Mit schwarzen Flügeln. Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion


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schrecklich hohlen Wesen getrimmt wurden, ohne jemals etwas Eigenes zu entwickeln.

      Freidenker wie er hatten einen schweren Stand.

      Könnte er ihnen doch sagen: „Lauft! Lauft schnell weg aus dem Himmel Jahwes, bevor es zu spät ist! Lauft, bevor eure Augen stumpf werden und eure Herzen leer!“

      Wenn sie wüssten, was er wusste, würden sie es tun.

      Und er wusste dabei noch nicht einmal alles.

      4

      Man hatte ihn wieder mal ins Tribunal bestellt.

      Zu Luzifels Erstaunen aber nicht um seiner selbst wegen, nein, diesmal sollte er nur seinen Posten beziehen und gegebenenfalls eine Bemerkung abliefern. Es ging hauptsächlich um ein paar Anhörungen von einzelnen Engeln zu verschiedenen Themen, die zu banal waren, als dass er sich gemerkt hätte, was überhaupt der Fall war. Irgendwie waren es langatmige Planungen zu belanglosen Festlichkeiten und das Durchkauen neuer Gesetze.

      Und ein unvorsichtiger Engel der Mächte hatte sich bei der letzten Siegesfeier einen Fauxpas geleistet, wofür er eigentlich hätte vor das Hohe Gericht müssen, jedoch boxte ihn Michael günstig raus. Als Anführer der Mächte unterlag es schließlich ihm, ein Strafmaß wegen einer solchen Bagatelle zu fällen.

      Kamaels wütender Gesichtsausdruck darauf war Gold wert gewesen und der Jurist wurde gleich noch ungehaltener, weil er Luzifels Schadenfreude aufschnappte.

      Nachdem alle Anlässe abgeklärt waren, entließen Metatron und Sandalphon ihre Berater und zogen sich zurück. Wahrscheinlich, um mit Gott zu diskutieren, wie sie das gemeine Volk weiter unter ihrer Fuchtel halten konnten.

      „Geht es dir besser, Lou?“, fragte ihn Michael beim Hinausgehen.

      „Mir geht’s blendend, Kleiner“, entgegnete er scharfzüngig.

      „Da siehst du es. Das waren alles nur flüchtige Launen in letzter Zeit. Es gibt für uns Seraphim doch wirklich nichts zu beanstanden. Gott kümmert sich schon um uns.“

      „Oh ja, aufopfernd.“ Luzifel bezweifelte, dass Michael den Doppelsinn spitzkriegte.

      „Wir können froh sein, Gott zu haben. Ich denke nicht, dass Satan für seine Dämonen nur halb so viel macht. Seit Neustem kreist das Gerücht herum, Gehenna gleiche einer kargen Wüstenlandschaft ohne Wasser und mit brennend heißer Sonne, die einem das Fleisch auf den Knochen gar brät. Nein, mit denen dort unten will ich nicht tauschen. Bei uns ist es wesentlich schöner.“

      Leise brummte Luzifel ein: „Ja, hast recht.“

      Während Michael weiterredete, stiegen beide die Treppen hinunter, um auf den Großen Platz zu kommen. Seinem Bruder hörte Luzifel bei all den Adorationen nur halb zu. Sie klangen für ihn nach einem müden Versuch, Jahwe gut dastehen zu lassen. Seit er sie mehr und mehr beim Namen nannte, verlor sich irgendwie der klägliche Rest Respekt vor ihr ...

      „Erinnerst du dich noch an den alten Satan, Lou?“, sprach Michael ihn direkt an, dass er nicht mehr bloß so tun konnte, als folge er dem Gespräch.

      „Ein bisschen. Ist ja schon lange her.“

      Er sah ihn noch genau vor sich. Den geflügelten Drachen, die gefiederte Schlange. Mit Schuppen so hart wie heiliger Stahl und rot glühenden Augen. Die schwarzen Klauen rafften seine weißen Gardisten wie der schneidende Wind dahin.

      „Dich nannte er einen Hänfling“, sann sein kleiner Bruder nach, „und ich war bloß eine aufdringliche Fliege, die wild um ihn herumschwirrte, ohne etwas ausrichten zu können. Der ganze Himmel erbebte unter seinem Gebrüll und noch lange roch man das Blut der Toten in der Luft. Das war ein gefährlicher Kampf damals, nicht wahr? Wer weiß, was wir ohne dich gemacht hätten.“

       Ja, wer weiß?

      Wie wäre der Krieg wohl ohne ihn verlaufen?

      Ein Fiasko – höchstwahrscheinlich.

