Fälschung. Ole R. Börgdahl

Fälschung - Ole R. Börgdahl


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      »Das eine soll mir vorerst reichen«, sagte er und schaltete die Kamera aus. »Wir werden das Gemälde ohnehin noch mit Profigeräten ablichten. Ich wollte das hier nur für mich haben.«

      Edmund Linz nickte schweigend.

      *

      Als Florence am nächsten Morgen zum Frühstück kam, war Simon bereits wieder zur Arbeit gefahren. Sie hatte ihn und Marc gestern Abend noch kurz gesehen, bevor sie mit Colette noch einmal in die Stadt gefahren war, um dort den Abend zu verbringen. Colette war an diesem Morgen schon früh aufgestanden. Sie hatte die Freundin schlafen lassen, ihren Mann und den Sohn versorgt und war jetzt mit Florence allein zu Hause. Sie hatte selbst noch nicht gefrühstückt, sich ihren Hunger aufgespart. Sie hatte beim Bäcker an der Ecke Brötchen geholt. Colette fand es herrlich, eine Zeit lang nur französisch sprechen zu können.

      »Marc ist auch schon zur Schule?«, fragte Florence.

      Colette nickte. »Er geht schon lange allein, trifft sich mit Freunden auf dem Weg dorthin. Morgen hat er übrigens keine Schule, Lehrerkonferenz oder so etwas Ähnliches und in einer Woche sind schon die Osterferien. Es fallen ja eigentlich genug Schulstunden aus, darum verstehe ich nicht, warum die so eine Konferenz nicht in die Ferien legen.«

      Florence zuckte mit den Schultern. »Weil eben Ferien sind«, kommentierte sie.

      Sie schnitt ein Brötchen auf und pulte den weichen Kern aus beiden Hälften. Sie liebte es, diesen Teil des Brötchens nur mit Butter zu beschmieren und so in den Mund zu stecken. Croissants gab es heute Morgen nicht. Colette kaufte sie grundsätzlich nicht, weil sie ihr hier in Deutschland nicht richtig schmeckten. Dafür hatte sie aber sieben Sorten Käse, die Florence an diesem Morgen fast alle probierte.

      »Wann wolltest du mit mir in deinen Wellnesstempel?«, fragte sie.

      »Heute Nachmittag«, antwortete Colette und nahm noch einen Schluck Kaffee. »Ich habe extra einen Termin vereinbart, wegen der Massagen.«

      »Massagen?«, wiederholte Florence.

      »Ja, ich sagte doch es ist ein Wellnesstempel, mit allem Drum und Dran, lass dich überraschen.«

      »Gut, dann lasse ich mich eben überraschen. Und was machen wir heute Vormittag noch?«

      »Zu was hast du denn Lust?«, fragte Colette. Sie wollte gerade noch einmal in ihr Brötchen beißen, hielt aber in der Bewegung inne und sah ihre Freundin an.

      »Du darfst jetzt aber nicht lachen«, antwortete Florence. Sie hielt sich verschwörerisch den Finger an die Lippen. »Ich will meinem Bruder eine Lederhose kaufen. Eine von diesen kurzen Trachtenhosen.«

      »Was soll er denn damit?« Colette biss endlich ab und kaute genüsslich.

      »Ganz einfach«, erklärte Florence. »Er segelt doch. Er hat ein kleines Boot. Bei den Wendemanövern muss er auf der Bordwand herumrutschen. Es kommt häufig vor, dass er mit der Shorts oder Hose irgendwo hängen bleibt. Er braucht also etwas Robusteres und da habe ich eben an so eine bayerische Lederhose gedacht. Ich habe sogar heimlich eine seiner Shorts mitgenommen, wegen der Größe.«

      »Und du glaubst, er zieht so etwas an?«, fragte Colette ungläubig.

      »Wenn ich sie ihm schenke. Vielleicht nehme ich sogar zwei, falls sie ihm gefallen, denn so oft bin ich ja auch nicht hier.«

      »Eine Krachlederne in der Südsee.« Colette musste lachen. »Gut, dann gehen wir heute Morgen eben shoppen, das wäre ohnehin auch mein Vorschlag gewesen, es sei denn, du hättest noch etwas Ruhe gebraucht.«

      Sie frühstückten bis kurz nach neun und machten sich dann auf den Weg. Als Colette die Garage öffnete, stellte sie überrascht fest, dass Simon nicht wieder seinen Wagen zur Arbeit genommen hatte.

