Dorran. Isabel Tahiri

Dorran - Isabel Tahiri


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      Dieser sah ihn misstrauisch an. „Wer bist Du und was willst Du hier?“

      Er gab die gewünschte Auskunft. „Mein Name ist Dorran, ich komme von Bergdorf, und suche Arbeit für Essen.“

      Der Mann musterte ihn von oben bis unten und entschied sich dann dafür ihn durchzulassen.

      „Geh in die Schänke, da hilft man Dir sicher weiter.“

      Tatsächlich machte der Wirt ihm ein Angebot. „Du musst aber mindestens eine Woche bleiben, das ist die Voraussetzung. Dann kannst Du hier wohnen, bekommst drei gute Mahlzeiten am Tag und machst alle Arbeit, die ich Dir auftrage. Wenn ich am Ende zufrieden mit Dir gewesen bin, bekommst du für jeden Tag, den du gearbeitet hast einen Wertstein. Einverstanden?“ Dorran überlegte nicht lange und willigte ein. Er hatte es nicht eilig, und ein paar Wertsteine zu besitzen würde ihm auf der Reise in den Norden bestimmt nicht schaden. Für einen Wertstein konnte man sich ein Brot, eine Dauerwurst und einen Krug Bier oder auch Milch kaufen. Die Bezahlung war also nicht besonders großzügig bemessen, aber dafür gab es drei Mahlzeiten am Tag und ein Dach über dem Kopf.

      Hier in Bergland, waren die Wertsteine überall gültig. Er erinnerte sich nicht mehr, ob Wertsteine auch in Südland und Waldland die gültige Währung waren. Aber selbst wenn nicht, solange, bis er für seiner Suche vielleicht das Land verließ, konnte er sich davon etwas kaufen. Dorran wusste auch schon, was er sich gerne zulegen würde. Einen Wasserschlauch aus Ziegenleder, mit einer Kordel, damit er ihn um den Hals oder über der Schulter tragen konnte. Und, wenn das Geld reichte, einen schönen Rucksack aus Leder. Dann hätte er endlich die Hände frei beim Wandern. Wenn er sehr viel verdienen würde, wären auch ein paar Stiefel nicht schlecht. Aber notfalls ging er eben barfuß, wenn seine alten Stiefel endgültig auseinanderfielen. Jetzt würde Dorran also das erste Mal selbst Geld verdienen, er hatte in seinem Leben allerdings noch nicht viele Wertsteine gesehen. Eigentlich nur die seiner Ziehmutter, wenn er genau darüber nachdachte. Sie waren aus einem fast durchsichtigen Stein gewesen, keiner sah wie der andere aus. Aber sie funkelten wunderbar in der Sonne. Wenn man sie eine Weile in der Hand hielt, wurden sie warm. Mechthild hatte zwölf Stück besessen, sie aber nie angerührt. Alles was sie benötigten, tauschte sie mit ihren Kräutern und Salben ein. Die Wertsteine vergrub sie unter ihrem Bett, für schlechte Zeiten.

      Der Wirt bedeutete Dorran sich zu setzen und stellte ihm eine Schüssel mit dicker Suppe auf den Tisch. Er legte ein auch großes Stück Schwarzbrot dazu. „Das muss für heute reichen, dann zeige ich Dir wo Du schlafen wirst und im Morgengrauen geht es dann los.“ Dorran nickte, er war müde, und aß schweigend seine Suppe und das Brot. Es schmeckte gut, so würzig. Danach führte der Wirt ihn nach draußen und zeigte ihm einen Schlafplatz im Stall. Eigentlich war es eine leere Pferdebox, aber das Stroh roch frisch. Er bekam noch eine Decke, dann war er allein. Er schaute sich um, der Stall wirkte gepflegt und sauber. Erschöpft wickelte er sich in die Decke, rückte sich ein bisschen im Stroh zurecht und war kurz darauf eingeschlafen.

      Als eine Magd ihn wieder weckte, war es noch dunkel. Sie nahm ihn mit in die Küche und gab ihm einen Becher warme Milch und etwas Brot. „Wenn Du morgens etwas essen willst, musst Du immer so früh aufstehen wie heute, sonst kommst Du nicht mehr dazu. Wenn der Wirt erst mal auf ist, scheucht er einem den ganzen Tag herum. Ach, übrigens, wie heißt Du eigentlich? Also ich bin die Gretel, jedenfalls sagen alle so zu mir. Getauft wurde ich allerdings auf Margarethe, aber niemand nennt mich so.“ Sie redete auf ihn ein, während er noch versuchte richtig wach zu werden. Aber sie lächelte ihn dabei freundlich an. Er sagte ihr also seinen Namen und bedankte sich für ihren Rat. Sie grinste. „Kein Problem, Dorran, ein seltsamer Name, woher kommt er?“

      „Meine Ziehmutter stammt von den Kelten ab, hat sie jedenfalls erzählt, daher dieser Name. Er bedeutet Fremder.“

      Sie lachte hell auf. „Na das bist Du ja auch.“ Gretel steckte sich noch ein Stück Brot in den Mund und verließ die Küche. Dorran blieb allein zurück, aber nicht sehr lange. Der Wirt kam herein gerauscht und als er ihn sah, teilte er dem jungen Mann gleich eine Arbeit zu. „Du machst als erstes die Schankstube sauber. Abfälle bringst Du der Sau in den Stall, Teller und Becher in die Küche. Dann Tische abwischen, aber gründlich, wenn ich bitten darf. Danach den Boden fegen. Wenn um die Mittagszeit die ersten Leute kommen, muss hier alles blitzblank sein. Kannst du das?“ Dorran nickte und verschwand in den Schankraum.

