Das Visum ins Paradies Europa – Sammelband. Dantse Dantse
als die anderen, deswegen waren im Vergleich weniger Leute darin. Irgendwann würden die Verantwortlichen die Preise auf das Niveau der anderen senken, um mehr Kunden zu locken. Sie wussten das auch, aber bis dahin hatten sie auch schon einige Kunden gewonnen, die wie Johnny wegen der Bequemlichkeit lieber bis zu 100% mehr bezahlt hatten: wie an der Börse halt.
Johnny saß seit einer Stunde im Bus und wartete, dass der Fahrer anfuhr. Gegen 17 Uhr war es so weit und auf einmal hatte der Fahrer es eilig.
Es wurde gehupt, geschrien. Sie müssten noch vor der Dunkelheit in Kribi ankommen. Er tat so, als ob er die ganze Zeit nicht gewusst hätte, dass es um 18 Uhr schon fast überall in Kamerun dunkel ist. Die Passagiere versuchten noch durch das Fenster einiges an Proviant zu kaufen.
Johnny lachte nur. Typisch kamerunisch. Die ganze Zeit sitzen sie einfach so im Bus und wissen, dass der Bus bald fahren wird. Erst wenn der Motor an ist und der Bus schon langsam losrollt, denken sie daran, dass sie noch Wasser, noch Saft, noch etwas zu essen brauchen. Der Fahrer kennt die Situation, aber um Druck zu machen, lässt er den Bus weiter langsam rollen, manchmal gibt er Gas und dann wieder langsamer bis irgendwann mal alle Passagiere das bekommen haben, was sie wollten.
Man muss in Kamerun sehr geduldig sein, meinte er. Geduld war aber eine seiner Stärken. Der Bus fuhr Richtung Osten aus der Stadt Douala in Richtung Yaoundé/Edea/Kribi. Um diese Uhrzeit wimmelt es nur so von Taxis, Pkws und vor allem Unmengen von Mototaxis, die manchmal bis zu vier Personen trugen. Endlich waren sie raus aus der Stadt und fuhren auf eine ganz ordentliche Straße nach Kribi. Die Spannung sank endlich.
Im Bus lief ganz gute Musik, man fühlte sich einfach wohl darin. Die Passagiere schienen nett zu sein und hinter Johnny entbrannte eine heiße Diskussion über Fußball. Über Eto´o, Roger Milla und die nationale Mannschaft „die unbezähmbaren Löwen“.
„Eto´o ist der beste Stürmer der Welt. Seht ihr nicht, was er in Barcelona macht?“, sagte der eine.
„Es ist uns egal, ob er in Europa der beste Stürmer ist, für uns in Kamerun ist und bleibt Roger Milla, unser Roger der beste Stürmer“, sagte eine Frau um die 40, die die ganze Zeit mit einer Gruppe von Männern über Fußball diskutierte.
„Ha, du bist nur eine Frau, die keine Ahnung vom Fußball hat. Hat Roger Milla jemals in einer großen Mannschaft gespielt? Hat er so viel verdient, wie Eto’o?“
Die Frau ließ sich nicht einschüchtern: „Ob ich Ahnung habe oder nicht, ist egal. Wichtig ist, was der eine für unser Land getan hat. Ich war mehrmals in Europa, wenn ich sage ich komme aus Kamerun, fragen alle nach unserem Roger. Jeder kennt ihn, aber Eto´o? Wer denn?“
„Haha, typisch Frau“, entgegnete der Mann wieder, „ihr seht nur das Äußerliche.“ Ein anderer Mann intervenierte: „Lass es sein, uns immer mit dem Gegenargument „typisch Frau“ überzeugen zu wollen. Hier geht es nicht um Frau oder Mann. Sag uns einfach, warum für einen Kameruner Eto´o besser ist als Milla? Auf wen ein Kameruner stolzer sein sollte, wer für unseren Fußball und für das Land mehr gemacht, sich geopfert hat. Ja, das ist die Frage und wir wollen dafür deine Argumente hören und nicht nur Frau hier, Frau da.“
Der ganze Bus lachte. Das hatte gesessen. Der andere schaute auf seine Kumpels, die ihm die ganze Zeit mit dem Kopf zugenickt hatten, um zu zeigen, dass sie mit seiner Ausführung einverstanden waren, ja, er schaute ein bisschen ratlos nach ihnen, um Unterstützung anzufordern. Leider bekam er sie nicht. Die Blicke der Kumpels waren nun auf die Straße fixiert.
Sie waren nun in Edea, eine kleine Altstadt in Kamerun zwischen Douala und Yaounde, wo der Sitz einer großen Aluminiumfirma ist und auch das große Kraftwerk, das Kamerun mit Elektrizität versorgt.
Der Busfahrer bog rechts an der Kreuzung Richtung Kribi ab auf eine sehr schöne Straße in sehr gutem Zustand. Die Landschaft war hier auch schon anders, sehr wenige Häuser, viel Grünes, wie eine Autobahn durch eine intakte Natur.
