Sinja und der siebenfache Sonnenkreis. Andreas Milanowski

Sinja und der siebenfache Sonnenkreis - Andreas Milanowski


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kam auf. Wieder schlug der Großmeister dreimal mit dem Hammer auf das Holz.

      „Brüder! Wie ihr wisst, wurde das Geheimnis des siebenfachen Sonnenkreises lange Zeit von der Loge `Zur wahren Eintracht´ geschützt und bewahrt. Die Komponisten Haydn und Mozart waren dort Mitglieder. Leider musste sich diese Loge im Jahr 1789 der Menschenzeit aufgrund des Drucks, den der Kaiser damals auf sie ausübte, selbst auflösen. Da dadurch das Geheimnis in der Menschenwelt nicht mehr sicher schien, ging die ehrenvolle Aufgabe der Bewahrung der Pergamente auf unseren Orden über. Bis heute haben wir diese Aufgabe vorbildlich erfüllt. Doch leider sind nun zwei Verbrechen geschehen, zwei furchtbare Taten, die nicht nur das Ansehen unserer Loge aufs Äußerste beschädigen, sondern das ganze Land in allergrößte Gefahr bringen können.“

      Einige der Brüder begannen, sichtbar nervös, auf ihren Stühlen hin und her zu rutschen.

      „Was ist geschehen?“, riefen sie.

      „Ich will es euch sagen“, antwortete der Meister. „In das Verlies der Bruderschaft wurde eingebrochen“, fuhr er fort „und….“, er hob seine Stimme, um die erneut aufkommende Unruhe zu übertönen, „….und….es kommt noch schlimmer. Die Schriftrollen, die den Aufbau des Sonnenkreises und alle geografischen Angaben dazu enthalten, wurden gestohlen. Da das Schloss zum Torgitter völlig unversehrt ist, müssen wir annehmen, dass der Dieb Unterstützung aus den Reihen des Ordens erhalten hat.“

      „Aus unseren eigenen Reihen?“, riefen mehrere der Brüder im Chor.

      „Das ist entsetzlich! Eine Katastrophe!“

      „Ja, furchtbar! Und zweitens?“, stöhnte ein Anderer, „was war zweitens?“

      „…und zweitens“, ergänzte der Meister „und das ist ebenfalls eine schreckliche Nachricht, wurde Königin Myriana entführt. Dazu kann euch der Meister des dritten Grades, Zabruda Menroy, mehr berichten!“

      „Schockierend!“

      „Bei allen Geistern der vier Elemente!“

      „Das sind ja schreckliche Neuigkeiten!“

      „Was nun?“ Viele Stimmen riefen durcheinander.

      Aus den Reihen der dunkelblauen Roben erhob sich eine Gestalt. Auch seine Kapuze war tief über die Augen gezogen, sein Gesicht nicht zu erkennen. Doch musste dies der angesprochene Menroy sein.

      „Brüder, bitte!“, rief er und hob beschwichtigend seine rechte Hand. „Ja, es ist, wie der Meister sagt. Königin Myriana wurde entführt und wir können leider nicht ausschließen, dass, in beiden Fällen, der Unerhörte seine Finger im Spiel hatte. Im Wohnbereich der Königin wurde ein Schreiben des Entführers gefunden, in welchem er die Herausgabe des `flammenden Herzens´ innerhalb von drei Sonnentänzen verlangt, der Zaubergeige, die sich im Besitz des Menschenmädchens Sinja befindet. Er erwartet, dass wir uns mit ihm am alten Brunnen um die Mitte der Dunkelzeit treffen. Inzwischen ist auch bekannt, um wen es sich bei dem Entführer handelt. Er hat sich, einen Sonnentanz nach der Tat, beim Magus gemeldet und seine Forderung bekräftigt. Es ist Cheety Bugga, ein Dieb und Betrüger aus der Unterwelt, dem Labyrinth.“

      Aus dem allgemeinen Gemurmel, das den Ausführungen Menroys folgte, schälte sich eine einzelne Stimme deutlich heraus:

      „Diese kleine, schleimige Kröte!“, knurrte sie unter einer der Kapuzen hervor, „ist jemals etwas Gutes von diesem Kerl gekommen? Wir sollten ihn so schnell wie möglich schnappen und am höchsten Baum aufhängen.“

      „Wenn er beim Magus war, warum habt ihr ihn nicht gleich verhaften lassen?“, fragte ein anderer der Brüder.

