Die Grauen Krieger. S. N. Stone

Die Grauen Krieger - S. N. Stone


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alles zurückgelassen oder vernichtet. Die Heiligtümer waren an einen anderen, geheimen Platz gebracht worden. Sie hatten sich seit dem nicht wieder länger an einem Ort aufgehalten und auch nicht länger in Gruppen irgendwo niedergelassen.

      Als sie auf das alte Gebäude zufuhren, durch das Eisentor das nun schief in den Angeln hing, sah alles noch schlimmer aus, als Caleb es sich vorgestellt hatte. Große Teile des Hauses waren stark beschädigt worden.

      Als sie in die Halle traten, wurde der Eindruck nicht besser. Caleb zog sich endlich sein Shirt über und schnallte sein Schwert auf den Rücken. Sie gingen durch die Räume, Natascha blieb einen Schritt hinter ihm. Es war spät, und obwohl der Frühling Einzug hielt, waren die Tage noch recht kurz, es begann zu dämmern. Beim Laufen knirschten Glassplitter unter Cales Schuhen. Das Oberlicht war ursprünglich mit einer Glaskuppel versehen gewesen, das SEK hatte sie gesprengt, um sich Zutritt zu verschaffen. Regen, Wind und Schnee der vergangenen anderthalb Jahre hatten ihr übriges zum Verfall des Hauses beigetragen, Dreck, Nässe und Unrat lagen überall.

      Caleb ging durch eine weitere Halle, die sie als Kampfübungsplatz genutzt hatten in den hinteren Bereich, vorbei an dem Zimmer in dem Jakob sie zusammengeflickt und verarztet hatte, wenn es nötig gewesen war. Sie erreichten eine Treppe, die in die nächste Etage führte. Hier waren früher Räume gewesen, in denen sie übernachten konnten, vielleicht war eines der Zimmer noch bewohnbar.

      „Warte kurz!“ Caleb verschwand in einem Raum und tauchte Sekunden später wieder auf. „Hier, leider nur eine, aber die reicht.“

      Er gab Natascha eine Taschenlampe. „Danke, und was ist mit dir?“

      „Ich komme klar.“

      Sie schaltete die Lampe ein und streifte mit dem Lichtschein sein Gesicht. Seine Augen hatten sich verändert, sie schienen zu glühen. Seine Sinne waren schärfer als die eines Menschen. Sie gingen weiter und Cale schaute in jeden Raum. Natascha blieb ein wenig zurück, und als er eine der Türen schloss, sagte er: „Du solltest in meiner Nähe bleiben, wäre besser für dich.“

      Sie nickte und rückte zu ihm auf. Endlich waren sie fündig geworden. In diesem Zimmer roch die Luft abgestanden, aber die Fenster waren noch heil und Caleb öffnete eins, um die Abendluft hereinzulassen. Eine Matratze stand hochkant an der Wand, eine weitere lag auf dem Boden. Caleb holte ein paar Decken aus einem Schrank.

      „Gegenüber sind die Waschräume und Toiletten, wenn du dich frisch machen möchtest, aber lass die Türen auf, sodass ich dich hören kann.“

      Sie nickte und ging hinaus.

      Natascha legte die Taschenlampe auf eine Ablage unter dem zersplitterten Spiegel und dachte an ihre Wohnung und das, was dort geschehen war, aber was war geschehen? Sie drehte die Wasserhähne auf. Eine braune Suppe kam heraus. Sie ließ das Wasser laufen, bis es klar wurde. Es war eiskalt, kein Strom, kein warmes Wasser. Als sie sich das Gesicht wusch, merkte sie wie ihre Hände zitterten. Sie starrte sie an, sie hatte auf dem Rücken der linken Hand einen Schnitt, den sie bisher nicht bemerkt hatte. Tascha wusch sich das verkrustete Blut ab und trocknete sich an ihrem Pullover Hände und Gesicht, dann starrte sie ihr verzerrtes Spiegelbild an und atmete tief durch.

      Caleb hatte Kerzen angezündet. Wo er die gefunden hatte, war ihr schleierhaft, aber dann vergegenwärtigte sie sich, dass er hier wohl eine Menge Zeit verbracht hatte und sich gut auskannte. Vieles war noch dort, wo die Grauen Krieger es zurückgelassen hatten. Er lag quer auf einer der Matratzen und schlief. Natascha schob ihn ein Stück weiter rauf. Sie überlegte, ob sie ihm die Schuhe ausziehen sollte, ließ es dann aber bleiben und deckte ihn zu. Sie schloss das Fenster und löschte die Kerzen, zwei ließ sie jedoch brennen. Eine war eine Große, Dicke, es würde schon nichts passieren. Die Taschenlampe steckte sie sich hinten in ihre Hose und nahm die andere Kerze, dann ging sie hinaus, um sich umzusehen.

      Natascha kam an einer Küche und einem Speiseraum vorbei, weitere Schlafräume folgten. Die Wege waren dunkel und unheimlich, aber sie lief weiter. Eine Treppe, Räume und ein Zimmer, in dem ein Schreibtisch stand mit einem umgeworfenen, zerstörten Computermonitor. Eine Terrasse, ein Zimmer mit Regalen, Papieren, einem Schreibtisch, so etwas wie ein Büro. Die Toiletten und Duschen und wieder das Zimmer in dem Caleb noch immer schlief.

