Von den Göttern verlassen IV. Sabina S. Schneider

Von den Göttern verlassen IV - Sabina S. Schneider


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den Arm und drückte sie fest an sich. Und sein Herz verstand, was Liebe war.

      So lagen sie sich in den Armen, bis Laura sich seufzend mit den Worten von ihm löste: „Ich werde dann wohl anfangen, Reisevorbereitungen zu treffen. Du willst sicher bald los.“

      „Ich will nicht weg“, rief Lucel aufgebracht.

      „Vielleicht nicht jetzt, aber bald. Nadine hat zur Eile angetrieben. Es ist besser, wenn du mit der Suche so schnell wie möglich beginnst“, erwiderte Laura, ihm den Rücken zugedreht. Sie verschwand in der Küche, hantierte ungeschickt in der Vorratskammer, suchte Reisebeutel und leichtes Kochgeschirr.

      Nadines Worte hallten in ihrem Geist.

      Meide Lila und Gelb.

      Wer hatte den lila und wer den gelben Stein? Sollte Lucel sie meiden wegen den Erinnerungen, die sie beherbergten, oder wegen den Trägern? Wer jagte Nadine, die gütigste und sanfteste Seele, die Laura je kennengelernt hatte? Statt Fröhlichkeit und kindlicher Naivität war Härte in Nadines Augen gewesen. Was war passiert?

      Laura stieß einen Berg Töpfe um, als sie Schritte hinter sich hörte. Erschrocken drehte sie sich um.

      „Ich werde mit ihm gehen.“ Selenas Gesicht verriet nur Entschlossenheit und den Willen zum Kampf. Herausfordernd sah sie ihre Mutter an.

      Laura seufzte tief. Sie hatte nicht vorgehabt, ihre Tochter aufzuhalten und selbst wenn, wäre es ihr nicht gelungen. Den Dickkopf ihres Engels kannte Laura nur zu gut, auch wenn Selena ihr aufbrausendes Gemüt immer zu verstecken suchte, waren diese Charaktereigenschaften Teil ihres wunderbaren Wesens.

      „Ich wusste, dass du mitgehen würdest. Aufhalten werde ich dich nicht und um Vater kümmere ich mich auch. Er wird nicht begeistert sein, dass du gehst. Dass ihr geht.“ Laura drehte ihrer Tochter wieder den Rücken zu.

      Selena war bei den Worten ihrer Mutter sprachlos. Sie hatte fest mit einem Kampf gerechnet und die Energie, die sie in Erwartung eines Wortgefechtes aufgebaut hatte, verpuffte in der Luft.

      „Das Märchen, das du immer erzählst, ist kein Märchen. Nadine ist echt.“ Selena hatte immer den Wunsch gehegt, Teil des Märchens zu sein, das sie seit der ersten Erzählung so sehr liebgewonnen hatte.

      Laura hielt in ihrer Bewegung inne und sagte leise: „Was davon wahr ist und was nicht, werdet ihr auf eurer Reise noch früh genug erfahren. Ich ... “ Die Selbstbeherrschung verließ Laura, sie ließ alles fallen und umarmte ihre Tochter stürmisch.

      „Egal, was passiert, kommt gesund wieder zu mir zurück! Ich liebe euch, vergesst das nie!“

      Dann packten die zwei Frauen zwei Bündel. Alles, was man für die Reise brauchen könnte, war doppelt und dreifach vorhanden. Als hätte sich jemand auf diesen Tag lange vorbereitet.

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      Lucel besah sich Selenas roten Kopf, der über der Karte hing. Das Pergament war alt, hatte hier und da Risse und viele handschriftliche Nachträge. Vermutlich von verschiedenen Personen. Einige Städtenamen waren schön geschwungen geschrieben, andere klobig und kaum leserlich. Hätte Lucel es nicht besser gewusst, hätte er den Klecks, der Krem darstellen sollte, als Fettfleck interpretiert. Die Buchstaben waren unbeständig und unregelmäßig, als hätte ein Kind, das gerade das Schreiben gelernt hatte, die Buchstaben K R E M hinzugefügt, um den Fettfleck wie einen Eintrag aussehen zu lassen.

      Es waren auch Schriften vorhanden, die Lucel nicht lesen konnte. Er seufzte leise und erntete einen bösen Blick von Selena.

      Dann konzentrierte sie sich wieder auf die Karte, als würde sie die Lösung für ihr Problem dort finden.

      „Wir müssen in den Norden, wenn wir nach Tarahalm wollen. Der türkise Kreis ist definitiv bei Tarahalm“, murmelte sie vor sich hin.

