Total übersinnlich. Charlotte Meyer

Total übersinnlich - Charlotte Meyer


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Freundin, die ich jetzt so nötig, so nötig wie noch nie in meinem Leben brauchte.

      Die Freundin, die ich nicht mehr hatte.

      Ich bekam das unter dem Verbrauch meiner ganzen Taschentücher auf die Reihe.

      Mams Mail:

      „Leonie, bitte melde dich. Ich verstehe, das du wütend bist, aber du bist nicht in der Schule, dein Pass fehlt, ich mache mir Sorgen, ich würde gerne wissen, wo du bist. Ich möchte dir das alles erklären, in Ruhe. Du musst verstehen, das ich nur dein Bestes wollte und nie war der richtige Zeitpunkt, dir alles zu erklären.

      Es tut mir so leid, bitte melde dich. Komm nach Hause.“

      Na, da kannst du lange warten.

      Als hätte sie gerade mal vergessen, mir zu sagen, das es heute Abend nicht mein Lieblingsessen geben würde, weil .... war kein frisches Hackfleisch da, oder so.

      Sie hatte mir verschwiegen, das Paul gar nicht mein Papa war!!!!!!!!

      Papa ...äh ... Paul. Nee, regeln wir das. Papa Paul, und gut ist.

      „Liebes Lämmchen, warum zum Teufel hast du dir nicht das Geld aus der Notfallschublade geholt? Heute morgen bringe ich dir noch Kohle auf dein Sparkonto, das kannst du überall abheben. Mir ist klar, du bist echt sauer, aber ich weiß auch, wie stark du bist.

      Nimm dir ruhig eine Auszeit, die Abiturprüfungen sind erst in drei Wochen.

      Aber schicke mir bitte jeden Tag nur ein kurzes Hallo. Wenn du Tina absolut leiden lassen willst, sag ich es ihr auch nicht. Versprochen. Das mit den Briefen war mies. Alles andere ..... du warst so ein süßes Baby.

      Lämmchen, ich habe vergessen, das ich nicht dein leiblicher Vater bin. Klingt blöd. Ja. Ist scheiße. Aber echt wahr. Ich wollte nicht, das du mich irgendwann anschreist, ich wäre nicht dein echter Dad. Darum habe ich nie was gesagt. Feige Sau halt.- Lief alles so toll.

      Egal, du wirst das auf die Reihe kriegen. Sag mir nur, wo du bist und ob alles O.K. ist.

      Mehr will ich nicht. Und wenn du heimkommst, kannst du mein Kinn zertrümmern, bitte schön.

      Den Schlag hast du bestimmt drauf, weil wir im Sommer das Baumhaus hingekriegt haben. Ein Nagel, ein Schlag. So nem Mädchen passiert so schnell nix.

      Mach trotzdem ne kleine Mail.

      Danke. Dein Papa.“

      Bitte schicke eine Mail. Papa.

      Da musste ich wieder heulen.

      Hatte ich schon erwähnt, das ich immer zu Papa Paul lief, wenn ich was angestellt hatte?

      Und ich hatte eine Menge angestellt in den letzten siebzehn Jahren.

      Angefangen von vollen Windeln, die ich in seine Stiefel steckte, bis zu ramponierten Kotflügeln. Nicht zu vergessen, das ich seinen Schlagbohrer ( ja, den heiligen ) benutzt hatte, um ein Guckloch in die Umkleidekabine des Fußballvereins zu bohren ( war Melanies Idee gewesen, beweis mal was anderes) und fallen ließ, als jemand kam.

      Tauchte nie wieder auf.

      Der Schlagbohrer.

      Meli und ich schon, schließlich hatte ich das Loch ja fertig gekriegt.

      Deswegen wusste ich ja auch, das eine Möhre völlig ausreichend …. ähm ..... nicht das Thema verlieren.

      Gab ja auch große Möhren, nicht?

      Tja, also, Papa- Paul verdiente wohl eine kleine Antwort, oder?

