Das Deutsch Haus. Helmut H. Schulz
du hast doch sicher den Brief vor mir gelesen! Also, was soll das Gerede? War das alles? Gibt es sonst noch was?“ Sie sah zur Seite und schwieg gekränkt. Dann erklärte sie: “Nein, viel mehr ja, ich dachte, wir könnten uns eine neue Couchgarnitur anschaffen, Hartmann. Sie schreiben was von einem Preissturz.“
„Wenn du eine kaufen willst, bitte, ich brauche keine.“
„Natürlich, dir reicht das Feldbett, aber sie kosten fast nichts, Hartmann, es ist ein Gelegenheitskauf.“ Beherrscht setzte er nach: „Hör mal, hättest du anders gewirtschaftet, dann …“, sie ließ ihn nicht zu Ende sprechen und räumte eilig ein: „Ja, ja, schon recht, bloß ist das Geld eben weg und für dich handelt es sich um eine Kleinigkeit. Übrigens, mit dem Hausverkauf; mir ist erst später aufgegangen, dass du mich reingelegt hast, die Folgen habe ich nicht absehen können.“
Mit Nachdruck, als spräche er zu einem Kind, sagte er, sie seien sich einig gewesen, sich einschränken zu müssen, weil dieses Haus mit ihren Mitteln nicht zu halten gewesen wäre. Auch der Notar habe ihnen den Rat gegeben zu verkaufen. Es seien nicht allein die hohen laufenden Kosten gewesen, die ihn zu dem Entschluss trieben, ihre alte Bleibe abzustoßen; anderes war zu bedenken, Beteiligung an den Kosten für Straßenbau und Ähnliches.
„Gib doch zu, dass du mich los sein wolltest. Da hast du mich ausgesteuert und die Kinder aus dem Haus getrieben; fertig, nun seht mal zu, wo ihr bleibt. Eiskalt! Dir nahestehende Menschen.“
Diese Auslegung steigerte seinen Ärger, weil sie ein Körnchen Wahrheit enthielt. „Ach ja“, sagte er grollend, „nahestehende Menschen nimmt man immer in Anspruch, wenn es anderswo keinen Kredit mehr gibt, wie? Möchte wissen wie viele sich mit dem Appell an ihren Familiensinn ruiniert haben!“ Sie baute unbeirrt ihr Anliegen aus; die Raten für die Couchgarnitur könnten von seinem Konto abgebucht werden, er würde davon gar nichts merken und sie ihren Anteil jeden Monat einfach überweisen, mit Zinsen, wenn er es verlange.
„Was willst du denn überweisen? Du kannst doch nichts erübrigen“, sagte er, schon auf dem Rückzug. „Du kommst jetzt schon kaum über die Runden, weil du jeden Dreck haben musst, den du siehst.“
„Na und? Du leistet dir ja auch was du willst, oder? Und schließlich sind wir noch verheiratet, wenn auch unsere Ehe auf den Hund gekommen ist.“
„Und wenn du diese Couch hast, kommt alles wieder ins Lot?“, sagte er sarkastisch, aber ihm fiel ein, dass er vor einigen Stunden ein Boot gekauft, dass er sich also etwas geleistet hatte, ohne sie zu fragen. Was ihm so etwas wie ein Schuldgefühl bescherte. Diese Couchgarnitur, die er nicht brauchte, würde er wohl oder übel bezahlen müssen; er lenkte ein: „Schluss mit dem Gerede. Zeig mir den Katalog, ich will es mir überlegen.“
Sie stand auf. „Aber nicht zu lange. Diese Sonderangebote gelten nur für kurze Zeit und für entschlossene Kunden, wie sie schreiben.“ Darüber konnte er nur die Schultern heben. „Hast du übrigens etwas von deinem Prozess gehört?“, fragte sie, schon in der Tür; er schüttelte den Kopf, und da er schwieg, sagte sie mit einer Warnung in der Stimme: „An deiner Stelle würde ich diese Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen, Hartmann.“
Ihm fiel der Tonfall auf, mit dem sie ihm drohte; er kam nicht mehr zu der Gegenfrage, ob sie etwas wisse, denn sie sagte: “Wenn du vorhaben solltest mit dem Auto nach Hamburg zu fahren, sag es mir rechtzeitig, damit ich mich um Ersatz kümmern kann; ich brauche den Wagen dringender als du.“
Mit dem von ihr dagelassenen Katalog war er schnell fertig; er wählte die billigste der von ihr angekreuzten Garnituren. Das bedeutete eine unvorhergesehene Ausgabe mehr und weniger verfügbares Geld. So machte er sich noch einmal daran, seine Guthaben zu überprüfen, worin er von ihr gestört worden war. Er kam zu dem Schluss, alle Festgeldanlagen zu kündigen, sei es mit Verlust und unter Umgehung der Fristen. Bei den Sachen, die er ständig in einer Blechkiste verschlossen hielt, befanden sich ein wertvoller mechanischer Chronometer, ein zweiter, batteriegespeister, einige andere Uhren. Den im Gehäusekasten verwahrten Sextant; das Glas und einen programmierbaren Kleinrechner verstaute er in seinem Seesack. Unter seinen beiden in ölgetränkter Wolle aufbewahrten Waffen wählte er die Walter, zwei Magazine und Munition. Wäsche, Pullover und andere Sachen stopfte er ebenfalls in den Seesack. Ehe er die Wohnung verließ, legte er seiner Frau den Katalog auf die Ablage in der Diele und hinterließ ihr die Mitteilung, dass er für die nächsten Tage nicht erreichbar sei.
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