Dorran. Isabel Tahiri

Dorran - Isabel Tahiri


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Zeit. Sie sammelten Äpfel und Zwetschgen, eigentlich alles was gerade reif war. Aus dem Stoff hatte Diana einfache Kittelkleider geschneidert, die sie gerne trugen. Sie waren luftig und bequem. Die Männer hatten Hemden bekommen, der braune Stoff eignete sich für alles Mögliche.

      Dann kamen sie an den Bergadlersee. Dieser große See erstreckte sich fast von der Grenze nach Waldland bis zu den Ausläufern der Berge. Rund herum, in kleinen Dörfern, waren viele verschiedene Handwerker angesiedelt. Dorran wusste noch schwach von Mechthilds Unterricht, dass hier Süßwasserfische gezüchtet wurden, aber er dachte nicht mehr daran. Wagen und Zelt wurden am Ufer des Sees aufgestellt. Simone und die Mädchen richteten alles her und sammelten Holz, Dorran und Daniel angelten. Sie hatten auch schon ein paar Fische an einer Schnur im Wasser hängen, als plötzlich ein Mann auftauchte. „Was machen Sie hier eigentlich?“ Fragte er streng.

      Dorran schaute ihn verwundert an, das sah man doch. „Wir angeln, das sehen Sie doch, kann ich ihnen weiterhelfen?“

      Der Mann lächelte plötzlich. „Gut, sie geben den Tatbestand des Raubfischens zu, das erleichtert die Sache.“

      Was war das denn? „Raubfischen? Wir angeln lediglich ein paar Fische zum Abendessen.“

      Der Mann nickte bestätigend. „Ja, das sehe ich, aber das ist hier verboten, am ganzen See darf nicht geangelt werden.“

      „Das wussten wir nicht, wir sind nicht von hier. Entschuldigen Sie, komm Daniel wir gehen.“ Dorran wollte keinen Ärger, aber so wie es aussah hatte er ihn schon.

      Er wurde wieder mit einem strengen Blick bedacht. „Moment, und was sind das für Fische, die da im Wasser hängen? Die haben Sie doch schon herausgefischt.“ Widerstrebend gab Dorran dies zu, das hätte ja ihr Abendessen geben sollen. „Die können sie behalten, aber, das kostet sie etwas. Die Strafe ist ein Wertstein pro Fisch, sofort zu entrichten.“

      Jetzt griff Daniel ein, der bis zu diesem Zeitpunkt nur zugehört hatte. „Wer sind Sie eigentlich? Warum lassen sie uns nicht in Ruhe.“

      Der Mann griff in seine Tasche und holte ein flaches Stück Eisen heraus, auf dem ein Wappen eingeritzt war. „Ich bin der Gesetzeshüter von Kümmling und das ist unser Abschnitt des Sees. Ich kann jede Strafe verhängen, die ich will, für Leute, die unseren Fisch stehlen. Seien Sie froh, dass ich nur eine Geldstrafe verhängt habe. Ich könnte Sie auch einsperren.“

      „Das tut uns leid, wir wussten es nicht, aber wir haben auch keine sieben Wertsteine für die Fische. Meine ganze Barschaft besteht aus drei Wertsteinen, denken sie wir fischen zum Spaß, wir haben einfach kein Geld.“ Daniel schaute den Hüter des Gesetztes treuherzig an.

      Tatsächlich ließ dieser sich erweichen. „Also gut, geben sie mir einen Wertstein und verschwinden sie vom Seeufer. Wenn ich sie wieder beim Angeln erwische, sperre ich sie ein, verstanden?“ Dorran hatte interessiert zugehört, Daniel hatte nicht direkt gelogen, sondern die Wahrheit geschickt verdreht. Tatsächlich besaßen sie insgesamt noch ungefähr vierzig Wertsteine, aber Daniel hatte nur noch drei in der Tasche. Einen davon gab er jetzt heraus. Dann nahmen sie die geangelten Fisch und machten sich auf zu ihrem Lager.

      Simone und die Mädchen hatten schon die Arme voll Kleinholz, als sie eine Frau trafen, die Pilze sammelte. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, Pilze schmecken auch gut und kosten nichts. „Schöne Pilze haben sie da, wachsen die hier überall?“ begann sie das Gespräch.

      Die Frau blickte auf und lächelte sie freundlich an. „Ja, aber sie sind im Wald von Kümmling, da dürfen sie keine Pilze sammeln. Der Wachtmeister ist ein strenger Mann, niemand darf hier sammeln oder angeln, tut mir leid.“

      Simone schaute sie entgeistert an. „Aber wir sind doch im Wald, das habe ich noch nie gehört, dass man in einem Wald nichts sammeln darf.“

      „Sie haben recht, das gibt es auch nirgendwo sonst am See, nur hier in Kümmling. Aber sie lagern doch sicher irgendwo, ich begleite sie dorthin. Dann kochen wir die Pilze gemeinsam, haben sie Zwiebeln?“ Hatte Simone nicht mehr, also sammelte Gertrude, so hieß die Frau, noch ein paar wilde Zwiebeln, das mache sich gut bei Pilzen. Zurück im Lager schürten sie das Feuer und holten Wasser.