      Alles war verwüstet, durcheinander, zerstört, verdreckt. Irgendwie tat Natascha leid, was hier geschehen war. In manchen Räumen hatte sie private Gegenstände gesehen, Kleidung, Bücher, Fotos, sie waren hier zu Hause gewesen. Einen Bereich hatte sie noch nicht inspiziert, die zweite Etage des Gebäudes. Diese Etage war eine Galerie und sie ging die Treppe hoch, die dort hin führte. Oben lehnte sie sich vorsichtig über das Geländer. Es erschien ihr nicht sehr vertrauenerweckend und sie schaute nach unten. Tascha hatte freie Sicht auf eine große Halle, an deren Wänden riesige, zerbrochene Spiegel hingen.

      Dann schaute sie nach oben, das kaputte Oberlicht. Der Himmel war klar und sie sah den Mond und unzählige Sterne. Sie drehte sich vom Geländer weg und holte die Taschenlampe mit einer Hand aus ihrer Hose hervor, darauf bedacht, dass die Kerze nicht ausging. Natascha leuchtete den Raum ab. Umgestoßene Tische und Sessel, Holzregale mit Büchern und Papieren, herausgerissene Seiten, Papier verstreut am Boden, zerstörte, undefinierbare Gefäße, Bretter, Lampen, Kerzen und Kerzenhalter, von der Wand gerissene Bilder, als hätte ein Wirbelsturm gewütet.

      Der Wirbelsturm waren SEK Beamte gewesen und Kriminaltechniker, die alles durchsucht, aber kaum etwas Brauchbares gefunden hatten. Die Bewahrer hatten das vernichtet von dem sie ausgegangen waren, es könne sie verraten. Zurück hatten sie nur das gelassen, was die Polizei als unnützen Kram bezeichnet hatte. Natascha ging noch ein Stück, bis sie an einen wunderschönen Kamin kam. Sie schaltete die Lampe aus und schob sie sich wieder in den Hosenbund, dann stellte sie einen kleinen umgeworfenen Tisch hin, auf den sie die Kerze stellte. Einen Ohrensessel, der ein wenig abseits stand, schob sie heran und dann hob sie ein paar der Seiten auf, die am Boden lagen. Sie setzte sich hin und begann zu lesen.

      Wie viel Zeit vergangen war, wusste sie nicht. Immer wieder hatte sie sich Zettel und zerrissenen Bücher vorgenommen und in ihnen gelesen. Ihr war kalt und die Kerze war beinahe abgebrannt, außerdem hatte sie ein ungutes Gefühl. Irgendetwas war noch hier, irgendetwas lauerte in der Dunkelheit. Sie fühlte, dass sie nicht alleine war, auch wenn sie nichts sehen konnte. Vielleicht waren es aber auch nur die Dinge, die sie gelesen hatte. Es waren Bruchstücke gewesen, Bruchstücke der Vergangenheit der Grauen Krieger und von denen die sie vorher waren. Erzählungen über Mord, Folter, Vergewaltigungen und Plünderung. Wie ein Puzzle, das nicht vollständig war, hatte sie einen Eindruck bekommen, was diese Wesen getan hatten, bevor sie das Abkommen getroffen hatten. Sie hatte einen Eindruck davon bekommen, was Caleb war. Aufzeichnungen über die Grauen Krieger nach dem Abkommen, über den Versuch sie zu vernichten, sie zu töten, zu verbrennen, im Namen Gottes, weil man sie als Gefahr für den Glauben betrachtet hatte, über den Mord an Tausenden unschuldiger Menschen, die im Zuge der Inquisition, die eigentlich zur Vernichtung der Grauen Krieger dienen sollte, ebenfalls gefoltert und ermordet worden waren. Warum die Beamten der Spurensicherung diese Sachen nicht mitgenommen hatten, war ihr unklar, es war ihnen wohl nicht wichtig erschienen. Sie hatten nicht gewusst wer die „Kunstmörder“ gewesen waren, für sie musste das alles hier ausgesehen haben, wie die Sammlung alter, unwichtiger Schriften von ein paar Spinnern.

      Natascha stand auf und ging langsam zurück zu dem Zimmer. Das seltsame Gefühl begleitete sie. Sie hockte sich neben die Matratze und beobachtete den Mann, der sich unruhig hin und her wälzte. Einst hatte sie sich gefragt, was ihn so schlecht schlafen ließ, ihm solche Albträume bereitete, jetzt hatte sie eine Ahnung. Er trug furchtbare Dinge in sich, Dinge, die er anderen angetan hatte und Dinge, die ihm angetan worden waren. Sie war hin und her gerissen. Er war ein Monster und wurde dann zu einem Bewahrer, einem Wächter der Geheimnisse und der Grauen Krieger, die dafür sorgten, dass so etwas Furchtbares, wie einst geschehen war, sich nicht wiederholen würde. Er war abgrundtief böse gewesen und dann dazu bestimmt worden Gutes zu tun. Hatte Nathan recht? Trug Caleb es noch in sich?

      Sie selbst wusste, wozu er fähig war, sie selbst hatte gesehen, mit welcher grausamen Gleichgültigkeit er tötete. Sie hatte aber auch gesehen, wie er mit seinen Nichten umging, wie er seinem Bruder geholfen hatte und er hatte ihr


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