      Neun farbige Kreise waren im Gegensatz zu dem Rest fein säuberlich eingetragen. Neben dem türkisen befand sich ein kleinerer roter Punkt. Gelb und Lila waren im Senjyougebiet im Südwesten eingezeichnet, zusammen mit Orange und Grün. Warum mussten sich so viele an einem Ort aufhalten, vor allem bei denen, von denen er sich fernhalten sollte? Im Nordwesten, im Teffelofgebirge, befanden sich drei weitere: Braun, Grau und der schwarzer Punkt mit dem silbernen Kern.

      Auch tabu.

      Ihnen blieb nur der Norden.

      „Wir müssen in den Norden ... “, wiederholte Selena leise und ernst. Als würde diese Information ihnen helfen. Dass sie in den Norden mussten, war ihnen noch vor dem Tag der Abreise klar gewesen. Doch es brachte nichts, Selena in ihrem Tantrum zu stören.

      Dickköpfig starrte sie auf das Pergament. Als würde sie dort die Antworten auf alle Fragen des Universums finden.

      Lucel drehte sich weg und schloss die Augen. Ihr Problem bestand darin, dass sie nicht wussten, wo Norden lag. Da er sich sicher war, dass Selena dieses Problem durchaus nicht unbekannt war, zog er es vor, zu schweigen.

      Also rollte Lucel sich auf die Seite, genoss den Geruch nach Kiefern, Waldbeeren und Gras. Der Duft von weißen Maiglöckchen mischte sich in den Wald, wühlte ihn auf, obwohl er ihm so vertraut war. Vielleicht, weil er ihm so vertraut war? Lucel hatte nicht einmal protestiert, als Selena verkündet hat, dass sie ihn begleiten würde. Vater hatte sie nur dunkel angesehen und sich bis zum Schluss nicht von ihnen verabschiedet.

      Lucel seufzte.

      Weit waren sie nicht gekommen, als Selenas Pferd von einer kleinen Blindschleiche aufgeschreckt worden war und durchging.

      Es war panisch querfeldein in den Dunkelwald gelaufen und Lucel hatte Mühe gehabt, Selena einzuholen. Als sich Quiver beruhigt hatte, waren sie irgendwo im Nirgendwo. Um sie herum nur Bäume und weit und breit kein Anhaltspunkt, wo sich ein Weg befinden könnte. Die dichten Kronen ließen nur wenig Sonnenlicht durch und Selena musste sich sehr anstrengen, im Dämmerlicht etwas auf der Karte entziffern zu können.

      Lucel seufzte erneut, stand auf und kletterte geschickt auf einen Baum und sah der Sonne beim Untergehen zu.

      „Lucel! Was machst du da oben? Komm sofort herunter!“, rief Selena aufgeregt, war jedoch, noch während sie sprach, auch schon dabei, ihm nach zu klettern. Dank der Tunika und der Hose, die sie anstelle ihres Kleides trug, war sie geschwind neben Lucel und sie sahen gemeinsam der Sonne dabei zu, wie sie die Welt in ein wunderschönes Rosarot tauchte.

      „Wir müssen runter, solange wir noch etwas sehen können“, sagte Selena, während sie ihre Augen nicht von dem Schauspiel losreißen konnte.

      Lucel stieg als Erstes hinab und half Selena herunter.

      „Jetzt wissen wir, wo Westen ist und wenn wir bis morgen Mittag warten, auch wo Norden“, sagte Lucel und verlor die Balance, als Selena in freudig ansprang.

      „Aber was machen wir solange?“, fragte Selena, als ihr Magen Lucel laut anknurrte.

      „Essen, schlaffen, essen?“, erwiderte Lucel mit einem verschmitzten Lächeln.

      „Wie macht man ein Feuer?“, fragte Selena und schaute ihn erwartungsvoll an.

      Lucel rieb sich den Kopf. Er hatte seinem Vater immer nur beim Feuermachen zugeschaut. Selbst entzündet hatte er noch nie eins. Wenn sie auch alles dabei hatten, was man auf Reisen brauchte und mehr, fehlte es ihnen am Essentiellen: dem Wissen.

      Selena runzelte wieder die Stirn, kramte in ihren Beuteln und holte triumphierend zwei Steine heraus, schlug sie so fest aneinander, dass Funken sprühten und wieder verlöschten. Aufgeregt sammelte Selena Gras, kleine Äste und Blätter.

      Nach etwa einer Stunde brannte ein kleines Feuer und verlosch nach wenigen Minuten. Nach der Hälfte der Zeit brannte ein neues Feuer und es gelang ihnen es so lange am Leben zu halten, bis sie ihr Abendmahl zu sich genommen hatten. Dann schliefen sie beide, in ihre Schlafsäcke gewickelt, ein.

      Ungläubig besah sich der Mann in den Schatten das Schauspiel. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden,


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