Gesund leben. Susanne Diehm
ohne Grenzen und ohne Angst davor, es fließen zu lassen, es aus sich heraus und in das Wort, in den Text, in den Reim, in den Stil fließen zu lassen, frei von Angst vor Bewertung – mutig, genau diesen Teil von sich sichtbar zu machen, den man bis vor ein paar Minuten noch nicht kannte.
Beginnt der Prozess des Schreibens, so fließt er zuweilen unaufhaltsam, birgt Gefahren, Unbehagen, aber auch Magie oder einfach nur Liebe und Wertschätzung für sich und das Durchlebte, das nun beleuchtet und sichtbar gemacht werden darf. All das bedeutet das Kreative Schreiben für die, die sich ihm öffnen wollen. Die Schreibenden kommen ins Erleben, können – durch das Fühlen und die Fähigkeit des Gehirns, flexibel zu sein, seiner Neuroplastizität geschuldet – neue neuronale Verbindungen ausbilden und neue Erfahrungen verinnerlichen.
Durch das Schreiben kann die freie Assoziation bei den Schreibenden einsetzen. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Psychoanalyse und meint einen Zustand, in dem der Analysand in einem geschützten Raum seine Gedanken frei ausspricht, der Analytiker greift Pausen oder ein Innehalten des Analysanden auf. Auch während des Schreibens kann es zu solch einem vergleichbaren Gedankenfluss kommen, der Schreiber berührt unbewusste Anteile, diese dürfen, bevor sie zum ersten Mal verbalisiert werden, geschrieben werden – was für ein Prozess!
Es kommt während des Schreibens des Weiteren zur Ressourcenaktivierung, sofern Erinnerungen berührt werden, Momente die bereits überwunden worden sind, Momente, die als unüberwindbar galten. Auch kommen Copingstrategien zum Einsatz. Eine Folge von vielen kleinen mutigen Schritten, die wir bereit sind zu gehen.
Dieses Buch setzt sich nach einem theoretischen Teil mit den Themen „Selbstbewusstsein“, „Ressourcen – Natur“, „Angst“, „Schmerz“, „Narben“ und „Kostbare Momente“ auseinander. Gewählt wurden diese Themen basierend auf den Stadien seelischer Schmerzen, die eine Person durchleben kann. Die Themen greifen hierbei sowohl die negativ besetzten Themen, wie Angst, als auch die positiv konnotierten, wie Ressourcen oder kostbare Momente auf. Diese Diversität brauchen wir, um eine ganzheitliche Verarbeitung möglich zu machen. In der Entsagung entsteht die Veränderung, und das Herausbilden unserer Stärken ist notwendig, um in die Akzeptanz zu kommen, d. h. um sein zu dürfen ohne das Gefühl, etwas an uns muss sich verändern.
So kann schreibend aus Resignation Kraft und Überwindung entstehen, eine wertvolle Möglichkeit, die wir nutzen sollten, um Heilungsprozesse zu unterstützen, ganzheitlich gesund und präventiv Kräfte generierend leben zu können, so wie es uns Nives, Ilona, Laura, Barbara, Uta und Gika in diesem Buch vormachen. Mutig, stark und zugleich sensibel verletzlich geben sich diese Frauen der Herausforderung hin.
Ich bewundere Euch dafür und folge Eurem Pfad.
Dr. Adak Pirmorady
Herzlich willkommen!
Ich freue mich, dass Sie das Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude entdeckt haben. Als Schreibtherapeutin, die gemeinsam mit Professor Dr. Sehouli – unter Supervision von Dr. Adak Pirmorady – das Schreiben an die Kliniken brachte, bin ich begeistert, wenn unsere Bewegung wächst und diese so therapeutisch wirkende Hilfe gut angenommen wird. Dankbar bin ich, dass ich unser im Team entwickeltes Konzept und Buch an mehr als einem Dutzend Unikliniken mit onkologischem Schwerpunkt vorstellen durfte; in vielen Aktionen gemeinsam mit Professor Sehouli und der Europäischen Künstlergilde für Medizin und Kultur www.eukmk.eu haben wir den Boden dafür bereitet, dass das Schreiben als ernst zu nehmende künstlerische Therapie stärker beachtet wird. Das Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude ist die überwiegend an der Charité Frauenklinik entwickelte Methode, sich schreibend nicht nur zu entlasten, sondern sich gleichzeitig zu stärken. Für viele der Patientinnen waren die Schreibseminare der erste Schritt in die Kreativität. Denn wer erst einmal zu schreiben beginnt, verändert sein Leben.
