zu sein.
Nur ein einziges Mal verrutschte dieses perfekte Trugbild um wenige Millimeter.
Zoey bestellte sich ein neues Glas Wein, woraufhin John seine Hand auf ihre legte und einfach nur ruhig ihren Namen sagte. Daraufhin zuckte eine ihrer Augenbrauen.
Aber nicht auf die Art, mit der sie Mat in Talin bedacht hatte, sondern nur einen Millimeter und sofort zurück.
Daraufhin zog John seine Hand zurück und beide widmeten sich wieder ihrem Essen.
Wobei beide nicht wirklich stimmte. Was auch immer Zoey da tat, mit wirklicher Nahrungsaufnahme hatte es wenig zu tun.
Er betrachtete sie ein wenig genauer.
Sie war noch schlanker, als er sie damals in Talin kennengelernt hatte. Schlank traf es nicht mehr. Mittlerweile war sie eher dürr.
Man konnte die Knochen an ihrem Brustbein sehen und auch die Schultern wirkten sehr eckig.
Er musste sich sehr zusammenreißen, als John den Nachtisch für sie beide ablehnte, mit der Begründung, sie müssten auf ihre Linie achten.
Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht und es machte ihn wahnsinnig, dass er die Lösung für dieses Rätsel noch nicht im Entferntesten erkennen konnte.
3 Eskalation
ZOEY
Nachdem sie das Abendessen und die ersten Tanzrunden hinter sich gebracht hatte, benötigte sie dringend eine Pause.
Ihre Nerven lagen blank. Nicht nur, dass John sie dauernd ermahnte, irgendetwas nicht zu tun oder besser zu machen, sie fühlte sich unter Mats dauerhaft prüfenden Blick wie unter einem Mikroskop.
Sie hatte keine Ahnung, was er wollte oder was er damit bezweckte, aber es machte sie verrückt. Vor allem, weil seine Kränkung ihr noch immer allzu präsent war. Woher kam dieses plötzliche Interesse?
Als John in das Gespräch mit einem von Ryans Geschäftspartnern verwickelt war, entschuldigte sie sich unter seinem strafenden Blick.
Schnell huschte sie zu der Tür hinaus, die in den Außenbereich führte.
Aus ihrer Clutch fischte sie eine ihrer Notfallzigaretten und zündete sie an. Sie hoffte, den Geruch später mit Parfüm und einem Kaugummi überdecken zu können, sonst würde John wieder außer sich sein.
Tief zog sie den beruhigenden Rauch in ihre Lungen und atmete dann genüsslich aus.
Die kühle Nachtluft half ihr ebenfalls, ihr überhitztes Gemüt und die vom ungewohnten Alkohol lockere Zunge zu beruhigen.
Sie nahm die Stola ab und legte sie sich über den Arm, um mehr von der kalten Luft auf ihrer Haut zu spüren.
Immer wieder kamen Menschen durch die Tür, wollten nur ein wenig frische Luft schnappen oder ebenfalls eine Zigarette rauchen.
Zoey ging ein paar Schritte vom Eingang weg, um nicht mitten im Rauch zu stehen.
"Dachte ich es mir doch!" Johns Stimme klang gereizt. Sehr gereizt. Zoey drehte sich zu ihm um.
Über seine Schulter hinweg erspähte sie Mat, der an der Wand neben der Eingangstür lehnte.
Warum verfolgte er sie? Oder wollte er auch nur frische Luft schnappen?
Etwas traf schmerzhaft ihre Hand und riss sie zurück aus ihren Gedanken.
"Aua", sagte sie leise und schüttelte die Hand,