Frau Inger auf Östrot. Henrik Ibsen

Frau Inger auf Östrot - Henrik Ibsen


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andern Knecht. Was hast Du aufgetrieben?

      Der Knecht. Den Brustpanzer, der Herlof Hyttefad gehört haben soll.

      Ejnar. Der ist zu gut für Dich; – sieh, hier hab' ich die Lanzenstange Sten Stures! Steck' den Panzer darauf, so haben wir das prächtigste Heerzeichen, das man verlangen kann.

      Der Schlossdiener Finn mit einem Brief in der Hand kommt durch die Tür links und geht auf Inger zu. Ich hab' Euch in allen Stuben gesucht –

      Inger. Was soll's?

      Finn reicht ihr den Brief. Ein Knappe aus Drontheim hat Brief und Botschaft für Euch gebracht.

      Inger. Laß sehen! Indem sie den Brief öffnet: Aus Drontheim? Was kann das sein? Sie durchfliegt den Brief. Barmherziger! Von ihm! Er hier im Lande –

       Sie liest in heftiger Bewegung weiter, während die Mannen fortfahren, sich Waffen aus dem Saale zu holen.

      Inger für sich. Er kommt also hierher – und noch in dieser Nacht. – Ja, dann gilt es, mit der Klugheit und nicht mit dem Schwerte zu kämpfen!

      Ejnar. Genug, genug, Ihr guten Bauern! Nun, mein' ich, sind wir wohlgerüstet. Nun können wir uns auf den Weg machen.

      Inger mit einer raschen Wendung. Kein Mann verläßt diese Nacht den Hof!

      Ejnar. Aber edle Frau, jetzt ist der Wind uns günstig; wir gehen über den Fjord und –

      Inger. Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe.

      Ejnar. Sollen wir denn bis morgen warten?

      Inger. Bis morgen und noch länger. Kein bewaffneter Mann darf Östrot verlassen – für den Augenblick!

       Man vernimmt aus der Menge Äußerungen des Unwillens.

      Einige Bauern. Wir gehen trotzdem, Frau Inger!

      Viele Andere. Ja, ja, wir gehen trotzdem.

      Inger einen Schritt näher. Wer wagt es? Alle schweigen; nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: Ich habe für Euch gedacht. Was wißt Ihr geringen Leute aus dem Volke von den Sachen des Landes? Wie könnt Ihr Euch vermessen, über dergleichen zu urteilen? Ihr werdet Druck und Mühsal noch eine Weile ertragen müssen! Das darf Euch nicht zu nahe gehen, wenn Ihr bedenkt, daß auch uns, den Herrengeschlechtern, heutzutage kein bessres Los beschert ist! – Tragt die Waffen alle wieder in den Saal! Später sollt Ihr meinen Willen erfahren! Geht!

       Das Gesinde bringt die Waffen zurück; dann entfernt sich die ganze Schar durch die Tür rechts.

      Eline leise zu Björn. Meinst Du noch immer, ich hätte mich mit meinem Urteil versündigt an – der Herrin von Östrot?

      Inger Björn herbeiwinkend. Halt eine Gastkammer bereit –

      Björn. Gut, Frau Inger.

      Inger. Und die Pforte offen für jeden, der etwa anpocht.

      Björn. Aber –?

      Inger. Die Pforte offen.

      Björn. Die Pforte offen. Er geht rechts ab.

      Inger zu Eline, die schon in der Tür links steht. Bleib – Eline – mein Kind. Ich habe mit Dir allein zu reden.

      Eline. Ich höre Euch.

      Inger. Eline, – – Du denkst schlecht von Deiner Mutter.

      Eline. Ich denke nur die Gedanken, zu denen mich Euer Benehmen so schmerzlich zwingt.

      Inger. Und Du antwortest mir, wie Dein harter Sinn Dir gebeut.