Der Mann griff wieder an. Anscheinend wollte er sich nicht so leicht geschlagen geben. „Ja, Milla, Milla, man muss die Sache in die Zeit einordnen. Eto´o verdient heute hundertmal mehr als Milla und damit ist er ein Schwarzer, der unter den Besten ist. Das macht uns stolz und er schießt Tore und Tore und Tore. So viele wie keiner vor ihm.“
Die Frau lächelte. „Er verdient hundertmal mehr als unser Roger in seiner Zeit. Gerade das ist ja das Problem. Roger hat mit so wenig Geld mehr für Kamerun getan. Es geht auch um das Verhalten. Eto´o ist arrogant und benimmt sich schlecht. Sein Verhalten zerstört die Stimmung in der ganzen Mannschaft. Er ist ein Arrivist, der von der Straße zum großen Geld gekommen ist und denkt nun, er kann sich alles leisten.“
Die Frau bekam Unterstützung von dem Busfahrer: „Ihr geht zu weit, glaube ich. Eto´o zu vergleichen mit Roger Milla ist eine Majestätsbeleidigung. Es gibt da nichts zu vergleichen. Man müsste ihn mit Rigo vergleichen, Rigobert Song ist viel patriotischer als Eto´o. Er kämpft mehr für das Land als Eto´o.“
Weitere Unterstützung bekam die Frau von verschiedenen Leuten im Bus. „Es ist uns egal, was Eto´o verdient. Kommt ein Cent davon in meine Tasche?“, sagte ein alter Mann. Eine andere Frau mischte sich auch ein: „Er hat sogar gesagt, er würde nie eine kamerunische Frau heiraten, weil sie schlecht wären … he, Mouf, er soll verschwinden mit seinem dickem Kopf. Auch mit seinem ganzen Geld kriegt er nicht die letzte Kamerunerin.“
Der ganze Bus lachte sich kaputt.
„Ja, er ist nur bei den Weißen gut. Er hat Komplexe vor Weißen. In der kamerunischen Nationalmannschaft macht er nur Probleme. Bei den Weißen ist er angepasst und hier will er so tun, als ob er wichtiger ist? Sa tête la m´énerve beaucoup. Er schießt sowieso nur Tore wegen Ronaldhino…“
Es war ganz schnell klar, wer der Favorit der Kameruner im Bus war.
Die Fahrt ging bis dahin sehr gut. Johnny saß direkt hinter dem Fahrer am Fenster. Neben ihm war eine Gruppe von deutschen Urlaubern, die die ganze Zeit ruhig die Diskussion verfolgte und sehr interessiert die schöne Landschaft anschaute. Der eine neben ihm streckte öfter die Hand durch das Fenster nach draußen, um Bilder zu machen. Sie überquerten gerade eine Brücke über einen langen Fluss. Sehr schöne Sicht. Johnny schubste ihn und macht ihm ein Zeichen doch gerade hier Bilder zu machen. Der Mann versuchte es, aber da es schwer war, immer so schnell mit dem Fotoapparat zu reagieren, fragte ihn Johnny, ob er nicht doch direkt am Fenster sitzen möchte. Der Deutsche war überglücklich und nahm das nette Angebot gern an. So konnte er ungeniert bessere Bilder von der Landschaft machen.
„Merci beaucoup, c’est gentil“, sagte er.
„De rien, you are welcome”, antwortete Johnny.
Sie wechselten die Plätze und Johnny riet der Frau, die neben dem Deutschen saß, auch weiter nach links zu ihrem Kumpel durchzurutschen. Er würde dann zwei Plätze weiter nach rechts gehen, damit die beiden sich nicht trennten. Die Frau bedankte sich auch und sagte: „Stefan, das ist sehr nett von dem Mann. In Deutschland würde so etwas nie passieren. Die Menschen sind hier einfach nicht so auf sich selbst fixiert, sie tun viel für die anderen, einfach so, damit es den anderen gutgeht. Das gefällt mir hier an dieser Mentalität.“
Johnny lächelte und fragte sich, reden sie mit mir? Ich verstehe kein einziges Wort Deutsch. Der nun am Fenster saß und Stefan hieß, antwortet in einem ziemlich guten Französisch: „Nein, sie hat sich bedankt und freut sich über die Mentalität hier, ich heiße Stefan.“
„Ich..., hmmm, nennt mich einfach Johnny, meine Freunde nennen mich aber Johnny Win-Win.“
Alle lachten über den Spitznamen. „Win, win?“, fragte die deutsche Frau neben Stefan.
„Ja, Win-Win. Kennt ihr in Deutschland sowas wie Spitznamen nicht?“
Die Frau antwortete in einem passablen Französisch: „Doch, das kennen wir. So was gibt es in Deutschland, aber öfter ist es eine Abkürzung oder Ableitung des richtigen Namens, z.B. wie Klinsi, das kommt von dem bekannten Fußballspieler Klinsmann.“
„Ja, Klinsmann kenne ich, das war doch eine Mannschaft 1990. Damals war ich auch Jugendlicher,