Seelenmalerin. Ana Marna
in seinem Gesicht an und er nickte.
„Fein. Mein Name ist Hannah Riemann. Einer Ihrer Leute war so freundlich, mich hierher mitzunehmen. Mein Leihwagen ist leider verreckt und ich suche jemanden, der ihn reparieren kann.“
„Hm, was verschlägt Sie denn in diese abgelegene Gegend?“
Hannah überlegte, ob die Frage wirklich freundlich gemeint war. Immerhin wurde sie ihr schon zum zweiten Mal gestellt.
„Ich mache hier Urlaub“, lächelte sie und ließ den „Boss“ dabei nicht aus den Augen. Aber seine Miene war absolut unleserlich.
„Hm, und wo genau?“
„Ich vermute mal, dass es die sogenannte Jackson-Hütte ist, da mein Vermieter so heißt. Die ist hier ja ganz in der Nähe. - Mister O’Brian, ich möchte wirklich nicht lästig sein, aber dummerweise habe ich von Automotoren keine Ahnung, und dieser verflixte Autoverleih hat mir offensichtlich Schrott angedreht. Ich brauche jemanden, der den Wagen repariert. Können Sie mir helfen?“
Der Angesprochene lehnte sich zurück und betrachtete sie von oben bis unten.
„Sie wollen alleine in der Jackson-Hütte wohnen?“
Auch ihm war die Skepsis anzuhören. Abgesehen davon ignorierte er ganz offensichtlich ihre Frage.
„Jaah“, entgegnete Hannah langsam und mit einem geduldigen Unterton. „Aber um dahin zu kommen, brauche ich leider dieses dumme Auto.“
Er lehnte sich wieder vor und stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab.
„Sie wissen, dass die Hütte kein fließendes Wasser hat und nur einen halb verrotteten Stromgenerator?“
„Ich bin nicht sehr anspruchsvoll“, entgegnete sie freundlich. „Deswegen habe ich auch jede Menge Konserven im Kofferraum und mindestens ein Kilo Streichhölzer.“
Er schnaufte skeptisch, doch dann nickte er.
„Na gut.“
Er griff zu einem Telefon und drückte eine Taste.
„Theo? Trab mal an. Du wirst gebraucht.“
Dann erhob er sich.
„Kommen Sie.“
Ohne eine weitere Erklärung ging er um den Schreibtisch herum und zur Tür. Auf dem Weg dahin kam er an Hannah vorbei und legte seine Hand auf ihre Schulter.
Ehe sie sich‘s versah, wurde sie von ihm aus dem Raum geschoben. Er war beinahe einen Kopf größer als sie, was nicht besonders viel hieß, da sie selbst gerade mal eins sechzig maß, und besaß beeindruckend breite Schultern. Erst als sie den Dorfplatz betraten, ging Hannah auf, dass er sie mit einer solchen Selbstverständlichkeit vor sich hergeschoben hatte, dass sie nicht einmal auf die Idee gekommen war, Widerstand zu leisten. Nicht dass sie das Gefühl gehabt hatte, sich widersetzen zu müssen. Aber so etwas war ihr noch nie passiert.
Sie ließ sich ihre Irritation nicht anmerken, betrachtete O’Brian aber verstohlen von der Seite. Er war durchaus attraktiv. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig, also ein paar Jahre jünger als sie selbst, aber seine Ausstrahlung war - einschüchternd. Nicht unbedingt bedrohlich, doch sie konnte sich vorstellen, dass ihm nur wenige Menschen widersprachen.
Sie standen nur kurz vor dem Haus, als Theo im wahrsten Sinne angetrabt kam. Der blondhaarige Mann joggte um die Ecke eines Blockhauses und hielt vor ihnen.
„Was gibt’s, Boss?“
O’Brian nickte zu Hannah hinüber.
„Die Lady hier hat eine Autopanne. Schnapp dir Joseph und sieh zu, dass du die Karre zum Laufen bringst.“
Dann sah er zu Hannah.
„Geben Sie ihm den Autoschlüssel. Er bringt Ihnen später den Wagen zur Hütte.“
Hannah zögerte.
„Das ist nicht nötig. Ich kann ja mit ihm fahren, und ...“
Er schnitt ihr das Wort ab.