      Da kamen Dorran und Daniel mit ein paar Fischen an den Platz. „Stellt euch vor, was eben passiert ist, wir haben Strafe für das Fischen bezahlen müssen, so etwas habe ich noch gar nirgends gehört.“ Dorran war entrüstet, aber bevor die Familie etwas sagen konnte, erklärte Gertrude schon die Gepflogenheiten von Kümmling. Simone stellte sie einander vor und erzählte die Pilzgeschichte. Man lachte, kochte und unterhielt sich.

      „Eigentlich möchte ich ja gerne zu meiner Mutter zurück nach Waal. Aber ich traue mich nicht allein zu fahren. Heutzutage kann ja alles passieren.“ Gertrude hatte das so dahingesagt.

      Ebenso kam die Antwort von Dorran. „Ich hätte so gerne einen zweiten Wagen, aber heutzutage ist alles so teuer.“ Alles lachte los.

      Bis Gertrude auf einmal sagte. „Nun, begleiten sie mich nach Waal und ich überlasse ihnen meinen Wagen mitsamt dem Hausrat für zwei Wertsteine, wenn wir dort angekommen sind.“ Jetzt starrten alle Gertrude an. „Zwei? Was haben sie denn für einen Wagen?“

      Diese warf einen Blick zu dem Gefährt, das hinter ihnen stand. „So ähnlich wie ihrer, nur etwas größer. Innen gibt es einen Verschlag zum Schlafen und es sind Borde und Fässer im vorderen Bereich hinter dem Kutschbock angebracht für Vorräte. Man braucht ein kräftiges oder zwei kleinere Pferde, um bequem reisen zu können.“ Dorran schaute Simone an und als diese nickte, sagte er zu. Gertrude wollte noch packen und sich verabschieden. Sie meinte sie brauche drei Tage. „Aber sie kommen mit zu mir, hier können sie nicht bleiben. Der Wachtmeister hat sie jetzt auf dem Radar, der wird ihnen täglich etwas Geld abpressen. Sie können ihren Wagen in meinen Garten stellen.“

      So machten sie es dann auch. Dorran half zusammen mit Daniel den Wagen zu beladen, während Simone und die Mädchen der Witwe Gertrude halfen, den Hausrat zu packen.

      Diese verschenkte bereits beim Packen eine Menge Kleinkram an Simone. Zusätzliche Decken, ein paar Kissen, diverse Kochutensilien, wie einen großen Topf, mehrere Kochlöffel und ein paar Steingutgefäße. Sie nahmen alle Lebensmittel mit, darunter ein paar Schinken und Würste. Zum Schluss luden sie auf beide Wagen so viel wie möglich von dem bereits gehackten und gut abgelagerten Holz. Gertrude meinte, dann müsse man unterwegs erst einmal keines sammeln.

      Am Morgen des dritten Tages fuhr man los. Die Reise nach Waal änderte ihre Route zwar gravierend, aber sie hatten ja Zeit. Dieser Umweg würde ihnen außerdem zu einen preisgünstigen Wagen verhelfen. Es waren nur noch rund vierzig Wertsteine von ihrem Gesamtvermögen übrig. Außerdem konnte man dort vielleicht Arbeit finden, um diese wieder zu vermehren.

      Die Witwe hatte eine Kuh und zwei Ziegen, die sie am Wagen festband und Simone, Dorran und die Kinder waren die Nutznießer. Jeden Tag frische Milch, umsonst, sparte ihnen so manchen Wertstein. Abends fuhren sie die Wagen so nebeneinander, dass in der Mitte eine größere geschützte Fläche entstand, dann warfen sie die Plane über beide Wagen und zurrten sie fest. Nun hatte man einen regenfesten Unterstand, der zudem gemütlich war, und wenn sie es richtig machten, auch vor Wind schützte. Das brauchte ein wenig Übung, aber nach ein paar Mal gelang es ihnen fast immer, die Windrichtung richtig einzuschätzen. Simone und die Mädchen fanden diese Neuerung richtig luxuriös. Unterwegs waren wohl ein paar Dörfer zu sehen, die ließen sie aber links liegen, noch waren die Vorräte nicht aufgegessen und die Witwe gab ihnen Milch.

      Winter in Waal

      Nach zwei Wochen kam der kleine Treck in Waal an. Gegen die einfachen Ansiedlungen und Dörfer, an denen sie vorbeigekommen waren, kam ihnen Waal so groß wie die Hauptstadt Mittelstadt vor. Dort hatte sich damals weder Melissa noch Dorran, und Streuner schon gar nicht, wohlgefühlt. Dorran erklärte mit ernstem Gesicht. „Wir werden dennoch etwas hierbleiben müssen, wir brauchen Geld, und es ist bereits September. Vielleicht überwintern wir auch hier, aber darüber


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