Dorran. Isabel Tahiri

Dorran - Isabel Tahiri


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dass der letzte Gast gegangen war, alle Abfälle, die er auf den Tischen fand, in den Schweinetrog zu werfen. So schlief er besser, ohne den Geruch der Essensreste und am Morgen war er viel schneller mit der Arbeit fertig.

      Zu Essen bekam er immer nur gute Sachen, im Prinzip dasselbe, wie die Gäste. So kam er in den Genuss einiger Köstlichkeiten wie Rinderbraten, Fasan, diverse Hühnerteile, Lamm und Fisch. Auch von den Süßspeisen durfte er sich nehmen, allerdings erst am Abend, von dem, was übrigblieb. Meist gab es verschiedene Puddings, aber auch kleine Küchlein oder eine sahnige Creme, die die Wirtin mit Wein herstellte waren darunter. Er hatte deutlich zugenommen, wirkte kräftiger, als bei seiner Ankunft, aber fett war er noch nicht. Und da er seine Reise zu Fuß machen würde, machte er sich deshalb auch keine Sorgen.

      Endlich war es soweit, die Wirtsleute zahlten ihm seinen letzten Lohn aus, zwanzig Wertsteine, dann schulterte er sein Bündel und schlenderte über den Markt. Sie hatten ihn nur widerstrebend gehen lassen, aber eingesehen, dass er weiter musste. In den sieben Wochen hatte er einhundertzwanzig Wertsteine verdient, und nicht einen davon ausgegeben. Die hilfsbereite Gretel hatte ihm einen schlanken Beutel genäht, den er mit einer Kordel um den Bauch binden konnte, darin bewahrte er sein kleines Vermögen auf. In der Tasche hatte er zwanzig Wertsteine, damit würde er ziemlich weit kommen, er stellte ja keine großen Ansprüche.

      Dorran fand einen großen Wasserschlauch, den er gefüllt kaufte, da konnte er auch gleich sehen, ob er dicht war. Er kostete den Inhalt, es war ein billiger saurer Wein, aber mit Wasser vermischt, konnte er ihn gut trinken. Zwei Wertsteine hatte ihn das gekostet, aber Dorran brauchte auch noch Stiefel. Seine waren schon lange zu klein, die Spitzen abgeschnitten, damit die Zehen Platz hatten. Er sah sich nach einem Stand mit Schuhen um. Beim Schuhmacher erstand Dorran ein paar weiche Stiefel aus Kalbsleder, die wunderbar verarbeitet waren, vier Wertsteine, ein guter Preis. Auch zwei Hemden und eine neue Hose, einen Ledergürtel und zwei Halstücher wurden gekauft. Außerdem einen Rucksack aus robustem Leder für zwei Wertsteine, groß genug für seine neuen Kleider, den Schinken und das Brot, dass die Wirtin ihm zum Abschied geschenkt hatte. Der kleine Steinkrug mit Schnaps vom Wirt, passte ebenfalls noch gut hinein. Er schlug ihn in sein Wickeltuch ein und verstaute dann alles in seinem neuen Rucksack. Dorran kam sich reich vor und war dankbar, für das Glück, hier Arbeit gefunden zu haben. Um die Mittagszeit war er bereits unterwegs, unverdrossen marschierte er weiter Richtung Norden.

      Haselsprung

      Die wochenlange gute Ernährung und sein neuer Wasserschlauch erlaubten Dorran, gut voran zu kommen. Er wanderte bereits drei Wochen, es war jetzt Ende Juli, als er einen Freund gewann. Sein Weg führte ihn am Waldrand entlang, als er plötzlich ein Jaulen und Fiepen hörte. Er folgte den Geräuschen und fand an einem Baum einen Sack hängen, der sich bewegte.

      Vorsichtig nahm er ihn herunter und sprach mit sanfter Stimme auf ihn ein. „Du brauchst keine Angst zu haben, ich helfe Dir mein Kleiner, wer hat Dich denn bloß in den Sack gesteckt. Ganz ruhig, ich mach es jetzt auf.“ Als er ihn öffnete sprang ein winziger Hund heraus, der sofort über seine eigenen Füße stolperte. Er fühlte sich heiß an und winselte. Das Kerlchen hatte bestimmt Durst. Dorran nahm den Wasserschlauch zur Hand, und goss sich davon etwas in seine Handfläche und hielt es dem Hündchen hin. Der schleckte alles brav auf und verlangte nach mehr. Nach ein paar Händen voll legte sich der Kleine auf seinen Schoß, und schlief sofort ein. Denn, dass es ein Männchen war, hatte er gleich gesehen.

      Was sollte er jetzt machen, er konnte ihn doch nicht allein im Wald zurücklassen. Dazu war er zu klein, ihn mitnehmen? Ja, das hielt Dorran für eine gute Idee, dann hatte er Gesellschaft unterwegs. Aber in dem Fall brauchte das Hündchen einen Namen. Dorran überlegte eine Weile, während er den schlafenden Welpen betrachtete. Sein Fell war sehr hell, fast weiß und lockig, er hatte sehr große Pfoten, kein kleiner Hund also. Wie könnte er ihn nennen? Ihm fiel kein geeigneter Name ein, er musste ihn besser kennenlernen. Das Hündchen öffnete die Augen und sprang auf, es lief mal hier und mal dort hin. „Komm, Hund.“ Dorran forderte ihn auf mitzukommen, und der Hund folgte ihm brav.

