Das Visum ins Paradies Europa – Sammelband. Dantse Dantse

Das Visum ins Paradies Europa – Sammelband - Dantse Dantse


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ein bisschen älter war und die ganze Zeit gelesen hatte: „Karl-Heinz Riedle, meinen Sie?“

      „Oh ja, Karl Heinz Riedle, den habe ich gemocht.“

      „Ich glaube“, sagte Stefan, „es wäre höflich, wenn ich dir alle vorstelle. Wie gesagt ich heiße Stefan, bin Agraringenieur, sie –“, die Frau, die mit Johnny gesprochen hatte, „heißt Anna, sie ist Augenärztin“, er zeigte auf den, der Riedle kannte, „Günther ist auch Augenarzt, sie“, die andere Frau, die schlief, „ist Carla, Praktikantin, und der letzte heißt Mauritz, der Jüngste unter uns, er macht hier sein Auslandspraktikum. Wir arbeiten in Bamenda für eine Entwicklungsorganisation. Anna, Günther und ich sind seit zwei Jahren öfter hier. Wir kommen immer so zweimal im Jahr her und bleiben ungefähr drei Monate. Diesmal waren wir sechs Monate am Stück da und wollen nun unsere letzten 14 Tage Urlaub machen. Dann kehren wir nach Deutschland zurück. Aber Mauritz und Carla bleiben noch vier Monate glaube ich, ja, vier Monate. Wir freuen uns sehr auf Kribi, aufs Meer, weißen Sand, leere Strände, Kokosnüsse, Ananas, Melonen, vielleicht sogar kleine Affen, Erholung pur.“

      Johnny, ganz Gentleman, grüßte alle bis auf die Schlafende mit Namen Carla: “Hallo Stefan, hallo Anna, hallo Günther, hallo Mauritz, ich bin der Johnny.“

      Anna ergänzte: „Johnny Win-Win, so ist es, oder?“ Johnny lächelte nur. Anne fragte ihn: „Warum Win-Win? Bist du immer nur im Business?“ Johnny antwortete: „So in etwa kann man das behaupten. Das Leben ist ein Win-Win Geschäft oder ein Lose-Lose Geschäft. Da ich ein positiver Mensch bin und es liebe zu gewinnen, haben meine Freunde mir diesen Spitznamen Win-Win gegeben.“

      „Was machst du so beruflich und was machst du in Kribi? Auch Urlaub?“, fragte Stefan. Johnny mit seinem charmanten Lächeln antwortete nicht direkt, sondern strategisch mit einer Gegenfrage: „Ihr dürft dreimal raten, und wer nah dran ist, bekommt von mir ein Dinner spendiert, ein drei Gänge Menü mit Champagner.“

      „Hmmm, ein Galan“, sagte Anna. „Du musst uns aber dabei helfen. Sehr warm heißt richtige Richtung. Wärmer sagst du, je näher wir dran sind und umgekehrt mit kalt. Ich fange an: Du bist ein Akademiker bzw. du hast studiert.“ Johnny sagte: „Sehr warm.“

      „Du bist auf Urlaub in Kribi“, sagte Günther.

      „Sehr kalt“, antwortete Johnny.

      „Dann bist du beruflich in Kribi“, sagte Anna wieder.

      „Warm“, antwortete Johnny.

      „Das ist schon drei Mal“, meinte Stefan, „aber ich würde noch dazu sagen, dass du nicht ganz beruflich in Kribi bist, sondern geschäftlich, wenn dein Name schon Win-Win heißt.“

      Johnny sagte ganz relaxed: „Ok, ihr alle seid nah dran, deswegen kriegt ihr alle zusammen das Menü, auch Carla.“ Die wurde gerade wach, als sie hörte, wie die vier laut lachten. Sie fragte, worum es ginge und was mit ihr sein sollte.

      Johnny schaute sie ungewollt direkt an, und ihre Augen trafen sich so intensiv, dass Carla rot wurde. Jeder konnte es merken. „Bist du immer so schön, wenn du aufwachst? Man könnte sagen, Deutschland hat seine schönsten Frauen nach Kamerun geschickt und zwei davon befinden sich mit mir in diesem Bus.“ Ja, Johnny war wieder mal in seinem Element. „Ich heiße Johnny, aber Anna will immer, dass ich Win-Win nicht weglasse. Deswegen einfach Johnny Win-Win.“

      „Ich heiße Carla, Carla Schröder, freue mich dich kennenzulernen.“ „Schr… Sh… che… Scscöder...?“, versuchte Johnny den Namen auszusprechen. „Nein, das ist nichts für mich. Aie, die deutsche Sprache ist wie eine Kriegssprache, eine Kommando-Sprache, sehr schwer. In der 9. und 10. Klasse hatte ich Deutsch als zweite Fremdsprache. ‚yao lernt Deutsch, gut Morgen, gut Abend, gute Nacht, wer bist du, mein Name ist Johnny…‘ das kenne ich noch, sonst nix mehr.“

      Carla lächelte ein bisschen geniert, da Johnnys Aufmerksamkeit nun nur ihr zugeteilt war und die anderen sich vielleicht ausgeschlossen fühlten. Deswegen versuchte sie, die Ausführung von Johnny nicht weiter zu kommentieren als mit einem Lächeln, und sie versuchte, aus der Johnny-Umklammerung mit einer Frage auf Deutsch an Anna zu entkommen.

