Tabu Liebe in Gefahr. Ute Dombrowski
„Daniel, ich liebe dich mehr als mein Leben, wenn du mich wirklich liebst, dann komm nie wieder hierher. Ich sterbe jedes Mal ein kleines bisschen, wenn ich dich gehenlassen muss. Bitte, ich meine es ernst, komm nicht mehr zu mir!“
Daniel hatte nun auch Tränen in den Augen.
„Das kannst du doch nicht wirklich wollen!“, rief er entsetzt. „Ich liebe dich und kann ohne dich nicht leben.“
„Das meine ich sehr ernst. Du kannst nicht ohne mich leben, aber eben auch nicht mit mir. Das ertrage ich nicht, also lebe wohl.“
Katja schob Daniel aus der Tür, schloss sie ab und sank niedergeschlagen auf der Treppe zusammen. Sie rief Karim an, der gestern angekommen war, um Daniels Trauzeuge zu sein, und weinte sich bei ihm aus. Karim machte ihr und Daniel keine Vorwürfe, dass die beiden die Nacht miteinander verbracht hatte, und versuchte Katja zu trösten.
„Ich weiß jetzt, dass die Hochzeit ein Fehler ist, wenn ich ihn davon abbringen könnte, würde ich es tun. Katja, leider muss ich übermorgen schon wieder weg, also können wir uns nicht sehen, aber ich melde mich so schnell wie möglich. Ich habe dich lieb.“
Katja weinte noch lange und versuchte dann, sich auf Michel und ihr neues Leben zu konzentrieren.
*
„Guten Tag, schöne Frau“, sagte Michel am zweiten Herbstferientag zu Katja.
Er war am Vormittag angereist und hatte sich in einer kleinen Pension eingemietet. Nachdem er sich frischgemacht hatte, war er zu Katja gefahren.
„Schön, dass du da bist. Ich war schon ganz aufgeregt in den letzten Tagen.“
Katja reckte sich auf Zehenspitzen und küsste Michel auf die Wange. Er umarmte sie kurz und trat ins Haus. Sie führte ihn herum und zum Ende setzten sie sich an die hübsch gedeckte Kaffeetafel. Katja hatte extra Kuchen gebacken, Michel lobte sie und sie redeten lange über alles Mögliche. Als er sich erhob, um sich zu verabschieden, ließ Katja ihn gehen, denn sie wollte nichts überstürzen. Michel unternahm keinerlei Annäherungsversuche und verhielt sich wie ein wahrer Gentleman.
Am nächsten Morgen war er mit frischen Brötchen zurück. Nach dem gemeinsamen Frühstück fuhren sie an den Rhein, tranken im Rheingau Wein, wanderten durch die Weinberge, aber Katja vermied es, in die Nähe des Weingutes Hardeg zu kommen. Am Abend lud Michel Katja zum Essen ein, dann brachte er sie heim. Vor der Tür wollte er sich schnell verabschieden, da dachte Katja, dass es vielleicht gut wäre, ihn jetzt zu küssen. Als sie sich an Michel lehnte, war er erstaunt.
„Was wird das? So schnell komme ich nicht mit.“
Katja war das Ganze nun mehr als peinlich und froh, dass Michel nicht sah, wie rot sie geworden war. Sie entschuldigte sich, sagte „Gute Nacht“ und verschwand im Haus. Michel lachte leise vor sich hin. Er hätte Katja gerne geküsst, aber es hatte bisher nicht gepasst. Schließlich sollte es in seinen Augen schon romantisch sein, wenn man sich das erste Mal küsste.
„Diese Frau kann einen schon verrückt machen“, sagte er zu seinem Spiegelbild im Auto. „Aber wenn sie mich unbedingt küssen will, dann mache ich es uns morgen romantisch.“
Als Michel am nächsten Tag zu Katja kam, hatte er einen Picknickkorb dabei und bat sie mitzukommen. Die Sonne hatte sich durch den wolkenverhangenen Himmel gekämpft, die Luft war mild und so war es ein perfektes Wetter für ein gemütliches Picknick. Er hatte in Internet nach schönen Plätzen gesucht und war auf einen Römerturm im Westerwald gestoßen. Dort gab es eine Bank und einen herrlichen Blick über das Land. Sie waren den schmalen Weg hinaufgestiegen und hatten zunächst den Turm besichtigt. Danach machten sie es sich auf der großen Bank im Sonnenschein gemütlich und genossen ihr Picknick. Später legte Michel einen Arm um Katja und sie schmiegte sich dicht an ihn.
