Transasia. Von Karachi nach Beijing. Ludwig Witzani

Transasia. Von Karachi nach Beijing - Ludwig Witzani


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Subkontinent gab, für die Schaffung eines eigenen islamischen Staates zu mobilisieren. Dieser Kurs, den Jinnah mit einer beispiellosen Härte und Unnachgiebigkeit verfolgte, war am Ende erfolgreich, auch wenn er zu einem der schrecklichsten Massenexzesse der asiatischen Geschichte führte. Im August 1947, als sich der indische Subkontinent in Indien und Pakistan teilte, verloren fünfzehn Millionen Menschen ihre Heimat. Mehr als eine Viertelmillion Menschen fand in den blutigen Massakern, die die Radikalen auf beiden Seiten anzettelten, den Tod.

      Nur ein Jahr nach der Gründung Pakistans starb Mohammed Ali Jinnah im September 1948 an Leukämie, und möglicherweise war es dieser unerwartete Tod, der Jinnah in den Rang eines Märtyrers und Nationalheiligen erhob. Ihm zu Ehren errichtete die junge und krisengeschüttelte Republik, einig nur in der Verehrung ihres Staatsgründers, zwischen 1958 und 1968 ein monumentales Marmorgrab, umgeben von Gärten und Brunnen, bewacht von einer immerwährenden Ehrenwache und mit kostbaren Geschenken aus China und dem Iran versehen.

      Als ich das Mausoleum am späten Nachmittag erreichte, war ich außer den Wachsoldaten der einzige Mensch in der geisterhaften Halle. In der Mitte der großen Grabkuppel stand Jinnahs schlichter Sarg, geschmückt mit Blumen und versehen mit jenen Koranversen in Stein, um die sich der Staatsgründer zu seinen Lebzeiten so wenig gekümmert hatte. Ich saß eine Zeitlang in der Nähe des Grabes auf dem Marmorboden und lauschte den Windgeräuschen in der großen Halle, den widerhallenden Schritten der Wachsoldaten und dem Piepsen der Vögel unter der Decke, als wären es die Bestandteile einer futuristischen Sinfonie.

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       Mausoleum des Muhammad Ali Jinnah

      Ich blieb bis nach Sonnenuntergang am Mausoleum, und sah weit in der Ferne, wie sich der immer grauer werdende Steinteppich in ein fluoreszierendes Lichtermeer verwandelte. Die Hitze, die den ganzen Tag wie eine Faust über der Stadt gelegen hatte, wich einer luftigen Brise, und als ich in einem Taxi mit offenen Fenstern zurück zum Hotel fuhr, schienen die sandgelben Häuser im letzten, magischen Licht des Tages fast ein wenig zu flackern. Wieder erhoben sich die Krähen über der Stadt und starteten zu ihrem Abendflug. Über den Häuserschluchten ertönte tausendfach verstärkt der kehlige Ruf des Muezzins zum Abendgebet. Die Gnade Allahs war es, die diese unmögliche Stadt am Leben erhielt, und ein wenig sollte auch ich von dieser Gnade profitieren. Als ich ins Hotel zurückkehrte, war mein Rucksack da. Mr. Sadi Saaqui, der Gute, hatte ihn mit einem Taxi ins Sarawan Hotel bringen lassen.

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       Herr der Landstraße, – lässt sich auch durch die Banditen des südlichen Sindh nicht von der Reise abhalten.

      Picknick auf dem Hügel der Toten

      Reisen durch den südlichen Sindh

      zum größten Gräberfeld der Erde

      Mit der Zeit wurde mein Verhältnis zu Herrn Ibrahim etwas besser. Es schien ihm zu imponieren, dass ich jeden Morgen meine Zimmermiete widerspruchslos im Voraus bezahlte, denn der letzte europäische Gast seines Hotels, ein Brite, war einfach abgehauen. Angaben über seine persönliche Geschichte konnte ich ihm nicht entlocken. Bald fand ich aber heraus, dass die beiden schwarz gekleideten Frauen, die morgens das Frühstück zubereiteten, zu seiner Familie gehörten - ob als Frauen oder Töchter, musste offen bleiben, denn dergleichen Fragen beantwortete Herr Ibrahim nicht. Freigiebiger war er mit Informationen über das Reisen im südlichen Sindh, auch wenn das, was er mir erzählte, wenig erfreulich war.

      Der gesamte südliche Sindh bis zur Mündung des Indus ins Arabischen Meer sei Banditengebiet, hörte ich. Regelmäßig würden Reisende ausgeplündert, noch vor wenigen Wochen sei ein Bus auf dem Indus Highway nördlich von Hyderabad angehalten und ausgeraubt worden. Herr Ibrahim berichtete es mit ausdrucksloser Miene, als spräche er vom Mond und erklärte, dass ich deswegen für meine geplante Reise nach Thatta und Makli eine offizielle Erlaubnis benötige. Diese Erlaubnis kostete 100 Dollar und müsse mit einer Vorlaufzeit von einer Woche im Tourismusbüro von Karachi beantragt werden. Sollte mir das Permit erteilt werden, würden mich zwei Polizisten auf meiner Reise nach Thatta begleiten und beschützen, wofür ich extra bezahlen müsse.

