Die Grauen Krieger. S. N. Stone
hören. „Liebe Grüße von Julia soll ich dir bestellen. Und was ist? Hast du schon ein wenig von dem gemacht, was du dir vorgenommen hast?“
Natascha wollte Tom den Kurzurlaub bei seiner Schwester nicht verderben. Er hatte in den Wochen zuvor fast rund um die Uhr gearbeitet, nun wusste sie auch woran, er sollte sich entspannen. Sie sprachen nicht viel über seine Arbeit, sie wollte es nicht, nur wenn ihn etwas all zu sehr beschäftigte kamen sie auf diese Themen.
„Ja ein wenig, mir ist aber ein Job dazwischen gekommen.“
„Oh das tut mir leid, verdammtes Museum“, sagte er lachend. „Aber du bist und bleibst ein Workaholic und kannst halt einfach nicht nein sagen.“
„Tom“, sie zögerte, „ich liebe Dich.“ „Ich dich auch!“„Bis übermorgen.“ „Bis übermorgen, grüß Penny von mir.“ Sie legten auf.
Das Wetter war schön und so entschloss sie sich ein wenig vor die Tür zu gehen. Auf dem Weg nach draußen schaute sie durch das Fenster in den Besprechungsraum, dort saß nur noch Caleb und spielte mit einem Becher. Er war in seine Gedanken versunken, schaute jedoch plötzlich auf und sah sie durch die Scheibe an. Sie hatte so viele Fragen an ihn, also betrat sie den Raum und schloss hinter sich die Tür. „Ich wollte mir gerade die Beine vertreten und vielleicht etwas essen gehen, kommst du mit?“
Da es so aussah, als würden sie gezwungenermaßen Zeit miteinander verbringen, wollte sie wissen, was er wusste über diesen Fall und über all die anderen Dinge. Er nickte, stand auf und griff seine Jacke, die er überzog. Ihr fiel auf, dass er unter dem dünnen T-Shirt keine Rückenscheide mit Schwert tragen konnte, die Waffe mit der die Bewahrer und die Grauen Krieger kämpften, sie sah jedoch, dass er eine Schusswaffe in einem Holster am Hosenbund hatte.
Sie saßen vor einem Kaffee. Die frühlingshaften Temperaturen hatten die Menschen nach draußen gelockt. Natascha aß ein Sandwich, Caleb wollte nichts. Er schwieg und sie war bedacht darauf, ihre Gefühle zu kontrollieren. Sie wusste nicht, ob es überhaupt etwas ausmachte, ob es Cales Fähigkeiten überhaupt beeinflussen konnte, denn er konnte in die Seelen der Menschen schauen und die konnte sie nicht verschließen.
„Warum sollte ich dich begleiten?“ Sein Tonfall war kalt und abweisend.
„Wir werden ja zwangsweise miteinander auskommen müssen, wie hast du das angestellt?“
„Ich habe damit nichts zu tun, habe ich dir schon gesagt.“
„Das glaube ich dir nicht aber egal. Ich wollte über den Fall reden. Was weißt du? Was wisst ihr?“ „Nichts.“
„Hah! Auch das kann ich kaum glauben. Was habe ich mit dem Fall zu tun? Es geht hier nicht um Kunstraub und überhaupt ist die Angelegenheit sehr sonderbar. Wieso taucht nichts in der Presse über die Morde auf? Diese Tote von heute Morgen, sie passt so gar nicht ins Bild, ist nur mir das aufgefallen, oder auch den anderen? Und was hat dich so schockiert?“
„Sie passt ins Bild“, sagte er leise.
„Was?“ Natascha hatte geglaubt ihn nicht richtig verstanden zu haben.
„Sie passt ins Bild“, sagte er ein wenig lauter.
„Dann sage mir wie.“
Er atmete tief ein. „Ich wäre heute Morgen sowieso mit dem Flugzeug aus Rom gekommen und dann wäre ich in diese Wohnung gefahren. Es gab eine Planänderung, ich bin zu euch gefahren. Ich hätte an ihrer Stelle tot sein sollen.“
Natascha hatte aufgehört zu kauen und starrte Cale an. „Du kanntest diese Frau und die Wohnung?“ Er nickte. „Die Wohnung gehört einem Vertrauten von uns, und da unsere Aufenthaltsorte mittlerweile stark eingeschränkt sind, stellt er sie uns zur Verfügung.“
„Und die Tote.“
„Sie heißt Sarah!“ Er klang ärgerlich. „Ich weiß nicht, ich denke sie hat dort auf mich gewartet. Ich hatte keine Ahnung. Sie war wahrscheinlich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.“
„Wieso glaubst du, dass nicht sie das Ziel des Mörders war?“
„Weil er nur Graue Krieger tötet.“
Natascha blieb der Bissen im Hals stecken. Sie legte das Sandwich auf den Teller und wischte sich mit der Servierte den Mund ab. „Nur Euch? Sie waren alle Krieger? Aber wieso ich, wieso die Kripo?“
Er verschloss sich total und antwortete nicht.
