Violet Socks. Celine Ziegler

Violet Socks - Celine Ziegler


Скачать книгу
nicht tun. Er stellt eine Gemeinheit nach der anderen an. Ärgert hier mal den Schulnerd oder kritzelt da mal ein paar Karikaturen von Lehrern an die Tafel. Früher hätte er so was nie getan, aber früher hätte er mir auch hochgeholfen, wenn ich hingeflogen bin. Also wundere ich mich über gar nichts mehr, was ihn betrifft.

      Misses Heath setzt sich an ihren großen Schreibtisch und ich lasse mich auf einen der beiden Stühle fallen, die davor stehen. Trotzig blicke ich auf mein nacktes Bein. Ich komme mir echt bescheuert vor, vor allem weil ich noch den ganzen Schultag vor mir habe. Eigentlich habe ich mich auf die beiden Stunden im Theaterkurs gefreut, doch die erste Stunde kann ich mir wohl abschminken. Dann muss eben Benja heute die Leitung übernehmen.

      „Schön, dass Sie es auch endlich geschafft haben", sagt Misses Heath zu Harry, der launisch die Bürotür hinter sich schließt.

      Er sagt nichts, sondern setzt sich neben mich auf den Stuhl, lehnt seinen Kopf in seine rechte Hand, wodurch er mehr Abstand zu mir aufbaut.

      Ich verschränke wieder die Arme und lehne mich ebenfalls weiter von ihm weg, jedoch ohne den Stuhl zu verschieben. Es ist, als wären wir zwei Magnete, die sich abstoßen.

      „Also", fängt Misses Heath an und zieht sich ihre Lesebrille auf, bevor sie etwas beginnt zu schreiben. „Das ist dieses Halbjahr Ihre vierte Ermahnung, Harry."

      Harry schweigt weiterhin und sieht unbeeindruckt zu ihr, als kannte er das alles schon. Na ja, tut er ja auch. Er saß hier mindestens genauso oft wie Misses Heaths heimliche Affäre Mister Miller.

      „Wissen Sie, was das bedeutet?"

      „Keine Ahnung", sagt Harry. „Darf ich diesmal endlich früher gehen, weil Sie mich suspendieren?"

       Wie witzig du bist, Mister Obercool.

      „Nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht", redet Heath ruhig weiter und dreht sich mit verschränkten Fingern zu uns. „Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr, was ich mit Ihnen machen soll, wirklich nicht. Sie scheinen einfach nicht daraus zu lernen."

      „Also kann ich doch gehen?"

       Halt die Klappe.

      „Nicht so voreilig", erwidert Misses Heath und zieht ihre Brille ab. Sie wendet sich an mich. „Violet, wie läuft es denn bei dir in deinem Theaterkurs?"

      Ich blinzle, bin verwirrt über diese Frage. „Es läuft gut, denke ich ... Wir bereiten uns auf das Sommerstück vor und proben jeden Montag und Mittwoch."

      Sie schmunzelt. „Wie schön. Ich bin mir sicher, ihr braucht noch jemanden, der euch bei dem Bühnenbau hilft."

      Schockiert reiße ich die Augen auf und auch Harry richtet sich weiter auf. In welche Richtung soll dieses Gespräch nun gehen? Sie will mir doch nicht etwa anbieten, Harry als Bühnenbauer in meinen Kurs zu lassen. Da soll er lieber ohne Strafe davonkommen, aber nicht das. Die Theatergruppe war mein vorletzter Kurs, in dem ich ihn mal nicht sehen musste, das kann sie mir doch nicht einfach wieder versauen.

      „A-Also, äh", sage ich deswegen und versuche, nicht unfreundlich zu klingen. „Eigentlich brauchen wir keine Hilfe mehr. Alles läuft prima. Jordan und Andre kümmern sie zuverlässig um den Bühnenbau und …''

      „Schon okay, Violet", unterbricht Misses Heath mich liebevoll und scheint gar nicht zu verstehen, wie sehr ich mich gegen diesen Einfall sträube. „Andre ist für die nächsten Wochen krankgeschrieben, weil er die Mandeln rausbekommen hat, deswegen passt das ja." Sie wendet sich an Harry. „Also, Mister Perlman. Sie werden Violet in der Zeit, in der Andre nicht verfügbar ist, helfen und das ohne jegliche Beschwerden."

      „Was?", fragen Harry und ich synchron. Unser Entsetzen ist nicht zu überhören.

      „Bei allem Respekt, Misses Heath", versuche ich weiter, auf sie einzureden. „Harry ist ... Also wir bekommen das ohne Hilfe hin. Wirklich!"