Es war still und kein Mensch war außer ihnen dort oben. Katja schloss zufrieden die Augen. Michel erzählte von Spanien und dass er oft dort arbeitete, zuletzt an einer großen Brücke. Katja hörte zu und war fasziniert. Als Michel fragte, wie die Schule lief, berichtete sie ausführlich. Dann schwiegen sie wieder und hielten sich im Arm. Katja hatte Michels andere Hand genommen. Zärtlich strichen seine Finger über ihre. Er fühlte, dass jetzt der Moment gekommen war, und beugte sich langsam zu ihr hinüber. Katja sah ihn voller Begehren an und hörte auf zu atmen, als seine Lippen ihre berührten. Michel lächelte. Da schlang sie die Arme um seinen Hals und gab sich seinen Küssen hin.
Am Nachmittag fuhren sie wieder zu Katja und küssten sich weiter. Als sie schon fast dachte, Michel würde dableiben, verabschiedete er sich von ihr.
„Das war doch schon gut für den Anfang, oder?“, fragte er und Katja nickte.
Später lag sie allein im Bett und grübelte. Sie hatte Michels Küsse gewollt, dabei aber immer an Daniel gedacht, der vielleicht im selben Moment Linette küsste. Ihr Herz sprach eine andere Sprache, aber sie wollte sich bemühen, Michel noch mehr zu mögen. Er musste sie vor Daniel und ihrer Liebe retten.
So verliefen die letzte beiden Urlaubstage, die Michel bei Katja verbrachte, harmonisch und entspannt. Es gab Küsse, aber nicht mehr. Das störte Katja kein bisschen, denn sie ahnte, dass Michel sich nicht in ein wildes Abenteuer stürzen, sondern eine Frau für sein Leben suchen würde. Sie hatte auch begriffen, dass er sie erobern wollte und sich nicht einfach verführen ließ. Sie war schon fast froh, als er Samstagvormittag kam, um sich zu verabschieden.
„Katja, es war sehr schön bei dir. Ich denke, wir sollten uns wiedersehen. Vielleicht geht es dann weiter mit uns. Denkst du, wir haben eine Chance?“
„Ich denke, beim nächsten Mal komme ich zu dir. Es soll bitte weitergehen. Schließlich bist du ja meine Jugendliebe.“
Michel lachte und Katja erklärte ihm, dass ihr Tagebuch von damals ein Buch über ihn war. Als er sie endlich entdeckt hatte, war es zu spät gewesen. Nun hatten sie die Gelegenheit, sich neu kennenzulernen.
„Ich möchte dich gerne zu Silvester einladen“, sagte Michel, „und werde auch dafür sorgen, dass du Cora treffen kannst. Katja, ich würde alles geben, mit dir zusammen zu sein.“
Er küsste sie und nahm ihr das Versprechen ab, gemeinsam in das nächste Jahr zu starten, als Zeichen für einen Neubeginn. Dann war er weg und Katja warf alle Zweifel über Bord.
In den kommenden Wochen bis Weihnachten stürzte sie sich in die Arbeit und hoffte jeden Tag, dass Daniel vor der Tür steht, sie in den Arm nimmt und ihr sagt, er sei getrennt. Aber es passierte nichts, er rief nicht an, schrieb nicht zurück, wenn sie ihn anschrieb und akzeptierte so ihren Wunsch, sich nicht mehr zu sehen. Katja weinte sich Nacht für Nacht in den Schlaf, aber sie wollte sich nicht von ihren Gefühlen unterkriegen lassen.
Zu Weihnachten war sie bei Bea eingeladen, mit der sie sich regelmäßig getroffen hatte. Bei ihrer Freundin konnte sie sie selbst sein und über alles reden, was ihr Sorgen bereitete, auch Karim hörte am Telefon immer zu und war für sie da, wenn die Trauer zu stark wurde. Er hatte ihr nicht gesagt, dass Daniel ebenso unglücklich war und all seinen Kummer mit ihm beredete. Und dieser Kummer war riesengroß. Linette hingegen bemerkte nichts von alledem, sie schob Daniels Veränderung auf die viele Arbeit und war sowieso viel mit ihren Freundinnen unterwegs. Stets in Feierlaune war ihr ihr griesgrämiger Mann egal, der lieber zuhause blieb und sie nachts von irgendwelchen Partys abholte.
Wenn Linette es einforderte, schlief er mit ihr und sie fand letztendlich das Arrangement ihrer Eltern ganz in Ordnung. Karim hörte sich alles an, was Daniel ihm sagte, aber er konnte ihm die Lösung nicht nahebringen: Scheidung. Daniels Eltern wussten nicht, wie es ihrem Sohn ging, aber Karim hatte sich vorgenommen, am Weihnachtsfest, das Thea und Richard in Südfrankreich verbringen würden, die Karten auf den Tisch zu legen.
Cora hatte in Potsdam Michel getroffen und von ihm erfahren, dass Katja mit ihm Silvester feiern würde. Sie malte sich schon aus, dass ihre Freundin nun bald in ihre Nähe ziehen würde. Wenn sie aber mit Katja darüber redete, spürte sie eine merkwürdige Distanz. Sie nahm sich vor, sie am Silvesterabend