      „Wir sollten in diesem Fall besonnen vorgehen“, mahnte Menroy, „und da wir davon ausgehen müssen, dass er nicht alleine handelt, können wir ihn nicht einfach verschwinden lassen. Wir hätten sonst, unter Umständen, den Tod der Königin riskiert und das ist zurzeit keine Option. Außerdem sind wir nicht die Regierung und können einfach so über Gendarmen verfügen.“

      „Oh, Entschuldigung! Ich vergaß!“

      „Werden wir denn innerhalb von drei Sonnentänzen überhaupt im Besitz des Instrumentes sein?“, wollte ein Eingeweihter wissen. „Ansonsten macht es ja wohl kaum Sinn, sich mit Bugga zu treffen!“

      „Nun, wir werden sehen“, sagte Menroy, „dem Vernehmen nach soll Sinja auf dem Weg nach Fasolanda sein. Ich gehe davon aus, dass sie die Geige mitbringt und, dass wir bis zum Ende des dritten Sonnentanzes einen Weg gefunden haben.“

      „Aber wir werden doch diesem Kerl nicht die Zaubergeige aushändigen. Wer weiß, was er damit anstellt!“

      „Er wird sie kaum zum Musizieren brauchen“, sagte Menroy kühl. „Ich vermute, dass, wenn er nicht ohnehin im Auftrag des Unerhörten handelt, er mit diesem Kontakt aufnehmen und ihm die Geige anbieten wird, sobald er sie in seinem Besitz hat. Er wird wahrscheinlich nicht wissen, wofür der Unerhörte das Instrument braucht, aber er weiß, dass er es braucht. Und er weiß, dass ihm die Geige einiges wert ist.“

      „Das darf auf keinen Fall geschehen! Wenn der Unerhörte mit Hilfe der Zaubergeige den Sonnenkreis öffnen kann, wäre das das Ende für Frieden und Freiheit in Dorémisien!“

      „Die Geige nicht zu übergeben, hieße aber im schlimmsten Fall, Myriana zu opfern?“

      „Wir wollen das vermeiden, wenn es sich vermeiden lässt“, sagte Menroy.

      „Brüder!“ Der Meister beendete energisch eine Diskussion, die ihm viel zu weit ging. „Wir werden heute nicht weiter über den eventuellen Tod der Königin spekulieren. Was zu sagen war, ist gesagt. Ihr wisst jetzt, was ihr wissen sollt. Jeder von euch ist informiert. Wer die Aufgabe übernehmen wird, sich mit Cheety Bugga am Ende des dritten Sonnentanzes zu treffen, werden wir noch festlegen. Bis dahin werden wir die Gendarmen nicht einschalten und auch versuchen, die Mitglieder der Regierung möglichst aus der Sache heraus zu halten. Die Bruderschaft kümmert sich um die Angelegenheit und es kann nur schaden, wenn zu Viele sich einmischen. Wir halten Augen und Ohren offen und treffen uns zu Beginn der nächsten Dunkelzeit hier an diesem Ort wieder!“ Der Meister schlug erneut auf sein Holz. Die Versammelten erhoben sich und verließen murmelnd den Raum.

      28 (26/3)

      Währenddessen bereiteten sich in Engil Sinja und die sechs Elfen auf ihre Reise vor.

      „Bereit?“, fragte Emelda, nachdem sich alle vor ihrer Behausung unter den Riesenfarnen eingefunden hatten. „Dann stellt euch auf, hier, an dieser Stelle.“

      Sie deutete auf einen Kreis aus weißen Kieselsteinen.

      „Wir müssen alle in einem Schwung rüber. Alle müssen in diesen Kreis hineinpassen.“

      „Das wird aber eng!“, bemerkte Sinja. „Können wir nicht in zwei Gruppen….?“

      „Reisen mit dem Taktstock ist Magie“, unterbrach sie Emelda gereizt „und die steht uns nicht unbegrenzt zur Verfügung, schon gar nicht, wenn wir zu siebt unterwegs sind. Vier hin, eine zurück, nochmal vier hin. Das ist zu viel. Also, hör´ auf zu meckern und quetsch dich da jetzt rein!“

      Mit einigem Ruckeln, Ziehen und Zerren gelang es ihnen schließlich, sich so zu stellen, dass alle sieben innerhalb des Kieselkreises Platz hatten.

      „Und jetzt? Der Taktstock?“, fragte Sinja. Sie war zwischen Cichianon und Gamanziel eingeklemmt und hatte Teile eines Elfenflügels im Gesicht. Das kitzelte in der Nase und sie musste niesen.

      „Gesundheit!“, wünschte Emelda, „ja, anders als mit dem Taktstock geht’s leider nicht. Es sei denn, du möchtest den ganzen Weg laufen!“

      Sinja sparte sich eine Antwort.

      „Und wenn uns jemand fragt, wie wir rübergekommen sind, was sagen wir dann?“, fragte Gamanziel.

      „Hm! Keine Ahnung. Dann müssen wir kreativ werden und uns eine nette Geschichte einfallen lassen. Können wir?“


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