Frau Inger auf Östrot. Henrik Ibsen

Frau Inger auf Östrot - Henrik Ibsen


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Alfsons Bild gegen die Wand umgedreht. Haha! Er blickt ihr wohl zu stier ins Auge.

      Björn. Jungfer Eline, hört mich!

      Eline, indem sie zum Herde geht. Nun weiß ich, was ich weiß.

      Björn für sich. So ist es doch wahr!

      Eline. Wer war es, Björn? Wer war es?

      Björn. Das habt Ihr ebenso genau gesehen wie ich.

      Eline. Wohlan! Wen hab' ich gesehen?

      Björn. Ihr habt Eure Mutter gesehen.

      Eline halb zu sich. Nacht für Nacht vernahm ich ihren Schritt im Saal. Ich hörte sie flüstern und stöhnen, gleich einer unerlösten Seele. Und in dem Liede heißt es ja – Ah, nun weiß ich's! Nun weiß ich, daß –

      Björn. Still!

       Inger kommt rasch aus dem Saale, ohne die andern zu beachten, geht direkt aufs Fenster zu, zieht den Vorhang zurück und starrt eine Weile hinaus, als ob sie auf der Landstraße nach jemand spähe; dann wendet sie sich ab und kehrt langsam wieder in den Saal zurück.

      Eline leise, indem sie ihr mit den Augen folgt. So fahl und bleich wie der Tod –

       Man hört Lärm und Stimmen hinter der Tür zur Rechten.

      Björn. Was ist das wieder?

      Eline. Geh und sieh nach, was es gibt!

       Ejnar Huk, gefolgt von einem Troß Bauern und Hausgesinde, wird in der Vorstube sichtbar.

      Ejnar Huk in der Türe. Nur herein zu ihr! Und unverzagt!

      Björn. Was sucht Ihr?

      Ejnar. Frau Inger.

      Björn. Frau Inger? Und so spät am Abend?

      Ejnar. Spät, doch immer noch zeitig genug, denk' ich.

      Die Bauern. Ja, ja – jetzt muß sie uns hören!

       Die ganze Schar dringt in die Stube ein. Im selben Augenblicke zeigt sich Inger in der Türe des Rittersaales. Alle schweigen plötzlich.

      Inger. Was wollt Ihr von mir?

      Ejnar. Wir suchten Euch, edle Frau, um zu –

      Inger. Nun denn, – so sprecht!

      Ejnar. Ei, es ist ja eine ehrliche Sache. Kurz und gut, wir kommen, Euch um Urlaub und Waffen zu bitten –

      Inger. Urlaub und Waffen? Wozu?

      Ejnar. Es ist das Gerücht von Schweden herübergedrungen, daß das Volk in Dalekarlien sich erhoben hat und wider König Gustav zieht –

      Inger. Das Volk in Dalekarlien?

      Ejnar. Ja, so geht das Gerücht, und es soll ganz verbürgt sein.

      Inger. Nun, und wenn dem so wäre, – was habt Ihr mit dem Aufstand in Dalekarlien zu schaffen?

      Die Bauern. Wir wollen mit! Wir wollen auch dabei sein! Frei wollen wir werden!

      Inger leise. Ah, wäre die Zeit gekommen!

      Ejnar. Aus allen nordischen Grenzorten strömen die Bauern nach Dalekarlien hin. Selbst geächtete Männer, die Jahr um Jahr heimatlos in den Bergen umhergeirrt sind, selbst sie wagen sich wieder hervor zu den Höfen, sammeln Volk und schleifen die Schneide ihrer verrosteten Waffen.

      Inger nach einer Pause. Hört, – habt Ihr auch alles wohl überlegt? Habt Ihr auch nachgerechnet, was es Euch kosten würde, wenn König Gustavs Mannen siegen sollten?

      Björn leise und flehentlich zu Inger. Rechnet nach, was es den Dänen kosten wird, wenn König Gustavs Mannen unterliegen sollten!