„Es kann länger dauern, bis der Wagen repariert ist. Und im Dunkeln verfehlen Sie die Jackson-Hütte leicht. Es ist sicherer, wenn ich Sie hinfahre. Wie gesagt, Theo bringt Ihnen den Wagen vorbei, sobald er läuft.“
Besagter Theo grinste Hannah an.
„Kein Problem, Ma’am. Morgen haben Sie die Kiste wieder.“
O’Brian knurrte unwillig.
„Nimm den Mund nicht so voll. - Kommen Sie, Mrs. Riemann. Ich bringe Sie gleich hin. Dann können Sie Ihr Ferienhaus noch im Hellen begutachten.“
Ihr entging nicht der sarkastische Unterton bei dem Wort „Ferienhaus“. Langsam kroch doch ein wenig Sorge in ihr hoch. Vor ihrem inneren Auge entstand schon das Bild einer halbverfallenen Bruchbude. Sie ließ sich nichts anmerken und nickte.
„Danke, das ist sehr freundlich.“
Kurze Zeit später saß sie neben Tucker O’Brian in einem Landrover, welcher schon bessere Zeiten gesehen hatte, und versuchte vergeblich, ein wenig zu entspannen. Die Nähe zu diesem Mann irritierte sie. Er war nicht unbedingt unfreundlich, aber sie spürte eine gewisse Ablehnung. Trotzdem half er ihr, und dafür war sie ihm dankbar.
Jackson Hütte, Minnesota
Als sie eine Viertelstunde später vor der Hütte stand, war sie doch erst einmal sprachlos.
Das romantische Ferienhäuschen, das ihr versprochen worden war, entpuppte sich als ein uraltes Blockhaus, das ganz offensichtlich dringend renovierungsbedürftig war. Die Fotos aus dem Internet mussten schon etliche Jahrzehnte alt sein. Der kleine Garten, der mal um das Häuschen angelegt worden war, konnte nur noch durch einen halbverrotteten Zaun erkannt werden. Alles war verwildert und der Hauseingang fast zugewachsen. Etwas weiter weg vom Haus stand ein kleines Holzhäuschen, das verdächtig nach Klohütte aussah.
Hannah ließ sich mal wieder nichts anmerken und setzte eine vergnügte Miene auf.
„Das sieht nach Abenteuer aus“, verkündete sie fröhlich und öffnete gespannt die Haustür.
Innen roch es muffig und durch die verdreckten Fenster drang nur wenig Licht herein. Sie stand in einem kleinen Wohnraum, in dem ein offener Kamin eingebaut war. Drei Türen führten in ein Schlafzimmer, eine Küche und ein kleines Badezimmer, in dem eine große Emaillewanne zum Baden und ein kleiner Tisch mit einem Waschbottich stand.
Also gab es tatsächlich kein fließendes Wasser.
Das Mobiliar war altmodisch und ungepflegt, die Küche genauso alt und verdreckt. Immerhin enthielt sie einen uralten Kühlschrank. Die Kochstelle war ein urururalter Holzofen.
„Der Generator steht nebenan im Schuppen“, erklang O’Brians Stimme in ihrem Rücken. „Ich seh‘ mal nach, ob ich ihn zum Laufen bringen kann.“
Er verschwand, bevor sie etwas erwidern konnte.
Als zehn Minuten später der Generator losknatterte, hatte Hannah bereits das Schlafzimmer inspiziert und die Matratze nach draußen geschleift. Dort bearbeitete sie das Polster mit einem dicken Stock, bis kein Staub mehr entfleuchte.
O’Brian kam aus dem kleinen Schuppen und beobachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie ließ den Stock sinken, als sie ihn bemerkte. Er kam umgehend zur Sache.
„Der Sprit für den Generator reicht höchstens für drei Tage. Sie kriegen welchen in Barnshire. Den Ort sollten Sie ja kennen. Außerdem empfehle ich Ihnen, die Türen und Fenster nachts abzuschließen.“
„Keine Sorge, das ist eine alte Gewohnheit von mir“, nickte Hannah und strahlte ihn mit ihrem naivsten Lächeln an, das sie sich ausdenken konnte. Sollte er doch glauben, dass sie ein dummes Stadtmädel war, das von Wildnis und dem Alleinsein keine Ahnung hatte.
Er sah sie mit gerunzelter Stirn an und wirkte irritiert. Schließlich nickte