Anna und Jadwiga. T. D. Amrein

Anna und Jadwiga - T. D. Amrein


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selbstbewusste Frauen inspirierten ihn. Es ging dabei nicht bloß um markante, weibliche Formen oder gutes Aussehen. Er wünschte sich eine echte Partnerin mit eigener Meinung, keine devote Untergebene. Obwohl es, ebenfalls eine Erfahrung von zu Hause, manchmal ziemlich anstrengend werden konnte. Wenn man sich, anstatt einfach zu befehlen, in echt einigen musste. Trotzdem überwogen die Vorteile. Eine Kollegin mit starker Ausstrahlung hielt beispielsweise die meistens männlichen Kunden Krügers in Unruhe. So dass sich manch einer mangels Konzentration in Widersprüche verwickelte, wenn er versuchte, ihr einen Bären aufzubinden. Andererseits im Umkehrschluss, was geschah bei einem Zeugen, bei dem diese Wirkung keineswegs erwünscht war? Stellte dies nicht das ganze Prinzip in Frage?

      Über solche Ansichten hatte er mit Elisabeth noch nie diskutiert. Was die wohl dazu sagen würde? So ein Blödsinn! Es macht dir einfach viel mehr Spaß, mit einer attraktiven Frau zu arbeiten. Aber das würdest du niemals zugeben! Krüger zuckte mit den Schultern. „Wo sie recht hat, hat sie recht“, murmelte er.

      ***

      Die Dame vom Empfang brachte die Besucherin zu Krüger.

      „Guten Tag, Herr Hauptkommissar!“, begann sie. „Ich bin Nadja. Nadja Smolenska. Man hat mich Ihnen zugeteilt.“

      Krüger ergriff ihre ausgestreckte Hand. „Herzlich willkommen, Frau Smolenska!“ Er versuchte, sie nicht zu taxieren. Jedoch gelang es nicht vollkommen. Ihre leuchtend weißen Zähne und das unglaublich dichte, kupferfarbene Haar fielen einfach auf. Dazu trug sie eine hellblaue Bluse und eine dunkelblaue Hose. Aus den vorne offenen Schuhen leuchteten ihre Fußnägel in exakt demselben Blau wie das Oberteil. Für eine Frau hatte sie einen festen Händedruck, empfand Krüger.

      „Nehmen Sie doch bitte Platz, Frau Smolenska!“, forderte er sie auf.

      „Danke, Herr Hauptkommissar!“

      „Darf ich Ihnen etwas anbieten?“

      Sie schien amüsiert. „Ich bin Ihre persönliche Assistentin, Herr Hauptkommissar. Ich bin gekommen, um Sie zu unterstützen, nicht um mich verwöhnen zu lassen“, stellte sie lächelnd fest. „Aber trotzdem: Danke, nein.“

      „Ist schwierig für mich“, versuchte Krüger zu erklären. „Ich fühle mich nicht wohl, wenn der Eindruck entsteht, dass ich jemanden als Bediensteten behandle. Also wenn Sie denken, Frau Smolenska, dass ich zu viel von Ihnen verlange, dann wehren Sie sich bitte!“

      Sie zuckte mit den Schultern und strahlte ihn an.

      „Nun ja, ich werde Sie bestimmt nicht bitten Kaffee zu holen oder mir eine Zeitung zu besorgen“, fuhr er fort. „Aber es kann natürlich vorkommen, dass ich in Gedanken …“

      „Weshalb sollte ich denn nicht Kaffee für Sie holen, Herr Hauptkommissar?“, fragte sie erstaunt. „Ich unterstütze Sie in allen Belangen. Gerade wenn wir unterwegs sind, sorge ich für Hotel und Essen. Für ein Büro, für saubere Wäsche und Kosmetikartikel, falls notwendig. Und selbstverständlich fahre ich den Dienstwagen, wenn Sie es möchten.“

      Krüger schien ratlos. „Ja dann. Ich denke, wir werden sehen. Einen Wunsch hätte ich dann doch?“

      Sie richtete ihre rehbraunen Augen auf ihn wie eine doppelläufige Flinte. „Ja bitte, Herr Hauptkommissar?“

      „Könnten Sie mich einfach nur Chef nennen?“

      „Aber selbstverständlich, Herr, äh, Chef.“

      „Wenn Sie etwas anderes bevorzugen, dann …“

      Sie seufzte vernehmlich. „Ist schon okay, Chef.“

      „Danke, Frau Smolenska!“

      „Bitte! Möchten Sie gleich über den Fall sprechen oder soll ich erst nachsehen, ob Sie wirklich alle Unterlagen erhalten haben? Daran hapert es oft bei der Abteilung, habe ich gehört?“

      „Viel ist es wirklich nicht“, bestätigte Krüger. „Mit Ausnahme der Luftbilder, die ich selbst bestellt habe, bleiben nur diese beiden Hefter.“ Er griff nach den dünnen Umschlägen und reichte sie ihr.