      Eine Woche auf das Permit einer pakistanischen Behörde zu warten, war so ziemlich das Letzte, womit ich meine Zeit verbringen wollte. Ich verfiel deswegen auf die Idee, mich mit einem Taxi nach Thatta hin- und zurückkutschieren zu lassen. Die Entfernung betrug nur etwa einhundert Kilometer, das war in einer oder zwei Stunden zu schaffen. Einschließlich der Rückreise würde also genügend Zeit verbleiben, die Gräberfelder von Makli und die Schahjahan-Moschee in Thatta zu besuchen. Fünfzig Dollar, eine für pakistanische Verhältnisse beachtliche Summe, wollte ich dafür auf den Tisch legen.

      Herr Ibrahim riet mir ab, doch ich beharrte auf meinem Plan. Merkwürdig war, dass die meisten Taxifahrer meine Anfrage nach kurzer Überlegung ablehnten. „Police, Police“ sagten sie und schüttelten die Köpfe. Der Einzige, der sich auf Verhandlungen einließ, war ein finsterer Bursche mit einer Sturmfrisur und einem zerzausten Bart. Da er selbst über kein Taxi verfügte, führte er mich in eine Seitenstraße zu einem noch finsteren Gesellen, dem ich mit konspirativem Gemauschel übergeben wurde. Der Name dieses finsteren Gesellen war Ali, und er war mir auf Anhieb unsympathisch. Er hatte eine Glatze, was ich in Karachi bisher selten gesehen hatte, trug aber dafür einen langen dichten Bart, in dem ich kaum seinen Mund erkennen konnte. Ohne Umschweife wollte er Geld sehen, und zwar den ganzen Betrag im Voraus, was ich verweigerte. Ich wollte mich schon abwenden und den ganzen Deal platzen lassen, als er sich mit einem Vorschuss für die Tankfüllung nach Thatta zufrieden gab. Nachdem ich das Nummernschild des Taxis notiert und bei Herrn Ibrahim hinterlegt hatte, kletterte ich auf den Rücksitz der alten Kiste, und wir fuhren los.

      Es dauerte eine Weile, bis wir die Stadt verlassen hatten, und in dieser Zeit habe ich nichts weiter gesehen als verstopfte Durchgangsstraßen, Esel, Pferde, Lastwagen und gestikulierende Menschen am Straßenrand. Die Auslagen der improvisierten Verkaufsstände behinderten den Verkehr, als wäre ganz Karachi ein einziger Markt. Nirgendwo sah ich Polizisten. Allem Anschein nach fuhren wir durch staatenloses Land. Sollte ich das gut oder schlecht finden?

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       Chaukundi

      Nicht weit hinter dem Stadtrand stoppten wir an den Gräbern von Chaukundi, von denen ich vorher noch niemals etwas gehört hatte, von denen es aber hieß, dass sie zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten des Sindh gehörten. Sie befanden sich nur wenige hundert Meter von der Schnellstraße Karachi-Thatta entfernt und lagen völlig unspektakulär mitten im Niemandsland. Bei den Chaukundi Gräbern handelt es sich um Gräber einheimischer Adliger aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die sich aus vollkommen unbekannten Gründen an dieser gottverlassenen Stelle hatten begraben lassen. Aus einer gewissen Entfernung betrachtet, glichen die Gräber großen Stromkästen mit hochkant gestellten Grabplatten auf ihrer Spitze. Kam man näher, enthüllten sich die überlebensgroßen Steingräber als Stufengräber, deren Sandsteinplatten über und über mit Girlanden und Schriftzeichen geschmückt waren. In den Reiseführern wurde vermerkt, dass auch figürliche Darstellungen zu den Grabverzierungen gehörten, was für die islamische Kunst absolut ungewöhnlich sei. Gefunden habe ich diese Figuren aber nicht.

      Fast noch bemerkenswerter als die Stufengräber von Chaukundi war das triste Landschaftsbild, das die Anlage umgab. Schwarz verbrannt war die Erde, verkrüppelt die Tamariske, in deren Schatten der glatzköpfige Taxifahrer mürrisch auf mich wartete, und knochentrocken der Boden, in dem kein Regenwurm überleben würde. Ich befand mich in einer Landschaft, in der das schönste die Gräber waren. Schlimmer als in dieser Gegend konnte es auch im Totenreich nicht aussehen.

      Kurz nach dem Besuch von Chaukundi war Schluss. Eine Eisensperre neben einer Polizeistation blockierte plötzlich die Straße. Zwei bewaffnete Soldaten bauten sich vor unserem Taxi auf, ein dritter ließ sich die Wagenpapiere zeigen, blickte in das Innere des Fahrzeuges, erkannte mich als Touristen und wies Amir an, sofort umzudrehen.


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