      Der Welpe rannte immer ein paar Schritte vor und blieb dann wieder etwas zurück. Dorran war gezwungen sich ständig nach ihm umzusehen, das zerrte an seinen Nerven. Nach ein paar Stunden war er es leid, er lief einfach weiter und beachtete den Winzling nicht mehr. Als er selbst eine Rast einlegte und gerade ein Stück Wurst abschnitt, tauchte der Kleine wieder auf. „Da bist Du ja, Du alter Streuner.“ Als Dorran das sagte, kam es ihm plötzlich genau richtig vor. „Gut, Du sollst Streuner heißen. Komm her.“ Streuner kam sofort und schnupperte an der Wurst. Dorran teilte sie am Ende gerecht auf. Jetzt musste er entweder ein Kaninchen fangen, oder im nächsten Dorf etwas Fleisch erwerben. Mit Streuner an seiner Seite benötigte er deutlich mehr Nahrung. Von da an waren die beiden unzertrennlich, sie schliefen nachts eng beieinanderliegend im Wald oder in einer Scheune. Dorran konnte richtig tief schlafen, Streuner passte gut auf und weckte ihn beim kleinsten Geräusch.

      Es war nicht so teuer, wie er erwartet hatte, den Hund durchzufüttern. Oft bekam der hübsche Streuner auch etwas von den Bauern geschenkt. Mal ein bisschen Leber hier, eine Wurst dort, auch mal einen Markknochen. Einige der Bauern sagten, dass er bestimmt einen guten Wachhund abgeben würde. Manche machten ihm sogar ein Angebot für den Hund. Aber trennen wollte Dorran sich keinesfalls von Streuner, er betrachtete ihn als seinen Freund. Auch das Futterproblem löste sich beinahe von selbst. Je größer der Hund wurde, desto selbstständiger wurde er auch. Im Herbst, Streuner war inzwischen ziemlich gewachsen, brachte er Dorran erstmals einen großen Feldhasen und legte ihn zu dessen Füßen ab. Dorran schätzte, dass er inzwischen ein halbes Jahr alt war, für einen so jungen Hund war das sehr früh, um selbstständig zu jagen. Aber erfreulich war es dennoch, Streuner hatte für sie beide etwas zu Essen besorgt.

      Er zog dem Hasen das Fell ab, und holte die Eingeweide heraus, die er an Streuner verfütterte. Auch das abgezogene Fell gab er dem Hund zurück, der eine Weile damit spielte und es dann zerriss. Danach war es uninteressant.

      Ihre Beziehung spielte sich ein, Streuner jagte für sie Beide, und sie kamen gut voran. Auf den Bauernhöfen kauften sie nur noch Milch und Dauerwürste, etwas Brot und ab und zu mal ein Stück Rindfleisch. Streuner jagte fast ausschließlich Hasen. Einmal erwischte er einen wilden Truthahn, ein seltenes Festmahl für die beiden Wanderer. Der Hund hatte jetzt im Oktober wohl seine endgültige Größe erreicht, er ging Dorran bis zur Hüfte, der Babyspeck war verschwunden. Streuner wirkte eher mager, er wuchs einfach zu schnell, die Muskulatur musste sich erst noch ausbilden. Ende Oktober kamen sie in das Dorf Haselsprung. Nur zehn Häuser groß, ein paar Scheunen, Ställe und Pferche. Um das Dorf herum lagen ein paar Felder, die aber natürlich schon abgeerntet waren. Hier gab es eine junge Witwe, die, um ihr Auskommen zu verbessern, ein Zimmer zu vermieten hatte. Sie stellten sich vor, Dorran und der große Streuner. Die Witwe war einverstanden, ihnen für den Winter eine Unterkunft zu gewähren. Zwei Wertsteine pro Monat und täglich eine warme Mahlzeit für sich und Streuner. Das war sehr preisgünstig, Dorran nahm das Angebot mit Freuden an. Streuner durfte sogar ins Haus.

      Das Leben bei Melanie, so hieß die Witwe, gestaltete sich angenehm. Dorran half ihr mit dem Holz, er spaltete und hackte es zurecht, um es anschließend auf der Veranda des kleinen Hauses zu stapeln. Sie kochte Suppen und Eintöpfe für ihn und Streuner. Er fühlte sich wohl, genau, wie der Hund auch. Dorran konnte die Pause gut gebrauchen, seine Beine waren in der Zeit des Wanderns muskulöser geworden, aber er war insgesamt erschöpft. Er genoss die Ruhe.

      Als er sich bei Melanie umsah, erkannte er viele Dinge, die repariert werden mussten. Man merkte deutlich, dass der Mann fehlte. Also reparierte er ein paar Dinge für sie, die vor dem Winter dringend erledigt werden mussten. Das Dach hatte eine undichte Stelle, das Ofenrohr musste gereinigt, der Brunnen von Laub befreit werden, lauter Kleinigkeiten, aber sie war ihm dankbar dafür. Seit ihr Mann gestorben war, musste sie allein zurechtkommen. Die Dörfler wollten ihr, der Zugereisten aus Bergtal, nicht unter die Arme greifen. Außer ein paar unsittlichen Anträgen von den Ehemännern der anderen Frauen, hatte sie keine Hilfe aus dem Dorf bekommen. Dorran stellte fest, dass die Menschen hier auch nicht anders waren,


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