      -

      „Lieber Papa Paul,

      bin in Paris, habe eine Oma. Sag Tina mal nix, die puscht mir nicht noch mal rein. Hast recht. Ein Nagel, ein Schlag, so geht das.

      Kuss, Leonie .... und nenn mich bloß nicht mehr Lämmchen.“

      Kathy simste:

      "Was los? M. dreht durch! P. geht nix schaffen, raucht. Du kriegst Ärger, Alte!"

      Von Simon kam nichts, trotzdem schickte ich beiden einen Stinkefinger.

      Kathy, weil sie dumm quatschte, Simon, weil er nix quatschte.

      Super Geschwister!

      Danach ging es mir besser.

      War ja auch zu peinlich, in der Öffentlichkeit rumzuflennen.

      Ich dachte kurz darüber nach, ob ich meine neue Oma anrufen sollte.

      Nummer und Adresse hatte ich vom Notar. Dr. Wiener.

      Neue Bekanntschaft.-

      Ein eingeschriebener Brief, ein Telefonat, ein Gespräch. Schon hatte er mein Leben verändert.

      Ich rief nicht an. Ich war ja bereits in Paris. Besser, ich stand einfach vor der Tür. Nachdem ich mein Gesicht wieder in Ordnung gebracht hatte.

      Dann sicherte ich mir einen Platz bei Mac Do. Die Welt sah nach einem Big Mac gleich wieder viel cooler aus. Besonders, wenn man sich ein fettes Smoothie danach leistete.

      Gesicht waschen, bisschen Schminke drauf.

      Das war Paris !!!!! Schon geguckt, wie die Tussi hier herumliefen?

      Klar, da kam ich in meinen Jeans und T- Shirt und Chucks gar nicht mit.

      Die Girls hier trugen RÖCKE. Total kurz und irre viel Bräune von der häuslichen Grillbank.

      Gott, ich verlor einen unbekannten Papa, bekam eine fremde Oma und ich war völlig underdressed!!!!!!!

      Aber ich hatte fantastische Haare. Echtes Goldblond und ziemlich lang. Große Locken, füllig und glänzend. Wenn ich mich ein wenig schminkte, sah ich doch recht gut aus!

      Den knallroten Lippenstift trug ich auf, um nicht wie ein verirrter Golden Retriever auf einem Botticelli- Gemälde auszusehen.

      Auf keinen Fall würde ich wie ein verheultes Landei bei meiner Pariser Oma auftauchen.

      Das ging ja so was von gar nicht.

      So! Plan von der Metro kaufen. Dr. Wiener hatte gesagt, das Haus liege ganz nahe bei einer Metrostation.

      Praktisch Innenstadt. Noble Gegend.

      Danach setzte ich mich auf eine Bank und studierte den Plan. Der war ganz neu, noch in Folie. Darauf hatte ich geachtet, so etwas war mir wichtig.

      Ausserdem trug ich meine Handschuhe aus ganz feinem Polyester. Weil mich doch ständig fremde Leute anrempelten.

      Das letzte, was ich nun brauchte, war eine Erinnerung von einem fremden Menschen.

      Ich hatte genügend Probleme, auch ohne mein übersinnliches Handicap.

      Mein Handy summte.

      Mama !!!!

      Ich schaltete genervt aus.

      Sie war die letzte, mit der ich sprechen wollte.

      Ich war so abgedreht wütend. Warum war sie nur solange damit durchgekommen?

      In der Hauptpoststelle lagen drei für mich eingeschriebene Briefe. Und sie hatte nichts gesagt. Seit April musste sie doch auf einem Pulverfass sitzen. Hatte nichts gesagt, ihr war nicht mal was anzusehen gewesen.

      So was bekam doch nur eine oskarreife Schauspielerin hin. Die reinste Verdrängungskünstlerin.

      Warum hatte ich nicht DIESES Talent geerbt?

      Ich hatte nur ein einziges Mal versucht, in Mathe zu bescheissen,


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