      Inger abweisend. Dies Rechenexempel ist nicht meine Sache. Sie wendet sich zu der Menge. Ihr wißt, König Gustav kann sicher auf den Beistand Dänemarks hoffen. König Friedrich ist sein Freund und wird ihn gewiß nicht im Stiche lassen –

      Ejnar. Aber wenn sich nun die Bauern im ganzen norwegischen Land erhöben? Wenn wir uns alle erhöben, Herrschaften und Gemeine? Ja, Frau Inger, nun, glaub' ich fast, ist die Gelegenheit gekommen, auf die wir so lange gewartet haben! Bricht es jetzt los, so muß der Fremdling aus dem Lande!

      Die Bauern. Ja, fort mit den dänischen Vögten! Fort mit den fremden Herrenleuten! Fort mit den Trabanten des Reichsrats!

      Inger leise. O, es ist Mark in ihnen; und doch, doch –

      Björn für sich. Sie ist unschlüssig. Zu Eline. Was gilt's, Jungfer Eline – Ihr habt Euch mit Euerm Urteil über die Mutter versündigt.

      Eline. Björn, – ich wollte mir diese Augen aus dem Kopfe herausreißen, wenn sie mir gelogen hätten!

      Ejnar. Seht, vieledle Frau – erst gilt es König Gustav; ist er bezwungen, so werden sich die Dänen nicht lange hier im Lande halten können.

      Inger. Und dann?

      Ejnar. Dann sind wir frei; dann haben wir keinen fremden Herrn mehr über uns und können uns selbst einen König wählen, wie es die Schweden vor uns getan haben.

      Inger lebhaft. Selbst einen König –! Denkst Du an das Geschlecht der Sture?

      Ejnar. König Christian und andere nach ihm haben reinen Tisch gemacht mit dem Grund- und Erbbesitz ringsum. Unsre edelsten Erbsassen irren vogelfrei zwischen Felsenklüften umher, wenn sie überhaupt noch leben. Gleichwohl aber könnte sich dieser oder jener Sproß aus den alten Geschlechtern finden –

      Inger rasch. Genug, Ejnar Huk! Genug –. Für sich. O meine teuerste Hoffnung! Sie wendet sich zu den Bauern und dem Gesinde. Ich hab' Euch nun vermahnt, so gut ich konnte. Ich hab' Euch gesagt, in wie große Gefahr Ihr Euch hineinwagt. Aber da Ihr so fest auf Eurem Vorsatz besteht, so wär' es töricht von mir, Euch zu verbieten, was Ihr auf eigne Faust durchsetzen könntet.

      Ejnar. Wir haben also Eure Zustimmung –?

      Inger. Ihr habt Euern eignen festen Willen; fragt den um Rat. Werdet Ihr wirklich jeden lieben Tag geplagt und geknechtet, wie Ihr sagt –. Ich weiß so wenig von diesen Dingen; ich will nicht mehr wissen! Was vermag ich, ein lediges Weib –? Selbst wenn Ihr den Rittersaal plündern wolltet – und es findet sich manch brauchbare Waffe darin –; Ihr habt heut Abend die Macht auf Östrot; Ihr könnt tun, was Euch gelüstet. Gute Nacht!

       Die Menge bricht in einen lauten Ruf der Freude aus. Die Knechte machen Licht und holen allerhand Waffenstücke aus dem Rittersaal.

      Björn ergreift die Hand Ingers, die sich zum Gehen wendet. Dank, meine edle und großmütige Herrin! Ich, der ich Euch seit Euren Kinderjahren kenne, ich habe nie an Euch gezweifelt.

      Inger. Still, Björn! Es ist ein gefährliches Spiel, das ich an diesem Abend gewagt habe. – Für die andern gilt es nur das Leben, aber für mich – das glaube mir – gilt es tausendmal mehr!

      Björn. Wie? Bangt Euch um Eure Macht oder um das gute Einvernehmen mit –

      Inger. Meine Macht! O Gott im Himmel!

      Ein Knecht kommt aus dem Saal mit einem großen Schwert. Seht,


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