Susanne Diehm
Gründe dafür, dass das Schreiben – übrigens eine kostengünstige und einfache Methode – überall in Kliniken genutzt werden sollte, gibt es viele. Es hilft vor allem, Krankheit und Krise besser zu verarbeiten. Psychoonkolog*innen und Leiter*innen von Selbsthilfegruppen verstehen mehr und mehr, dass „in den Ausdruck kommen“ eine wichtige Funktion bei Überlastung und Stress darstellt und künstlerische Therapien dabei eine wichtige Rolle spielen. Professor Sehouli ist sogar der Meinung, dass vor einer OP oder Chemo, spätestens aber danach, parallel zu den medizinischen Interventionen eine begleitende Kreativtherapie angeboten werden sollte … Und als Autor ist er natürlich ein Fan insbesondere des Schreibens.
Mit dem Buch „Mit Schreiben zu neuer Lebenskraft“ (Diehm/Michaud/Sehouli) hat es begonnen: Im Team haben Jutta Michaud und ich das Gesundheitsfördernde Kreative Schreiben an unterschiedlichen Institutionen entwickelt und konnten es dank Professor Sehouli an der Frauenklinik der Charité etablieren. Damit wir dem wachsenden Bedarf gerecht werden und auch unsere individuellen Schwerpunkte entwickeln konnten, sind Jutta Michaud und ich seit 2019 in unterschiedlichen Bereichen aktiv. Das Schreiben an der Charité und in den Schreibinaren für die Stiftung Eierstockkrebs wurde zum Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude.
Es gibt grundlegende Themen, die bei der konstruktiven Verarbeitung von Krankheit eine Rolle spielen:
Angst
Schmerzen
Ungewissheit
Akzeptanz
Lebensfreude
Lebensqualität
In der Begleitung vieler an Krebs erkrankter Frauen habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Themen immer wieder hochgespült werden und die betroffenen Frauen froh sind, wenn sie angesprochen werden. Sei es das Thema Angst, Bewältigung von Schmerz oder die Akzeptanz dessen, was jetzt „anders“ ist – das ist nur eine Auswahl möglicher Themen. Und es spielen Fragen hinein, wie in diesem „Neuen Normalzustand“ Lebensfreude und Lebensqualität beflügelt werden können. Denn dahin wollen wir!
In Zeiten von Krise und Krankheit sind viele von uns verunsichert und schotten sich ab, sind aufgrund der Krankheit vielleicht auch ungewollt in „Quarantäne“, auf sich allein gestellt; müssen sich irgendwie beschäftigen. Da bietet das Schreiben sehr gute Möglichkeiten, um mit der Situation besser fertig zu werden. Hier sechs Begründungen aus der Praxis:
Wie hilft und wirkt das Schreiben? 6 Gründe für das Schreiben für Gesundheit und Lebensfreude
1. Schreiben lenkt ab. Wenn Sie mit einer Aufgabe beschäftigt sind, die Sie kreativ fordert, dann ist da kein Raum, um unnötig ins Grübeln zu kommen. Sie haben einfach keine Zeit dafür. Darüber hinaus empfinden Sie Schaffensfreude, fühlen sich stark, weil Sie Ihre Gestaltungskraft spüren. Es ist gut, Ihr Selbstbewusstsein zu stärken, damit Sie mit der neuen Situation besser umgehen können.
2. Schreiben entlastet. Warum schreiben wir im Alltag Einkaufslisten oder Arbeitspläne? Weil es den Arbeitsspeicher unseres Gehirns frei macht für wichtigere Aufgaben. Ebenso kann das Schreiben uns von Gefühlen entlasten und uns wieder handlungsfähig machen.
3. Schreiben stärkt: Wenn wir in den Fokus nehmen, was wir an Ressourcen und Kraftquellen haben, dann hängen wir nicht in einer negativen Spirale fest. Um diese Ressourcen bewusst zu machen, dafür schreiben wir. Und weil es auch einfach Spaß macht, die eigene Kreativität und Schaffensfreude zu erleben! Wir arbeiten mit Humor und spielerischen Elementen; in den Schreibgruppen wird viel gelacht!
4. Schreiben hilft uns, über das Erzählen von Geschichten nicht nur Gefühle auszudrücken, sondern auch Probleme zu bündeln und Lösungen zu finden. Schreiben ist – wenn man bestimmte Methoden kennt – auch ein Instrument, mit dem sich Probleme lösen lassen.
5. Schreiben wirkt in Gedichtform verdichtend: Wenn wir einen Wunsch äußern in einem Gedicht, dann entwickelt er eine Kraft wie ein Gebet. Wir stellen Ihnen im Rahmen der Webinare viele einfache Gedichtformen vor, sodass Sie selbst zum Dichter werden können.
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