      Johnny ließ sich so nicht beeindrucken: „Hast du jetzt Geheimnisse vor mir?“

      „Wieso?“, fragte Anna. „Du hast Geheimisse vor uns. Du hast noch nicht gesagt, was du machst und was du in Kribi machen willst?“

      „Ha, es ist mir eigentlich egal, aber ich freue mich riesig auf sein kostenloses Dinner, wann wäre das?“, fragte Stefan.

      „Du schon wieder, Stefan, immer das gleiche. Alles ist dir egal bis auf Essen“, betonte Anna ein bisschen genervt.

      „Warum willst du wissen, was er macht und was er in Kribi vorhat? Immer sehr neugierig. Typisch deutsch, Johnny. Geheimnisse sind Folter für Deutsche. Sie können nicht mit etwas umgehen, was sie nicht kontrollieren können, oder wo sie zumindest das Gefühl haben, es kontrollieren zu können.“

      „Hä, ich will ihn gar nicht kontrollieren. Übrigens weiß er auch, wer wir sind und was wir dort machen. Ich empfinde das überhaupt nicht als ein Problem, wenn ich mich für die Kultur der Menschen interessiere“, entgegnete Anna.

      „Naja, Interesse an der Kultur, höchstens an ihm, auf jeden Fall freue ich mich auf das Dinner“, sagte Stefan und machte schon wieder Bilder, um sich auszuklinken.

      „Ist kein Problem“, sagte Johnny, der diese kleine Diskussion mitverfolgt hatte. “Ich bin ein Geschäftsmann aus Douala und möchte in Kribi einen Job suchen, einen Job in einem Hotel.“

      Alle waren überrascht. Sie hätten an alles gedacht, aber nicht, dass er nach Kribi fährt, um einen Job zu suchen.

      Diesmal reagierte sogar der Es-ist-mir-egal-Mann Stefan ein bisschen irritiert bzw. überrascht.

      „Du willst uns doch nicht verarschen, oder?“, fragte Stefan.

      „Nein, es ist wirklich so. Ich möchte einen Job in einem Hotel, sei es auch als Tellerwäscher oder als Müllsammler am Strand. Egal was. Entwarnung: Ich experimentiere nur etwas. Ich möchte sehen, wie es ist, diesmal nicht als Chef, sondern als einfacher Arbeiter zu arbeiten und Anweisungen von Dritten auszuführen und zu befolgen. Das habe ich noch nie erlebt und es interessiert mich sozioökonomisch sehr. Ich schreibe gerade ein Buch über das Sozialverhalten von Menschen aus den sogenannten unteren Klassen und was man von ihnen lernen kann.“ Ja, Johnny konnte mit einem Wort eine goldene Pyramide bauen. Das Gold hier waren seine Ideen. Er war in seinem Element. Er war eine Art Alchemist des Lebens. Er fand immer die richtige Antwort, um sich von schwierigen Fragen zu befreien. Seinen Plan hatte er noch niemandem erzählt.

      Man konnte an den Gesichtern der Deutschen erkennen, wie die Anspannung weg war.

      Stefan war erleichtert, dass sein Baugefühl ihn nicht getäuscht hatte, er sagte: „Es hätte mich wirklich erstaunt. So schlechte Menschenkenntnis habe ich nicht. Ich bin kein Branchenkenner, da ich viele meiner Sachen bei C&A kaufe. Aber wenn ich sehe, was du da anhast, alles top, von Boss und Prada. Wenn ich deine Ausstrahlung, deine Allüren, deine Manieren und dein Benehmen sehe, kann ich hundertprozentig davon ausgehen, dass du keinen Job brauchst. Du bist also einer von oben, der aus Langweile das tut, was konträr zu dem ist, was er immer getan hat, oder?“

      Zum ersten Mal versuchte Johnny, seine neuen Freunde genau zu betrachten.

      Der Stefan sah wirklich aus wie ein Agrarmensch, wie ein Ökotyp. Er war normal groß, vielleicht 1,80 m, dünn mit langen, ungepflegten Haaren und kurzem Bart. Hinter der Fassade konnte man einen schönen Mann sehen, wenn er noch fünf Kilo mehr zunehmen würde. Johnny schätzte, dass er Mitte 30 sein könnte. Er sah locker aus, wie so ein Mensch, der sich wenig um seine Umwelt kümmert, nein, besser gesagt einer, der sich nicht kümmert, was seine Umwelt über ihn denkt. Er hatte eine Jeans angezogen und ein schwarzes T-Shirt, das dem Augenschein nach schon mehrmals gewaschen wurde und seine Farbe ziemlich verloren haben. Er trug solche Schuhe, die man hier in Kamerun nur auf dem Second Hand Markt aus Deutschland kriegen konnte. Solche Schuhe, die auch in 100 Jahren immer noch getragen werden können.

      Günther


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