      „Ich spiel doch nicht irgendeinen minderwertigen Bühnenbauer, um mich herumschubsen zu lassen!", meckert Harry, jedoch unfreundlicher als ich. „Lieber gehe ich wieder zum Hausmeister, um die Kaugummis von den Tischen zu kratzen!"

      „Und noch dazu kennt er sich doch gar nicht aus! Es würde Ewigkeiten dauern, ihn bei uns einzuweisen und ihm alles zu zeigen, und bis er das versteht, kann es Jahre dauern!"

      Jetzt sieht Harry mich erbost an. „Was zur Hölle?"

      Ich verdrehe die Augen. „Ist doch so."

      „Was glaubst du, welchen IQ ich habe? Den eines Steins?"

      „Frag lieber nicht."

      „Für so eine scheiß Bühne muss man nicht besonders geistreich sein. Andre ist ein debiler Vollidiot, also tu nicht so, als bräuchte man dafür einen Durchschnitt von 1,0!"

      „Nicht von 1,0, mindestens 3,5 sollte drin sein, aber dass das bei dir nicht drin ist, wissen wir beide, du Obergenie."

      Sein Blick ist pures Gift. „Du verdammte …''

      „Okay, die Entscheidung ist gefallen!", verkündet Misses Heath und unterbricht unsere Diskussion. „Violet, Sie werden Harry gleich der Theatergruppe vorstellen, und Harry, Sie werden sich benehmen. Wenn Sie nur einmal negativ auffallen, und glauben Sie mir, ich werde mich erkundigen, müssen wir ernsthaft über eine endgültige Suspendierung von der Schule nachdenken."

      Verzweifelt flehe ich: „Misses Heath, ich bitte Sie ... So kurz vor dem Sommerstück können wir einen lästigen Neuankömmling wirklich nicht gebrauchen."

      "Und ich kann mir wirklich Aufregenderes vorstellen, als in irgendeiner dummen Theatergruppe rumzuhängen", wirft Harry noch nachdrücklich ein.

      Ich sehe ihn zornig an. "Dumme Theatergruppe? Hast du sie noch alle? Das …"

      „Nein, tut mir leid, Violet", unterbricht die Rektorin mich. "Es geht hier nicht nur um Sie und Ihr Wohlbefinden, sondern darum, dass Mister Perlman lernen muss, dass er nicht alles tun kann, was er will. Diese Gruppe ist seine letzte Chance."

      Kapitel 3

      Misses Heath die Idee, dass Harry nun wirklich in meiner Theatergruppe Mitglied sein soll, aus dem Kopf zu reden, ist unmöglich. Sie scheint richtig begeistert davon zu sein. Als wäre das die perfekte Strafe für so Rebellen wie ihn.

      Und genau deswegen schleichen Harry und ich durch die Flure zum Schauspielraum. Er läuft zwei Meter hinter mir und ich höre seine Füße bis zu mir schlurfen, weil er genauso wenig Lust auf diese Sache hat wie ich. Nun muss ich ihn wirklich jeden Tag sehen. Und auch noch zweimal die Woche mit ihm arbeiten! Verdammte Misses Heath.

      Als Harry nun schon zum dritten Mal durchatmet, weil er mir indirekt verklickern will, wie genervt er von meiner Präsenz ist, sage ich, als wir vor der Theatertür angekommen sind: „Hey, ich habe mindestens genauso wenig Lust darauf, dass du mir die nächsten Wochen um die Ohren springst, wie du, also stell dich nicht so an."

      „Ich stelle mich an?" Er sieht mich böse an, als ich meine Tasche nehme, die noch vor der Tür lag. „Schon vergessen, dass ich ohne Grund hier bin? Du hättest Heath sagen sollen, dass ich deine verdammten Zettel nicht zerrissen habe, genauso wenig wie deine scheiß Socke."

      „Du hättest Ethan ja sagen können, dass er das lassen soll, und vielleicht hätte ich dann die Wahrheit gesagt." Aber nur vielleicht.

      Harry lacht auf und wendet sich ab. „Wohl kaum."

      „Siehst du? Also hast du es dir doch selbst eingebrockt."

      „Du hättest ihn ja nicht so dumm anmachen müssen."

      „Wie bitte? Er macht mich fast täglich dumm an. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mir das gefallen lasse."

      Jetzt verdreht er die Augen, was mich fast zum Ausrasten bringt. „Öffne einfach nur die Tür, damit wir das schnell hinter uns bringen können."

      Ich werfe ihm einen


Скачать книгу