      Nach drei anstrengenden Stunden glänzte endlich alles sauber und frisch. Am Längsten dauerten die Tische, es war ihm gestern gar nicht aufgefallen, aber anscheinend verschütteten die Gäste ständig ihr Bier oder ließen das halbe Essen auf dem Tisch zurück. Heute war es natürlich angetrocknet und es dauerte ewig, bis er alles gesäubert hatte. Als er damit fertig war, ging er wieder in die Küche zurück. Dort traf er Gretel. „Iss schnell etwas, dann wirst Du spülen müssen. Ich muss dabei helfen die Teller und Becher an die Tische zu bringen. Fang am Besten sofort, nachdem Du gegessen hast, damit an.“ Er nickte. Sie schob ihm eine Schüssel mit Eintopf herüber und legte eine dicke Scheibe Weißbrot dazu. Dann rannte sie hinaus.

      Während er aß kam die Wirtin herein, eine dicke, gemütlich aussehende Person. Sie lächelte ihn freundlich an. „Ah, Du bist der Neue, Dorran, stimmts?“ Als er nickte fuhr sie fort. „Die Schankstube hast Du ganz allein saubergemacht? Die Gretel hat Dir nicht geholfen?“ Als er verneinte, lobte sie ihn. „Ich war ganz überrascht, der letzte Bursche war furchtbar, aber Du hast es sehr gut gemacht, so sauber war es schon lange nicht mehr.“ Dann langte sie in einen Topf und legte ihm noch eine Wurst in seine Schüssel. „Lass es Dir schmecken. Nach dem Essen spülst Du da hinten am Ziehbrunnen, das Geschirr, die Becher und zum Schluss die Töpfe. Gretel bringt Dir alles hinaus.“ Sie zeigte ihm noch das große Bord, auf das er alles Gespülte zum Trocknen stellen sollte. Dann wendete sie sich wieder ihren Töpfen zu und beachtete Dorran nicht weiter.

      Als er auch noch die Wurst verputzt hatte, begab er sich in den Hof und begann zu spülen. Die Flut an Bechern und Tellern schien nicht enden zu wollen, zum Glück brachten die Leute ihr eigenes Besteck mit. In der Schankstube war anscheinend ordentlich was los, denn Gretel kam immer wieder mit Nachschub für Dorran. Es war schon dunkel, als er den letzten Topf für heute scheuerte. Die Wirtin hatte Dorran zum Abendessen gerufen. „Nach diesem Topf machst Du Schluss für heute, das reicht für Deinen ersten Tag. Komm rein und iss. Danach kannst Du schlafen gehen. Was jetzt noch kommt, soll die Gretel in einen Eimer mit Wasser werfen, dann ist es morgen leichter zu spülen.“ Erschöpft aß er den wirklich schmackhaften Eintopf, den die Wirtin erneut mit einer Extrawurst krönte. Dorran sah sie dankbar an und verschwand sofort nach dem Essen im Stall.

      So verliefen eigentlich alle seine Tage, aufräumen, putzen, spülen. Dazwischen Essen und schlafen, aber es machte ihm nichts aus. Das Essen war wirklich gut und die Wirtin belohnte seinen Fleiß oft mit einer Extrawurst. An jedem Nachmittag bekam er ein Stück Kuchen, was wie ein kleines Wunder für ihn war. Meist war es ein einfacher Rosinenkuchen, aber er schmeckte köstlich, duftig locker gebackener Teig, mit dicken Rosinen. Am Sonntag bekam er dann ein Stück Erdbeerkuchen, Dorran aß ihn ganz langsam und genoss jeden Bissen.

      Die Woche war sehr schnell vorbei, er musste weiter. Wehmütig dachte er an das gute Essen, dass er hier bekommen hatte, vor allem den Kuchen würde er vermissen. Aber als er gehen wollte, baten die Wirtsleute ihn, noch eine Woche dranzuhängen. Sie seien sehr zufrieden mit Dorran gewesen, zahlten ihm zehn Wertsteine aus und stellten ihm fünfzehn weitere in Aussicht, wenn er bleiben würde. Dorran fragte nach dem nächsten Markttag, bevor er zusagte. Der war am dritten Sonntag im Mai, also in zehn Tagen. Solange würde er bleiben, aber dann musste er weiter. Er besaß jetzt schon fast soviel Geld, wie Mechthild ihr Leben lang besessen hatte. Den Wasserschlauch aus Ziegenleder, den Rucksack und sogar ein Paar neue Stiefel, könnte er sich auf jeden Fall leisten. Da er noch weitere zwanzig Wertsteine verdienen sollte in den nächsten zehn Tagen, würde sogar noch etwas übrigbleiben.

      Dann kam das Unwetter, es regnete und stürmte, die Straßen und Wege wurden fast unpassierbar, der Markttag fiel aus. Dorran musste in der Schankstube schlafen, im Stall war es nicht mehr trocken genug. Er blieb also noch einen Monat länger,


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