„Pass mal auf, irgendeinen Grund müsst ihr ja haben, wenn ihr freiwillig mit den Menschen zusammenarbeitet und irgendeinen Grund müsst ihr haben, wenn ihr mich dazu braucht. Also erkläre es mir, oder ich bin aus der Sache raus!“
Caleb zögerte, sie spürte seinen Widerwillen sich in die Karten schauen zu lassen. „Du, weil du über uns Bescheid weißt, die Kripo, weil wir nicht mehr weiter wissen. Es gibt mehr als diese sieben Toten, das sind nur die, die ihr vor uns entdeckt habt. Wir haben keine Spur, genauso wenig wie ihr, aber ich denke beide Seiten übersehen etwas. Vielleicht kommen wir gemeinsam drauf.“ „Ihr nehmt die Hilfe von Menschen an?“
„Wir sind nicht mehr so viele, der Kampf gegen die Kirche hat Opfer gefordert, er war lang und hart.“
„Und ihr habt ihn verloren denn ansonsten hätte euch der Vatikan nicht geschickt, oder war das eine Lüge von euch?“
„Nein wir haben ihn nicht verloren, aber beinahe. Sie hatten uns fast zerstört. Doch ohne uns ist die Menschheit nicht sicher und durch einen Vermittler wurde uns ein Angebot gemacht, in das wir einwilligen mussten, wenn wir eine Zukunft haben wollten. Ich will nicht darüber reden, es ist nicht deine Angelegenheit“, antwortete er sauer. Er stand auf und ging, einfach so.
Natascha schmiss zehn Euro auf den Tisch und rannte hinter ihm her. Als sie ihn eingeholt hatte, packte sie ihn am Arm. Er drehte sich um und funkelte sie böse an.
„Lass mich!“, zischte er.
„Nein verdammt, das würde ich gerne, aber das kann ich nicht! Was war mit dieser Frau? Du musst sagen, dass du sie kanntest, du musst sagen, wer sie war, vielleicht vermisst sie jemand.“
„Sie war 146 Jahre alt, wenn ich sage wer sie war und sie ihre Daten überprüfen werden sie herausfinden, dass sie die Identität einer Toten angenommen hat. Derjenige, der sie vermissen könnte, wäre Nathan, mein Freund.“
„Der Priester?“
Caleb nickte. „Und die Nachricht von ihrem tot hat er schon erhalten, von mir.“
Natascha verstand, er hatte etwas für diese Frau empfunden.
„Es ist mir scheißegal was du von mir hältst. Ich weiß, dass du mich hasst, aber auch das ist mir scheißegal. Mir ist aber nicht scheißegal was mit meinen Freunden passiert und egal wie, ich werde dafür sorgen, dass dieser Mörder seine gerechte Strafe bekommt, mit oder ohne deine Hilfe.“ Er machte sich von ihr los und verschwand.
2. Dienstag
Natascha war erst spät eingeschlafen, jetzt war sie todmüde. Die Bilder in ihrem Kopf hatten sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Die geschundenen Körper, die zerschlagenen Gesichter und dann die Frau in der Wohnung, life, in echt, nicht nur auf einem Bild, sondern zum Greifen nahe.
Sie war nicht die erste Leiche, die sie gesehen hatte. Als die „Kunstmörder“ ihr Unwesen getrieben hatten, hatte sie schon einmal in den Abgrund des Todes geschaut mit all seinen dreckigen Einzelheiten, aber diese Frau ließ sie nicht los. Diese brutale und willkürliche Gewalt hatte sie erschüttert. Und auch Calebs Reaktion.
Tascha saß wieder an Toms Schreibtisch, hatte einen Kaffeebecher in der Hand und die Fotos der Opfer vor sich ausgebreitet um sie einfach anzustarren. Vielleicht wurde das Grauen weniger schlimm, wenn sie nur lange genug darauf schaute. Sie hatte sich eigentlich geschworen nie wieder mit so etwas tun haben zu wollen. Sie war nur eine Beraterin und hatte genug erlebt und bis jetzt hatte ihr Vorsatz auch funktioniert, aber das Auftauchen von Cale hatte alles kaputtgemacht.