      Am Fuße des weißen Gebäudes verabschiedete sich Michael fröhlich von ihm. Er wollte zurück in den vierten Himmel und dort weiter seine Pflicht zu erfüllen.

      Luzifel war das nur recht.

      Seinen Gedanken nachhängend, sah er sich in der Gegend um. Auf dem umliegenden Terrain wandelten verschiedene Engel, um verschiedene Wege zu gehen. Die Zivilisten erschienen ihm erstaunlich bunt. Manche trugen eine Gardeuniform, andere blasse Alltagskleidung. Der eine stellte seine Flügel zur Schau, der nächste nicht. Es gab Blonde – ab und an einer, der so blond war, dass er fast weißes Haar hatte – und dann natürlich noch Schwarzhaarige wie ihn.

      Er bummelte über das Areal auf ein flaches Wasserbecken in der Platzmitte zu. Es war eine eher schmucklose Verzierung des Gebietes, dennoch schwammen weiß-goldene Fische unter der klaren Oberfläche. Sich auf den Beckenrand setzend, beobachtete Luzifel, wie sie ihre glatten Körper bogen und drehten, um im Wasser voranzukommen.

      Ob diese Geschöpfe je auf den Gedanken kämen, dass ihre heile Welt nur eine kleine Lache inmitten eines weit enormeren Kosmos’ wäre? Fragte einer unter diesen Winzlingen nach dem Sinn seiner Existenz? Und wenn, kam dann der riesige Kescher und entfernte ihn von den anderen?

      Er war der Störfaktor in der Perfektion.

      „Du entwickelst dich zu einem Risiko, Morgenstern“, höhnte einer.

      Luzifel schaute auf und entdeckte Kamael, mit etwas Abstand bei ihm stehend.

      Der silberblonde Richter blickte erhobenen Hauptes auf ihn herab, seine weiße Tunika wehte wie sein Haar ausladend in der Brise.

      „Was willst du?“, fragte Luzifel ihn im giftigen Ton. Lang genug hatte er den arroganten Kerl im Tribunal ertragen müssen. Warum folgte der ihm jetzt auch noch?

      „Es heißt, du seist in letzter Zeit unbeständig hinsichtlich deiner Loyalität. Treibst dich mit Grigori-Abschaum herum und suchst Ausflüchte, um nicht in den Dienst zu treten. Und dann noch diese Geschichte mit dem Thron. Mach nur so weiter, dann kann der Rat endlich einen würdigen Anführer für die Garde wählen, statt dich abgehalfterten Spinner.“

      Luzifel baute sich so gut es ging vor ihm auf und erwiderte stolz: „Muss ich mir so was von einem bedeutungslosen, niedrig gestellten, armseligen, unterwürfigen Opportunisten wie dir sagen lassen?“

      Zu ihm hinuntergebeugt, dass ihre Gesichter einander fast berührten, raunte Kamael: „Du verträgst keine Wahrheit, hochmütiger Morgenstern. Jeder, der lange genug in deine Augen blickt, erkennt deine unreine Seele. Mörder so vieler Dämonen, dass er selbst zum Dämon wurde. Du kannst noch so sehr auf deinen ersten Rang pochen und ein Seraph sein – du bleibst ein misslungenes Werk.

      Ich hörte, die Truppe schimpft dich Todesstern. Ein äußerst passender Name.“

      „Seltsam, dass ich trotz aller Gerüchte und feiger Falschheit noch immer Gottes meistgeliebter Engel bin. Du kannst mir zwar drohen und mich einen Spinner nennen, doch mein Wort wiegt schwerer als deines. Aus dir spricht der blanke Neid, ebenfalls eine Todsünde.

      Was sorge ich mich überhaupt um dein rechthaberisches Geschwätz? Du bist es nicht würdig, einen meiner Gedanken wert zu sein. Kümmere dich um deinen Kram und wälze die Strafregister Machons, anstatt mir auf die Nerven zu fallen.“

      Kamael trat grimmig zurück und drehte ihm den Rücken zu. „Das werde ich auch tun. Denn ich hoffe darauf, bald deinen Namen in ihnen zu finden.“

      Was sollte dieser Einschüchterungsversuch? Plante Kamael etwa, ihn in das Gefängnis der fünften Sphäre werfen zu lassen, nur weil er mal etwas Unbedachtes sagte oder tat? Für den Aufenthalt in einer legalisierten Spelunke musste er nicht hinter Gitter wandern. Auch lag der letzte Besuch bei Ramuel schon lange zurück ... Oder? Ob der Grigori noch etwas wusste?

      Ach, was gab er auf den eifersüchtigen Kerl?

      Sich vom Wasserbecken und den Großen Platz abwendend, ging Luzifel


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