      Eline. Wer hat meinen Sinn verhärtet? Seit frühester Kindheit war ich gewohnt, zu Euch emporzublicken wie zu einem großen, hochgesinnten Weibe. Euch müßten, dacht' ich, jene Frauen gleichen, von denen in den Chroniken und im Heldenbuche steht. Es war mir, als ob Gott selbst sein Zeichen auf Eure Stirn gedrückt und Euch als die bestimmt hätte, die die Zagen und Unschlüssigen lenken sollte. Im Hochsaale sangen Ritter und Herrenleute zu Eurem Preis; ja selbst der gemeine Mann, nah und fern, nannte Euch die Hoffnung und Stütze des Landes, und alle meinten sie, daß durch Euch die guten Zeiten wieder kommen würden. Alle meinten sie, daß mit Euch ein neuer Tag uns anbräche. Noch ist es Nacht; und ich weiß nicht, ob ich länger glauben darf, daß mit Euch ein Morgen kommt.

      Inger. Es läßt sich leicht erraten, woher Dir so giftige Worte stammen. Dir ist zu Ohren gekommen, was der gedankenlose Haufe über Dinge flüstert und murmelt, die er kaum beurteilen kann.

      Eline. Im Volksmund ist Wahrheit, sagtet Ihr damals, als Euer Ruhm in Wort und Lied erscholl.

      Inger. Mag sein. Aber wenn ich nun auch vorgezogen hätte, untätig hier zu sitzen, obgleich es bei mir stünde, zu handeln, – glaubst Du nicht, daß dieses mein Los mir eine Bürde ist? Und auf diese schwere Bürde willst Du noch Steine häufen?

      Eline. Die Steine, die ich auf Eure Bürde häufe, drücken mich ebenso sehr wie Euch. Leicht und frei sog ich des Lebens Odem ein, solang' ich an Euch glaubte. Denn soll ich leben, muß ich Stolz empfinden; und stolz würde ich mit Recht gewesen sein, wofern Ihr geblieben wäret, was Ihr einstens wart!

      Inger. Und was bürgt Dir dafür, daß ich es nicht bin? Eline – woher weißt Du so genau, daß Du Deiner Mutter nicht unrecht tust?

      Eline leidenschaftlich. O, daß ich es täte!

      Inger. Still! Es kommt Dir nicht zu, Rechenschaft von Deiner Mutter zu fordern. – Mit einem einzigen Worte könnt' ich –; doch es zu hören wäre nicht gut für Dich. Du mußt abwarten, was die Zeit bringt; vielleicht –

      Eline, indem sie gehen will. Schlaft wohl, Mutter!

      Inger zögernd. Nein – bleib bei mir! Ich habe noch etwas – komm näher! – Du mußt mich hören, Eline! Sie setzt sich an den Tisch beim Fenster.

      Eline. Ich höre Euch.

      Inger. So verschlossen Du auch bist, ich weiß doch, daß Du Dich mehr als einmal von hier weggesehnt hast. Es ist Dir zu einsam und zu öde auf Östrot.

      Eline. Wie kann Euch das wundern, Mutter?!

      Inger. Es steht bei Dir, ob es künftig anders werden soll.

      Eline. Wieso?

      Inger. Höre mich. In dieser Nacht erwart' ich einen Gast auf dem Schloß.

      Eline nähert sich. Einen Gast?

      Inger. Einen Gast, der fremd und unerkannt bleiben muß. Niemand darf wissen, woher er kommt, noch wohin er geht.

      Eline stürzt mit einem Freudenschrei ihrer Mutter zu Füßen und ergreift ihre Hände. Meine Mutter! Meine Mutter! Vergebt mir all das Unrecht, das ich Euch zugefügt habe, – wenn Ihr könnt!

      Inger. Was meinst Du? Eline, ich versteh' Dich nicht.

      Eline. So haben sich denn alle getäuscht! Ihr seid noch im Herzen treu!

      Inger. Aber so steh doch auf, – und sag' mir –

      Eline. Und glaubt Ihr, daß ich nicht weiß, wer der Gast ist?

      Inger. Du weißt es? Und doch –

      Eline.


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