      »Oh, das ist blöd«, stöhnte sie. »Ich hatte eigentlich keine Lust, mit dem Riesending durch die Stadt zu fahren. Komm, lass uns eben noch schnell bei Simon im Büro vorbeischauen und den Wagen tauschen. Ich möchte mein Cabriolet zurück, auch wenn wir heute nicht offen fahren können.«

      Florence nickte. Sie musste an das Gespräch vom Vortag denken. »Ich fürchte«, sagte sie lachend, »dass ich mit Simons Kombi wenig Eindruck auf die ledigen Herren machen werde, mit denen du mich am liebsten verkuppeln möchtest. Die denken eher, ich bin eine Mutter auf Einkaufstour.«

      Colette schüttelte den Kopf, musste aber auch lachen. Sie stiegen in den Wagen und fuhren langsam rückwärts aus der Garage heraus, die Einfahrt hinunter auf die Straße. Das Garagentor schloss sich automatisch, nachdem Colette die Fernbedienung betätigt hatte. In wenigen Minuten hatten sie die Wohnsiedlung verlassen und befanden sich auf dem Weg zum Kunst- und Auktionshauses Blammer.

      *

      Georg Staffa saß an seinem Schreibtisch und sah sich die Übersicht an. Alle Anwälte der Kanzlei und auch die Partner hatten sich noch vor fünf Minuten getroffen und jeder gab ein kurzes Briefing ab, über die Fälle, die er gerade bearbeitete. Georg sah auf die Uhr. Pünktlich um zehn klingelte sein Telefon. Er nahm ab.

      »Sie müssen los, Herr Staffa. Der Termin vor Gericht beginnt in einer halben Stunde.«

      »Danke. Ich komme sofort. Haben Sie alle Unterlagen zusammen?«

      »Selbstverständlich, die Klageschrift und die Gerichtskorrespondenz. Der Mandant trifft Sie vor dem Gerichtsgebäude.«

      »Danke!« Er legte wieder auf.

      Georg erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und streckte sich. Er ging zum Schrank, öffnete eine der Türen und betrachtete sich in dem kleinen Spiegel, der innen an der Schranktür befestigt war. Er strich sich mit der Hand über das Haar, noch hatte er nichts an sich auszusetzen, keine grauen Strähnen, keine übermäßigen Falten um die Augen. Er verzog das Gesicht, lächelte sich selbst an, griff dann nach seiner Jacke und verschloss den Schrank wieder. Seinen Talar und eine weiße Krawatte hatte er immer im Wagen liegen. Er würde sich erst im Gerichtsgebäude umziehen. Als er aus der Tür trat, stand Frau Stelljes schon bereit. Sie war eine erfahrene Anwaltsgehilfin, eine reine Sekretärin brauchte Georg nicht. Er brauchte jemanden, der für ihn alle Routinearbeiten erledigen konnte und zudem noch vom Fach war. Frau Stelljes bemutterte Georg immer ein wenig, obwohl sie kaum älter war als er. Es war eigentlich auch kein bemuttern, es war Zuverlässigkeit, wie es Georg vor den Partnern immer ausdrückte.

      In der schwarzen Aktenmappe, die sie ihm reichte, war wie immer alles verstaut, was er für heute Vormittag benötigte.

      »Danke!«, sagte er noch einmal.

      »Haben Sie Ihr Handy auf stumm geschaltet?«, fragte Frau Stelljes pflichtbewusst.

      »Nein, ich glaube, ich habe es gar nicht dabei.«

      Georg tastete seine Hose und Jacke ab. Er gab ihr die Aktentasche zurück und ging noch einmal in sein Büro. Sein Handy lag auf dem Schreibtisch. Er griff es. Beim Verlassen des Büros tippte er die Tastenkombination für die Stummschaltung ein. Frau Stelljes hatte recht, es war besser, das Handy jetzt und hier stumm zu schalten, als es später im Gericht zu vergessen. Sie streckte ihm wieder die Aktentasche entgegen. Im Vorbeilaufen nahm er die Tasche und verabschiedete sich mit einem Winken. Der Fahrstuhl stand schon in der fünften Etage. Die Schiebetüren öffneten sich sofort, als er den Knopf neben dem Fahrstuhlschacht drückte. Ohne Unterbrechung kam er unten an. In dem Bürogebäude hatten gut ein halbes Dutzend Firmen ihre Büros und zusätzlich noch zwei Arztpraxen. Seinen Wagen hatte er direkt an der Straße geparkt. Hinter dem Bürogebäude gab es noch einen größeren Parkplatz, den er aber fast nie benutzte, weil ihm der Weg dorthin zu weit war. Mit der Fernbedienung seines Autoschlüssels öffnete er die Heckklappe, die automatisch aufsprang. Er legte die schwarze Aktenmappe neben eine Kleiderhülle, in der sich Talar und Krawatte befanden, und klappte den Kofferraumdeckel wieder zu. Sein Blick ging auf die andere Straßenseite. Auf dem großzügigen Grundstück von Gegenüber hatte das Kunst- und Auktionshaus Blammer seine Geschäftsgebäude. Das silberne Cabriolet mit dem schwarzen Stoffdach glänzte in der Sonne und er erkannte Colette Halter und eine andere Frau, die neben dem Wagen standen und zu ihm hinübersahen.


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