      „Der Bericht der polnischen Kollegen fehlt“, stellte sie fest.

      „Mit denen könnte ich wahrscheinlich ohnehin nicht viel anfangen“, vermutete Krüger.

      „Doch“, wehrte sie ab. „Ich habe die ganze letzte Woche damit verbracht, die Texte ins Deutsche zu übersetzen. Ich kümmere mich darum, sobald ich kann!“

      „Dann sind Sie schon länger an der Sache?“, stellte Krüger fest.

      „Einen Monat etwa. Ich habe jedoch ausschließlich Fakten zusammengetragen und soweit notwendig übersetzt. Alle Informationen stammen aus einem Archiv oder aus öffentlichen Quellen. Ich habe weder irgendwelche Fundorte besucht noch Leute befragt. Alles ganz still und unauffällig, um nirgendwo Argwohn zu wecken.“

      „Was stelle ich mir unter öffentlichen Quellen vor?“, hakte Krüger nach.

      „In erster Linie Zeitungsarchive und Rundfunksendungen, die damals erschienen sind. Natürlich in Bild und Ton“, ergänzte sie.

      „Damals? Dann betrifft dies den alten Fall in Schramberg. Heben Sie sich auch mit Konstanz beschäftigt?“

      „Nur am Rande. Das ist schließlich aktuell. Da können wir auf die Berichte der Kollegen vor Ort zurückgreifen.“

      ***

      Elisabeth erwartete Krüger tatsächlich in der Küche mit betörend duftendem Gebäck. Eine Art österreichische Maultaschen, die Krüger sehr gerne mochte. Auf dem Tisch stand ebenfalls eine Flasche Wein mit zwei Gläsern, die jedoch noch verschlossen war. „Wenn du magst, dann öffne sie bitte. Sonst mache ich Kaffee.“

      Krüger wusste nie, ob sie solche Situationen mit Absicht plante, oder ob sie einfach Lust dazu hatte, nett zu sein. Auch das kam gelegentlich vor.

      „Wein ist gerade richtig“, murmelte er. „Passt herrlich zu deinen wunderbaren Krapfen!“

      Sie hantierte herum, bis er die Gläser gefüllt hatte und sie zum Anstoßen rief. Irgendwie schien sie doch ein wenig nervös. „Prost, mein Schatz. Und danke fürs Backen!“

      „Ja, Prost“, gab sie zurück. „Und, wie lange willst du mich noch auf die Folter spannen? Oder ist sie gleich wieder gegangen?“

      Sie ist nicht nur nervös, sondern auch kampflustig, dachte Krüger mit leisem Spott. Aber er hatte schmerzhaft gelernt, dies nicht zu unterschätzen. Zwar lag der letzte derbe Rippenstoß ziemlich lange zurück, aber eine unvorsichtige Bemerkung konnte genügen. „Nein, sie ist geblieben. Ist eigentlich ganz nett!“, erwähnte er so beiläufig wie möglich.

      „Eigentlich ganz nett!“, wiederholte sie. „Du willst mich wohl ärgern. Oder haben sie dir tatsächlich so eine Pflaume geschickt, wie du befürchtet hast?“

      Er schüttelte den Kopf. „Nein.“

      „Wie, nein? Los komm schon! Wie sieht sie aus? Ist sie jung? Gefällt sie dir?“

      Er nickte. „Ja.“

      „Also bitte!“

      Er grinste. „Ja, selbstverständlich erfährst du alles, was ich weiß. Aber zuerst musst du mir eine Frage beantworten?“

      „Okay!“

      „Bist du eifersüchtig?“

      „Nein. Wirklich nicht. Aber ich bin jetzt über fünfzig. Ich merke selbst, dass ich nicht mehr so attraktiv bin wie früher. Also fürchte ich manchmal, dass du eventuell irgendwann einer Jüngeren den Vorzug geben könntest. Wir sind schließlich nicht mal verheiratet.“

      „Aber nein, wo denkst du hin! Komm her!“

      Sie kuschelte sich an ihn. „Du brauchst nichts zu versprechen. Ich würde es sogar verstehen.“

      „Ich glaube nicht, dass ich einfach so loskommen würde. Selbst wenn ich es wollte. Außerdem ist sie wohl nur für


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